Bewusstseinsbildung:Heizung aus-, Kopf einschalten

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Marion Eder (links) von der Ebersberger Energieagentur bildet an der Forstinninger Grundschule je zwei Schüler aus jeder Klasse zum Energiescout aus. Schulleiterin Monika Koch (im Hintergrund) kann vielleicht auch noch etwas lernen. (Foto: Christian Endt)

In der Forstinninger Grundschule werden Schüler zu Energiescouts ausgebildet. Sie wachen künftig über den Ressourcenverbrauch - Lehrer und Eltern werden sich zusammenreißen müssen

Von Victor Sattler

Forstinning - Von A wie Ampel bis Z wie Zahnbürste: Dass elektrische Geräte aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken sind, wird den Schülern der Georg-Kerschensteiner Grundschule in Forstinning gleich zur Begrüßung klar. Die Vorstellungsrunde wird zur Bewusstseinsbildung genutzt: Die Schüler sollen an ihren Vornamen den Namen eines Stromschluckers anhängen, der mit dem gleichen Buchstaben beginnt. So wie Lisa Lampe und Marion Mixer - die eigentlich Huber und Eder heißen. Sie sind Klima-Schul-Managerinnen bei der Energieagentur Ebersberg und bilden an der Forstinninger Grundschule mit solch spielerischen Ansätzen sogenannte Energie-Scouts aus.

Je zwei Schüler pro Klasse haben sich für die Aufgabe gemeldet. In ihrer Verantwortung liegt nun das Energiesparen an ihrer Schule. "Jeder von uns kann seinen Beitrag leisten", sagt Huber. Und damit die Schüler auch wissen, wie, haben die zwei Klimaschutzbeauftragten mehrere Experimente vorbereitet, über die sich die Kinder Fachwissen aneignen können. Dabei ist den Schülern das Grundproblem wohlbekannt: Von einem großen Erd-Modell, das auf dem Tisch ausgebreitet ist, werden immer mehr Bäume weggenommen und durch Autos und Kraftwerke ersetzt.

Dass es ein Problem gibt, wissen die Kinder. So richtig klar ist ihr Durchblick aber noch nicht. "Wie kann in der Atmosphäre von Natur aus CO₂ sein, wenn CO₂ doch schlecht ist?", fragt ein Schüler. Die Expertinnen erklären also, dass der natürliche Treibhauseffekt durchaus wichtig sei, damit wir es warm haben. Nur der menschengemachte verschulde die Erderwärmung. Die Kinder erinnern sich, wie ungewöhnlich heiß der Sommer 2015 war. "Also mir macht das nichts, dann kann man öfters grillen und ins Planschbecken gehen", verkündet ein Mädchen. "Den Eisbären wird das einfach zu warm, mit ihrem dicken Pelzmantel", warnt aber einer der Jungs.

Auf der einen Seite haben zwar alle Sechs- bis Zehnjährigen von diesen Bedrohungen gehört und ein Bewusstsein dafür ausgebildet - aber wie all das zusammenhängt, verstehen sie noch nicht. Lisa Huber und Marion Eder bemühen sich, Ordnung in das kunterbunte Mischwissen zu bringen. Zum Beispiel erklären die Umwelt-Managerinnen, dass der Wandel regional ganz unterschiedlich aussehen kann. "Wie kann es sein, dass die Wüsten so trocken sind, wenn doch unser Keller überflutet wurde?", hatte ein Junge skeptisch gefragt. Solche scheinbaren Widersprüche bereiten den Kindern Kopfzerbrechen, aber unterm Strich sind sich alle einig, dass etwas unternommen werden muss.

Elf Schulen nehmen im Moment teil am Aktionsprogramm "Ebersberger Klimaschulen", Huber und Eder haben sich mit den Verantwortlichen getroffen und individuell zugeschnittene Konzepte erarbeitet. In Forstinning war Bürgermeister Rupert Ostermair (CSU) mit der Idee auf Rektorin Monika Koch zugekommen. Sie und ihr Kollegium hatte schließlich überzeugt, dass man "aktiv, praktisch, vor Ort" tätig werden könne, so Koch. Das Programm wurde zum Jahresprojekt 2016/17 bestimmt.

Warum Klimaschutz? Diese Frage ist in der Klasse nun geklärt. Jetzt stehen die Folgefragen an: Wie Energie sparen? Was kann ich tun? Hier beginnt der praktische Teil. An einer Station messen die Kinder die Temperatur von Wasser, das sich in zwei Kannen befindet, von denen nur eine mit einem Deckel verschlossen ist. Das Prinzip lasse sich auf das Klassenzimmer und die Fenster übertragen. Die Schüler dürfen an verschiedenen Stellen in ihrem Raum nun selbst nachmessen, wie warm es ist. 20 Grad Celsius wären Studien zufolge am angenehmsten zum Lernen.

Trotz Sparmaßnahmen sollen sich alle immer noch wohlfühlen. So wird auch die Helligkeit genau gemessen und mit dem Idealwert verglichen, einmal an der Fenster- und einmal an der Türseite. Das Fazit ist: beim Fenster hätte es gar kein Deckenlicht gebraucht. In den Wasserhahn wird ein Perlstrahler eingesetzt, der mit einem Bruchteil der Wassermenge die Hände genauso sauber bekommt. Die Schüler sind äußerst experimentierfreudig und messen auf die Nachkommastelle genau. Und nur zu gern liefern sie dabei ihre Lehrerin und deren kleine Energie-Sünden ans Messer: "Sie macht immer das Tafellicht an, selbst wenn es schon hell genug ist", verrät ein Mädchen. Doch nicht nur die Lehrerin, auch die Eltern müssen sich an die Nase fassen. Laut den Klima-Schul-Managerinnen beschweren sich Schulen im Landkreis immer häufiger, dass Eltern ihre Kinder regelmäßig mit dem Auto bis vor die Schultür fahren. Besser seien öffentliche Verkehrsmittel oder Fahrräder.

In Forstinning sollen den Worten nun Taten folgen. "Ihr habt heute viel über den achtsamen Umgang mit Ressourcen erfahren, dieses Wissen könnt ihr nun zusammen mit eurer Lehrerin an eure Mitschüler weitergeben", sagt Marion Eder. Sie und ihre Kollegin Lisa Huber haben sich für weitere Treffen der Energie-Scouts angekündigt. Zusammen mit dem Hausmeister werden die beiden Managerinnen die Verbrauchszahlen beobachten, um dann hoffentlich im Verlauf des Projekts einen positiven Trend ablesen zu können: Je mehr die Kinder wissen, desto weniger Energie verbraucht die Schule - so die Idee.

"Es ist auch noch in den Kinderschuhen", sagt Marion Eder am Ende der Doppelstunde, "im Herbst 2016 fiel erst der Startschuss. Die erste Ausbildung fand im Januar in der Grund- und Mittelschule in Glonn statt." Bald sollen sämtliche Landkreisschulen folgen. Lisa Huber füllt indes das unberührte Wasser aus den Experimenten in die grüne Gießkanne am Fenster - wäre ja schade drum.

© SZ vom 24.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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