Betreuung unheilbar Kranker :Besser Sterben

Eine palliative Behandlung bedeutet für schwer kranke Menschen weniger Schmerzen und mehr Wohlbefinden. Das Ebersberger Caritas-Team für die ambulante Versorgung wurde nun ausgezeichnet - Zeit für eine Bestandsaufnahme

Von Johanna Feckl, Ebersberg

Katja Goudinoudis, Leiterin des Dienstes für Spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV) der Caritas im Kreis Ebersberg, und ihr Team sind mit dem Förderpreis der Deutschen Gesellschaft für ambulante Palliativversorgung Preis ausgezeichnet worden. Das prämierte Projekt beschäftigt sich mit interkultureller Hospizbegleitung - wird im Moment aber noch nicht in Ebersberg umgesetzt. Grund genug für eine Bestandsaufnahme: Wie steht es hier um palliative Versorgung und Hospizarbeit?

Im Rahmen von Goudinoudis Projekt, das die Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin prämiert hat, begleiten Menschen mit Migrationshintergrund Sterbende mit den gleichen kulturellen Wurzeln. Darüber hinaus weisen die Hospizbegleiter allgemein auf Herausforderungen in der hospizlich-palliativen Behandlung von Personen mit einem nicht deutschen kulturellen Hintergrund hin. Dass es dieses Projekt derzeit nicht in Ebersberg gibt, hat einen formalen Grund. Denn für die randnahen Gebiete der Stadt München und den Kreis Ebersberg ist die Caritas nur für die ambulante Palliativversorgung zuständig. Das Projekt ist aber im Bereich der Hospizarbeit der Caritas angesiedelt, die es bislang nur in Stadt und Landkreis München gibt.

In Ebersberg liegt die Hospizarbeit in den Händen des Christophorus Hospizvereins. Projekte ähnlich dem der Caritas gibt es dort im Moment nicht. "Wir sind ein kleiner Verein", sagt Birgit Deppe-Opitz. Sie ist die Einsatzkoordinatorin und Supervisorin der 55 ehrenamtlichen Hospizbegleiter. Solche zusätzlichen Projekte zu stemmen sei schwierig. Im vergangenen Jahr hat das Team unter anderem 127 Menschen bis zu ihrem Tod begleitet. Mehr als 70 Mal gab es Beratungsgespräche, meistens ging es um Patientenverfügungen.

In Ebersberg haben Hospizverein und SAPV-Team ihre Büros nebeneinander. Das sagt viel über die Zusammenarbeit aus: Sie ist eng. In der Palliativmedizin geht es um schmerzlindernde Therapien. Das SAPV-Team ist für die physische Behandlung der Betroffenen zuständig. Die Ehrenamtlichen des Hospizvereins kümmern sich um die psychosoziale Stabilisierung - denn beides, Körper und Geist, haben Einfluss auf das Wohlbefinden.

Eine palliative Versorgung gibt es im Landkreis nicht nur durch das SAPV-Team, sondern auch durch die Palliativstation der Kreisklinik, wo insgesamt acht Patientinnen und Patienten in Einzelzimmern behandelt werden können. Die ehrenamtlichen Hospizbegleiter besuchen die Betroffenen auch dort.

Auf ambulante Weise hat SAPV-Team der Caritas im vergangenen Jahr 161 Schwerkranke betreut. In diesem Jahr werden es vermutlich etwas weniger sein. "Die Zahl bewegt sich meistens in Wellen", so Goudinoudis. Ein allgemeiner Trend lässt sich trotzdem erkennen: "Die Anfragen für eine ambulante palliative Begleitung sind gestiegen." Nicht umsonst arbeiten in Ebersberg mittlerweile drei Pflegekräfte und zwei Ärztinnen insgesamt 225 Stunden pro Woche für das SAPV-Team, während es 2014 noch 131 Stunden waren.

Für Goudinoudis hat diese Entwicklung zwei ausschlaggebende Gründe: Zum einen ist die Tatsache, dass es so etwas wie Palliativmedizin überhaupt gibt, in den vergangenen Jahren bekannter geworden. Zum anderen hat sich die Sichtweise auf das Lebensende verändert. Viele Menschen wollen keine schmerzhafte oder gar leidvolle Behandlung, durch die sie am Leben gehalten zu werden.

Trotz dieser Entwicklung möchte Goudinoudis mit dem ambulanten Palliativangebot noch mehr Menschen erreichen - und vor allem zu einem früheren Zeitpunkt. Je früher eine palliative Versorgung in die Therapie integriert wird, desto effektiver sei sie. "Eigentlich wünschen wir uns, dass wir mit eingebunden sind, sobald die Diagnose gefallen ist, dass eine Krankheit zum Tode führen wird."

Eine Art der Einbindung könnte das Etablieren sogenannter Hospizinseln sein. Dort werden Schwerkranke betreut - zwar von weniger Pflegekräften als in einem Hospiz, aber von deutlich mehr als in einem Pflegeheim. Im Kreis Mühldorf gibt es ein solches Projekt seit Mai 2018.

Mit Plänen für eine solche Hospizinsel beschäftigt sich im Moment der Ebersberger Kreistag. Ein stationäres Hospiz wird es in absehbarer Zeit nicht geben. Derzeit entsteht unter anderem im Nachbarlandkreis Erding ein Hospiz; dadurch ist der Bedarf laut den Krankenkassen, die hier Entscheidungsträger sind, gedeckt. Deshalb setzt der Kreis auf eine Hospizinsel. Aktuell wird ein geeigneter Standort gesucht.

Sowohl Hospizverein als auch Caritas unterstützen das Projekt. Die Hospizbegleiter würden die Betroffenen in der Hospizinsel psychosozial begleiten, so wie es auf der Palliativstation auch der Fall ist. Die Caritas wäre der Betreiber der Hospizinsel.

Goudinoudis vom SAPV-Team hat aber noch mehr Ideen, wie die palliative Versorgung und Hospizarbeit in Zukunft aussehen könnte. So erzählt sie von einem umfassenden Tagesangebot für schwer kranke Menschen. In London hat sie sich gemeinsam mit einer Arbeitsgruppe aus Bayern vor gut einem Jahr ein solches Angebot angesehen, ein Treffpunkt für Betroffene. Zu einem relativ frühen Zeitpunkt ihrer Krankheit können sie dort tageweise hinkommen und sich zum einen untereinander austauschen, aber auch physiotherapeutische, psychosoziale und sozialrechtliche Sprechstunden in Anspruch nehmen.

Eine weitere Idee für ein Projekt ist ein Tageshospiz. In Salzburg und Nürnberg gibt es so etwas bereits: Wenn Angehörige ihr krankes Familienmitglied nicht versorgen können, weil sie zum Beispiel tagsüber arbeiten, dann kann ein solches Angebot eine große Entlastung für alle Beteiligten sein. Goudinoudis betont, dass so etwas bestimmt nicht für jeden passend sei. Viele Betroffene seien aber froh, nicht den ganzen Tag in den eigenen vier Wänden zu sitzen. Wenn es für solche Menschen körperlich möglich ist, könnte der Besuch eines Tageshospiz eine Teilhabe am sozialen Leben bedeuten. "Das ist alles noch große Zukunftsmusik", sagt Goudinoudis.

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