Naturschutz im Kreis Ebersberg:Wildbienen verhungern

Wildbiene

Nistplätze, Nistmaterialien und ausreichend Nektar brauchen Wildbienen, damit sie gut leben können. In einer aufgeräumten Natur finden sie das immer weniger.

(Foto: Sebastian Gollnow/dpa)

Besonders in ländlichen Regionen ist es schlecht um die heimischen Insekten bestellt. Jeder kann im eigenen Garten etwas tun, aber Umweltschützer halten umfassendere Maßnahmen für notwendig.

Von Valentin Tischer

Knapp einen Monat ist es her, dass sich mehr als eine Million Bayern für das Volksbegehren zur Rettung der Bienen eingetragen haben. Dass ein besserer Schutz von Bienen notwendig ist, zeig auch eine aktuelle Studie der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München. Demnach sind gerade im ländlichen Raum viele Wildbienen bedroht, weil sie nicht mehr genug zu fressen finden - auch im Landkreis Ebersberg.

Ohnehin hat es die Wildbiene hier nicht leicht, es gibt viel Wald, aber wenig offene Fläche, sagt Andreas Fleischmann, Biologe an der LMU. Und dort, wo es sie gibt, werde das Bienenleben immer härter. Eine Einschätzung, die auch Franz Höcherl von der Bund Naturschutz Ortsgruppe Pliening teilt. Der Umweltschützer kann keine genauen Zahlen nennen, aber den allgemeinen Trend bestätigt er. Fleischmann und Höcherl sind sich einig, dass vor allem der falsche Umgang mit der Natur den Bienen die größten Probleme bereite.

Drei allgemeine Voraussetzungen müssten erfüllt sein, dass die Wildbienen gut leben können, sagt Julie Weissmann, Biologin von der Technischen Universität (TU) München. Sie müssten Nistplätze, Nistmaterialien und genug Nahrung wie Nektar und Pollen finden. Beides gebe es in der "aufgeräumten Natur" immer weniger, und auch die "toten Gärten", in denen der Rasen einem Golfplatz gleicht, seien für Bienen nutzlos, so Fleischmann. Viele Gärten blühten nicht und würden zu sehr gepflegt. Auch importierte Blühpflanzen würden den Bienen nicht helfen. "Wildbienen fliegen nur heimische Pflanzen an, die anderen kennen sie einfach nicht."

Um zu verstehen, wo das Problem liegt, muss man etwas weiter ausholen. Die Flugzeit von Wildbienen ist von März bis September, aber die verschiedenen Arten fliegen jeweils nur wenige Wochen, erläutert Biologin Weissmann. Zudem sind ein Drittel der Wildbienenarten auf spezielle Blütenarten spezialisiert. Biologe Fleischmann erläutert, wenn die Bienen einmal ein Nest gebaut haben, können sie nicht mehr weit ausfliegen. Es muss also über das Jahr verteilt eine größere Vielfalt an Blüten zur Verfügung stehen, und genau die wird durch die intensive Landwirtschaft zerstört, bedauert er. Große Flächen ohne Blüten zerstören das natürliche Netzwerk, auf das die Bienen angewiesen sind. Im Landkreis ist das Problem vor allem im nördlichen Teil groß. Der südliche Teil ist noch etwas bienenfreundlicher, bemerkt Franz Höcherl vom Bund Naturschutz.

Viele sehen in der Landwirtschaft den hauptsächlichen Verursacher des Bienen- und Insektensterbens. Eine Aussage, die Franz Lenz, Kreisobmann des Bauernverbandes Ebersberg und Bio-Bauer aus Zorneding, so nicht stehen lassen will. "Das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe", sagt Lenz. Die Versiegelung von Flächen, tote Gärten und unsinnige Beleuchtung seien ebenso schuld, so Lenz. Die Bauern im Landkreis hält er in Sachen Insektenschutz für fortschrittlich, viele hätten schon vor dem Volksbegehren Blühstreifen und ähnliches angelegt. "Die Bauern tun schon viel, aber natürlich kann man noch mehr machen", sagt Lenz. Viele Maßnahmen, die Bienen und Wildbienen schützen, verringern den Ertrag der Bauern und steigern dazu noch die Kosten, sagt Lenz. Er fordert, dass die landwirtschaftliche Erzeugung "so gestaltet wird, dass die Gesellschaft die Kosten mitträgt". Verbraucher müssten also mehr für Lebensmittel bezahlen oder die Bauern von staatlicher Seite bezuschusst werden.

Einiges ist im Landkreis Ebersberg in Sachen Bienenschutz schon passiert: Als bundesweit erster Landkreis ist Ebersberg dem Aktionsbündnis "Deutschland summt" beigetreten und hat 2018 zum Jahr der Biene ausgerufen. Und es soll auch noch weitergehen, sagt Johann Taschner von der Unteren Naturschutzbehörde. Durch viele kleinere Aktionen wolle das Landratsamt den Landkreis blühen lassen, etwa mit der kostenlosen Verteilung von Samen. Unter dem Motto "Netzwerken, Überzeugen und Unterstützen" soll der Bienen- und Insektenschutz vorangetrieben werden, sagt Taschner. Privatleute oder Firmen stellen Flächen zur Verfügung, die dann bearbeitet werden müssen, um daraus Blühflächen zu machen. Das Landratsamt steht laut Taschner hier vor allem als Vermittler bereit. Die Arbeit im Landkreis wird auch außerhalb von dessen Grenzen wahrgenommen. Biologe Andreas Fleischmann lobt den Landkreis als vorbildlich. In seinem Heimatlandkreis Landsberg sehe man die Ebersberger als Vorbild.

Trotz großer Bemühungen auf unterer Ebene, ist für Naturschützer das große Ganze entscheidend. "Wenn im großen Stil nichts passiert, dann sind die ganzen anderen Kleinigkeiten nutzlos", sagt Höcherl. Die Strukturen, das Verhalten der Bürger und die Politik müssten geändert werden. Und das zügig, sonst sei es zu spät, so Höcherl. Taschner sieht für die Behörden des Landkreises eine Grenze im Handlungsspielraum. Das Landratsamt und die Gemeinden können nur die geltenden Gesetze vollziehen, weitere Maßnahmen müssten auf Anstoß der Politik kommen, sagt Taschner.

Zur SZ-Startseite

Runder Tisch zur Artenvielfalt
:Worüber Befürworter und Gegner des Volksbegehrens streiten

In vier Wochen muss Markus Söder Stellung zum Volksbegehren für mehr Artenvielfalt beziehen. Im Wesentlichen wird über zwei Forderungen diskutiert. Die Strategie der Staatsregierung? Völlig unklar.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: