Süddeutsche Zeitung

Markt Schwaben:Ein Blitz, "als würde das Mutterschiff aus ,Independence Day' landen"

Ein lauer Sommernachtsabend? Was die meisten Menschen freut, ist dem Blitz-Fotografen Damian Warmula aus Markt Schwaben ein Graus.

Von Simon Groß, Markt Schwaben

Für Damian Warmula war es keine gute Saison. Nur 30 Gewittertage zählt seine Blitzstatistik diesen Sommer. "Das war wirklich ein maues Jahr, vor allem im Vergleich zu 2017: Da waren es 56 Gewittertage, das war ordentlich." In diesem Jahr seien die Gewitter erst im Mai so richtig in Fahrt gekommen, normalerweise gehe es aber schon im April los. Das weiß der 35-jährige Mann aus Markt Schwaben auch ohne in seine Wetterstatistik zu schauen, die er seit 2011 akribisch führt. Seinen Berechnungen zufolge liegt die durchschnittliche Anzahl an Gewittertagen seitdem bei 38. Die aktuelle Saison enttäuscht also die statistische Erwartung um den Mittelwert. Was die meisten Menschen freut, ist dem leidenschaftlichen Hobbyfotografen ein Graus.

Denn sein Motiv ist der Blitz - und der hat sich diesen Sommer rar gemacht. Wobei sich der chemisch-technische Assistent noch glücklich schätzen kann: Laut der Blitzstatistik des Deutschen Unwetterradars gehört der Landkreis Ebersberg zu den Regionen mit der höchsten Blitzdichte in ganz Deutschland (knapp übertroffen von Potsdam mit 45 Blitzen pro Quadratkilometer). Ohnehin schlugen 2019 genau 1 065 066 Blitze allein auf bayerischem Boden ein - was ungefähr einem Viertel aller in Deutschland niedergegangenen Blitze entspricht, aber auch nicht ungewöhnlich ist für den Flächenstaat Bayern. Und trotzdem: Zufrieden ist der 35-Jährige nicht.

Verantwortlich für die spärliche Ausbeute waren laut deutschem Unwetterradar die lang anhaltenden Hitzeperioden, die mit geringen Temperaturunterschieden verbunden sind. "Das frisst die ganze Dynamik", sagt Warmula. Außerdem kam es ihm vor, als seien die Wetterlagen äußerst träge gewesen. Das wiederum hängt mit einem anderen Phänomen zusammen, das der Hobbyfotograf dieses Jahr bemerkt hat: Wenn es zu Gewittern kam, fielen diese umso heftiger aus.

Wie am 27. Juli, als Warmula tagsüber ein Gewitter beobachtete: "Ich hörte eineinhalb Stunden lang ein dauerhaftes Grollen, als ob ein Güterzug permanent an einem vorbeifährt. Nachts wäre es wie ein Stroboskop gewesen, dann hätte man die Blitze dem Donner gar nicht mehr zuordnen können." Da es sich jedoch am helllichten Tag ereignete, konnte Warmula das Gewitter nicht mit der Kamera einfangen - genauso wenig wie das Gewitter an Pfingsten, das ihm wegen seiner Heftigkeit noch präsent ist.

Anders sei das am 26. August gewesen. Tagsüber überschwemmte das Unwetter den Mittleren Ring in München, abends zog es dann an der nördlichen Grenze des Ebersberger Landkreises vorbei, sodass Warmula von Markt Schwaben aus freie Sicht aus nächster Distanz hatte. Oder am 7. Juli: "Das sah aus, als würde das Mutterschiff aus ,Independence Day' landen." Dieses Gewitter sei besonders fotogen gewesen. "Die verschiedenen Stockwerke der Wolken waren genau zu erkennen, sie waren nicht vom Regen verhüllt und hingen hoch genug."

Derzeit arbeitet Warmula noch an einer Aufnahme, die das Geschehen im Zeitraffer abbildet. Doch insgesamt beobachte er die Entwicklung mit Sorge: "Die Starkregenereignisse sind mehr geworden, das sehe ich auch in meiner Statistik. Die haben zum Teil tropischen Charakter, weil das Gewitter an Ort und Stelle stehen bleibt, es fehlt jegliche Bewegung der Luftmassen." Mit gemischten Gefühlen denkt er an ein Unwetter von vorvergangenem Sommer zurück, das er in Gelting beobachtete: "Braune Wassermassen kamen von den Feldern heruntergeschossen, da wurde es mir ganz anders."

Mehr als 90 Liter waren damals pro Quadratmeter gefallen. Dass sich Warmula mit seinem Hobby in teils erhebliche Gefahr begibt, ist ihm bewusst. Doch der Drang nach neuen Aufnahmen ist größer. Und außerdem habe er stets sein Auto in der Nähe, in das er sich zur Not zurückziehen könne. "Die Freude daran, diese Naturgewalt zu erleben ist wie ein Magnet für mich."

Seit einiger Zeit fasziniert den Fotografen auch ein weniger gefährliches Motiv, für das der Himmel allerdings wolkenklar sein muss. Warmula fotografiert mit Hilfe eines Teleskops nun auch Himmelskörper. Wenn eine Mondfinsternis, ein Merkur-Transit oder eine partielle Sonnenfinsternis bevorstehen, nimmt sich Warmula auch schon mal frei: "Ich weiß nicht, wie viele ich erlebe, deshalb möchte ich nichts davon verpassen."

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Quelle:
SZ vom 18.09.2019/koei
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