Süddeutsche Zeitung

Blühflächen auf Feldern:"Es langt nicht, wenn's brummt, sondern erst, wenn's auch summt"

  • Der Landkreis Ebersberg soll in diesem Jahr etwa sieben Hektar an zusätzlichen Blühflächen bekommen.
  • Landwirte säen dazu auf einem Teil ihrer Äcker Blumen aus.
  • Damit wollen sie vor allem dem Bienensterben entgegenwirken.

Von Korbinian Eisenberger, Anzing

Es ist kein Blütenstaub, noch nicht. Was staubt, ist ein Bulldog, der mit einer Saatmaschine über den Acker rumpelt. Auf dem Feld sprießen schon die Triebe der Maispflanzen. Nur auf dem Seitenstreifen mit dem Bulldog, da sprießt noch nichts. "Wegen dem Frost säen wir die Blumen erst jetzt an", sagt Landwirt Martin Kandler, der Mann auf dem Bulldog. Weil hier künftig kein Mais mehr wachsen soll, sondern Blumen. Drei Meter ist der Streifen breit und hundert Meter lang. Bei 3,7 Hektar Gesamtfläche macht das knapp ein Prozent des Feldes aus. Nicht viel, aber mehr als vorher.

Mittagszeit, ein Maisfeld bei Anzing, wie es in Bayern Tausende gibt. Nur dass der Feldbesitzer hier in diesem Frühjahr etwas anders macht als bisher. Und damit ist er nicht allein. Um die 50 Bauern aus dem Landkreis Ebersberg nehmen an der Gemeinschaftsaktion teil: Sie wandeln kleine Teile ihrer Maisfelder in Blühflächen um. Anlass ist die Aktion des Ebersberger Landratsamts "Der Landkreis summt" zum diesjährigen Jahr der Biene. Landwirte wie Martin Kandler verzichten also auf einen Teil ihres Ertrags, um Flächen für Bienen und andere Insekten zu schaffen.

Die Frage ist, wie viel diese Aktion effektiv bringt. Die Förderer des Projekts sind sich in dieser Frage einig: Es ist "ein Beitrag, mit dem die Bauern im Landkreis für Bienen und Insekten etwas Gutes tun". So drückt es Franz Lenz aus, der Ebersberger Kreisobmann des bayerischen Bauernverbandes. Er ist zusammen mit Vertretern vom Amt für Landwirtschaft und Forsten und vom Landratsamt gekommen. Mit dabei ist auch Leonhard Pointner vom Maschinenring Ebersberg - ein maßgeblich beteiligter Verband. Die Säcke mit der Saat erhalten die Bauern kostenlos. Wenn Mais wegfällt, fallen aber auch Einnahmen weg. Bei ihm sind es insgesamt 616 Euro Einbußen im Jahr, rechnet Martin Kandler vor. Weil er auf insgesamt acht Feldern Mais durch Blühstreifen ersetzt.

Der Motor läuft, Kandler, Gemeinderat und Bauer in Anzing, bringt jetzt die Saat aus - ein symbolischer Akt, bei dem er mit dem Bulldog über den Streifen fährt. "Viel kann man da nicht verkehrt machen", sagt er, Käppi, Bergschuhe, tellergroße Hände. Hinten läuft die Saat durch einen Trichter auf das Särad - von dort werden die Körner gleichmäßig auf den gelockerten Boden verteilt, egal wie schnell der Bauer seinen Bulldog fährt: Es landet eine Mischung aus Koriander, Klee, Malve, Buchweizen und Kornblumen auf dem Feld - überwiegend heimische Pflanzen also.

Dieses Jahr soll der Landkreis so um die sieben Hektar an zusätzlichen Blühflächen bekommen. Reiht man die Streifen aneinander, ergibt das eine 16,5 Kilometer lange Strecke, das erklärt Kreisobmann Lenz. Was nach viel klingt, macht deutlich weniger als ein Prozent der gesamten Maisflächen im Landkreis aus.

