Süddeutsche Zeitung

Wilde Blasmusi aus Ebersberg:"Wir können mit sechs Mann ein Festzelt beschallen"

Die "Blechbagage" aus Ebersberg spielt trotz kleiner Besetzung groß angelegte Stücke. In Kürze tritt die Kapelle in nächster Nähe auf.

Von Alexandra Leuthner, Ebersberg

In der ganzen Halle suchen sie Stühle zusammen, die Sorte fürs Büro, mit Rollen darunter. Der letzte, den der Huber Sepp aus irgendeiner Ecke der Kunstschmiede heranzieht, sieht aus, als hätten Mäuse seine Sitzfläche angefressen. Leicht angewidert schiebt ihn der Musiker zur Seite, zum Glück gibt es noch eine Alternative.

Er nimmt darauf Platz, seine Trompete zur Hand und bringt dann die Blätter auf dem Notenständer in Ordnung, den er sich mit dem anderen Trompeter teilt, Johannes Häusgen. Dann ist Huber bereit, die ersten Töne aus seinem Instrument zu holen. Genau gegenüber, zwischen Werkbänken, mehr als mannshohen Stahl- oder Eiseninstallationen und respekteinflößenden Maschinen zur Metallbearbeitung haben Fabian Genteis und Max Storfinger - Bariton- und Tenorhorn - ihre Plätze eingenommen.

Derweil, das Schlagzeug ist noch nicht ganz aufgebaut, wird ein bisschen gefrotzelt, der eine oder andere Schluck Helles rinnt eine Kehle hinunter. Schließlich sitzt man hier bei der Blechbagage in Lederhosen, nicht im steifen Frack. Die jungen Musiker zwischen 25 und 32 Jahren sind nicht nur Kollegen sondern Freunde, Trauzeugen sogar.

Drei von ihnen haben schon Familie - was es nicht immer leicht macht, Termine für die Proben zu finden. "Erst mal müssen die Kinder ins Bett, bevor wir uns treffen können", erzählt Johannes Häusgen, der Sprecher der Blechbagage. Er selbst hat noch keine Familie, aber eine Freundin, die immer wieder mal auf ihn verzichtet, um seine musikalische Leidenschaft zu unterstützen. "Sonst würd' sie auch nicht zu mir passen", sagt er.

"Vor drei Jahren hamma dann g'sagt, mach ma a g'scheide Musi' draus"

Tubaspieler Ludwig Richter hilft jetzt dem Kollegen an den Drums, schiebt das Becken in die Halterung, dann ist auch Schlagzeuger Andreas Fischer fertig und nimmt die Drumsticks in die Hand. Ein kurzer Trommelwirbel, dann bricht die Musik los, fängt die Halle an zu tanzen. Das viele Metall in dem hohen Raum der Kunstschmiede Bergmeister, wo die Blechbagage zum Üben zusammenkommt, gerät in feine Schwingung, scheint die kräftigen Töne der Blechbläser weiterzutragen und zu verstärken. Nein, Kammermusik ist das keine.

"Wir sind schon stolz, wenn wir zeigen können, dass wir mit sechs Mann ein Festzelt beschallen können", sagt Häusgen. Seit 2016 spielen die Musiker aus Ebersberg und Umgebung in dieser Formation miteinander. Die meisten von ihnen kennen sich allerdings schon länger. Die Anfänge reichen bis ins Jahr 2010 zurück, zu einem Bierfest auf den Azoren. "Vor drei Jahren hamma dann g'sagt, mach ma a g'scheide Musi' draus und suchen auch an g'scheid'n Namen. Bis dahin waren wir noch die Azorenmusik."

Der Name Blechbagage drängte sich auf, denn: "Das Holz fehlt uns eigentlich nicht." Die internationalen Kontakte eines Pullacher Trachtenvereins hätten die Reise auf die zu Portugal gehörenden Azoren damals möglich gemacht, erzählt Häusgen. Ein anderes Mal ging's mit der Steinhöringer Kapelle nach Lissabon. Bayerische Blasmusik am Atlantik? Häusgen lacht: "Ja, des war scho' wirklich ausgefallen."

Und dann haben sie sich zusammen gefunden, irgendwie. Josef Huber, der die erste Trompete spielt und wie Häusgen auch das Flügelhorn, ist von Anfang an dabei gewesen, auch Ludwig Richter am Bass, also der Tuba. "Die anderen sind nach und nach dazu gekommen. Zur Gründung war die Zusammensetzung fix, auch mit dem Schlagzeug." Welches allerdings fehlt, wenn die Blechbagage in der Kirche spielt, zu Hochzeiten oder Gottesdiensten.

Auch das Repertoire wird dann angepasst, festlicher Einzug statt Konzertmarsch oder Abba-Medley. Das heben sie sich fürs Bierzelt oder private Feiern auf, für die man die Band buchen kann. "Wir versuchen schon immer, Stimmung zu machen", sagt Häusgen. Gerne auch mit Stücken, die eigentlich für große Kapellen geschrieben sind. So etwas wie "Abel Tasman" oder "Kaiserin Sisi", den Konzertmarsch, den die jungen Musiker gleich mal als Auftakt der Probe intonieren. Das ist so etwas, "das man von sechs Mann nicht erwartet", erklärt Häusgen, "aber wir haben keine Scheu davor, uns das zumindest mal anzuschauen. Und manche Sachen hauen dann auch hin."

Auch wenn es vielleicht etwas filigraner klingt bei den Blechbläsern aus Ebersberg als bei einem klassischen Blasorchester, das durch Klarinetten, Oboen, Saxofone und vielleicht ein größeres Schlagwerk verstärkt wäre, bebt doch die Halle. "Man muss sich die Noten halt so herrichten, dass man letztendlich doch jede Stimme spielt." Ahnung von Musik haben sie nach zehn bis zwanzig Jahren Musizieren ausreichend. "Des z'amschreiben, was mir brauchen, des kriag ma hin." Nur Stücke ganz neu zu arrangieren, das wäre zu viel Arbeit für die Hobbymusiker, die alle einem Brotberuf nachgehen.

Tubist Ludwig Richter hat zuletzt gar in Tschechien gearbeitet, was die Suche nach Probenzeiten nicht eben leichter gemacht hat. Die Musiker spielen auch noch in der großen Kapelle, bei der Steinhöringer Blasmusik, viel Aufwand also für ein Hobby. Für regelmäßige Proben bleibt da kaum Zeit. "Aber wenn man will, dann schafft man's schon." Zwei, auch mal drei Auftritte im Monat spielt die Blechbagage, "und damit sind wir zufrieden, so lange wir schöne Festl in Ebersberg spielen dürfen." Beim Kesselfleischessen in Tulling etwa waren sie dabei, "1200 Leute waren da im Zelt", oder auf dem Volksfest in Grafing. Am Sonntag, 30. Juni steht ein Auftritt beim Ebersberger Feuerwehrfest an. Werbung brauchen sie aber keine, "das meiste geht über Mundpropaganda".

"Kaiserin Sisi" ist jetzt zu Ende, die Noten fürs nächste Stück werden aufgeblättert. Richter rückt seine Tuba zurecht, eine Menge Dellen zieren das gute Stück. "Die ist viel älter als ich, 70, 80 Jahre", erzählt er. Er hat sie einem Arbeitskollegen abgekauft. Trompeter Huber macht eine Ansage in Richtung Schlagzeug: "Bei A net zu schnell werden. Bremsen!" Dann wird das neue Stück angespielt, die Hörner übernehmen die Melodie, übergeben sie an die Trompeten. Der oder andere Ton sitzt noch nicht so ganz, die Einsätze müssen geübt werden. "Mach ma' Teil D nochmal", ordnet Huber an, Fischer gibt mit den Sticks den Takt vor, Ludwig Richter hebt die Tuba. Die Hörner setzen ein.

Auf dem metallenen Wappenschild, das die Musiker mitgebracht haben, sind die "B"s des Namen als Vorzeichen "b" in eine Notenzeile geschrieben, die unten vom Ebersberger Eber durchbrochen wird. Wenn alle sechs Instrumente zugleich spielen, vibriert auch das an einen Stuhl gelehnte Schild ein wenig mit.

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SZ vom 26.06.2019/koei
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