Die Blühstreifen sind kein "Schuldeingeständnis" der Bauern

Ob man damit die Biene rettet? Nachfrage bei einem, der mit Honig Geld verdient: Imker Otto Hilpoltsteiner, daheim in Baldham, seit knapp 50 Jahren Bienenzüchter. "Blühstreifen in jeder Form sind dringend notwendig", sagt der 78-Jährige. Dass viele Streifen, so wie der von Kandler, neben einer Straße liegen? Noch besser wäre es in der Feldmitte. Verglichen mit dem Mehrwert durch die Blumen sei das Risiko durch Autos und Feinstaub aber gering, so Hilpoltsteiner.

Mit Mais werden Biogasanlagen gefüttert, und die Kühe der Milchbauern, das rentiert sich, deswegen ist Mais bei Bauern beliebt. Im Landkreis Ebersberg gibt es insgesamt 500 bis 600 Bauern, die im größeren Stil Ackerbau betreiben und somit für das Projekt in Frage kämen, das teilt das Ebersberger Landwirtschaftsamt am Montag auf Nachfrage mit. Dass zu Beginn der Blühstreifen-Aktion 50 von ihnen im Boot sind, habe ihn positiv überrascht, sagt Georg Kasberger, Leiter des Landwirtschaftsamts: "Das ist ein richtiges Signal der Bauern."

Es geht hier um ein umstrittenes Thema: Naturschützer sehen in der Landwirtschaft ja einen maßgeblichen Verursacher für das Bienensterben im Freistaat. Weil die Maiskolben auf Bayerns Feldern nur so sprießen und die Felder versiegeln. Und weil die bunten Wiesen, in denen sich die Bienen wohlfühlen, dadurch immer weniger geworden sind. Kreisobmann Lenz, der in Zorneding einen Biohof betreibt, kennt die Debatte. Er sagt, die Aktion sei "nicht als Schuldeingeständnis" zu verstehen, stattdessen als Gemeinschaftsaktion in eine andere Richtung. Mehr Umweltschutz also und weniger Reibach. Johann Taschner, Chef der Unteren Naturschutzbehörde im Ebersberger Landratsamt, drückt es so aus: "Es langt nicht, wenn's brummt, sondern erst, wenn's auch summt."

Für Blumen muss man einen Antrag stellen

Ziel ist, dass sich noch mehr Landwirte in der Region an der Aktion beteiligen. Hinderlich könnte sein, dass es für manche Bauern kompliziert gemacht wird. Wenn sie nämlich Weizen- oder Rapsfelder in Blühstreifen umwandeln wollen. "Da braucht es erst einen Antrag", sagt Kasberger. Und wer beim Anpflanzen schlampig ist oder einen Fehler beim Vermessen macht, dem drohen Sanktionen. Beim Mais ist es einfacher, weil die Europäische Union die Vorgaben hierfür gelockert hat. Jeder Landwirt kann bis zu 20 Prozent eines Maisfeldes mit Blühstreifen bepflanzen, egal wo, ohne zusätzliche Anträge.

Es ist ein Kann, aber kein Muss. Das ist ein zentraler Punkt der Debatte. Alle 50 Ebersberger Bauern machen ja freiwillig mit, in diesem Jahr, das der bedrohten Biene gewidmet ist. Ein ähnliches Projekt gibt es im Landkreis Traunstein und in anderen Teilen Bayerns. Aber wie geht es weiter, wenn das Jahr der Biene vorbei ist? Der Baldhamer Imker Hilpoltsteiner sagt, dass er die Bauern nicht kritisieren wolle, weil es Zwänge gebe und jeder irgendwie über die Runden kommen müsse. Dennoch: "Ich würde mir schon wünschen, dass die Bauern auf lange Sicht auch zu Blühstreifen verpflichtet werden", sagt Hilpoltsteiner, der kurz vor dem Ruhestand steht. Deswegen spreche er hier aus Sicht der Biene. Damit sie sich in Bayern nicht irgendwann aus dem Staub macht.

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SZ vom 08.05.2018/vewo
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