Süddeutsche Zeitung

Besuch in Privatgärten:Verborgene Paradiese

Beim Tag der offenen Gartentür können Besucher im ganzen Landkreis einen Blick hinter Zaun und Hecke werfen. Während manche der Refugien üppige Blumenpracht zelebrieren, überraschen andere durch technische Details

Von Stella Vogl

Ein Garten ist wie ein Fenster zur Seele" - so lautet der Spruch auf einem kleinen Fenster im Garten von Petra und Matthias Bichler. Ganz in diesem Sinn sind die beteiligten Gärten beim "Tag der offenen Gartentür" im Landkreis äußerst unterschiedlich. Beim Ehepaar Bichler etwa liegt der Schwerpunkt auf einer kreativen Gestaltung von Sichtschutz und einem selbstgebauten Häuschen.

Die Liebe zu Bäumen entdeckte Matthias Bichler vor vielen Jahren auf einer Reise nach Kalifornien: "Da hat's geschnackelt."

Deswegen ließ er sich auch ein kleines und inzwischen ganz beachtliches Souvenir nicht nehmen. Denn im hinteren Teil des Gartens steht ein sogenannter Sequoia-Baum, besser bekannt als Mammutbaum. Auch wenn es ihm noch an der Größe seiner amerikanischen Verwandten fehlt, ist er der ganze Stolz von Bichler. Doch in dem Garten in Aßling werden nicht nur Bäume gepflanzt, sondern auch als Baumaterial eingesetzt. So schützen die aus Lärche gebauten Elemente vor Wind und dienen gleichzeitig als Sichtschutz. Eingelassene Fenster gewähren einen Blick nach draußen auf die Wiesen und Felder. Auch die von Petra Bichler als "Stadl" bezeichnete Hütte besteht zum Großteil aus der strapazierfähigen Lärche. Die Besonderheit dabei ist aber weniger das Material, sondern mehr die Konstruktion: Das umfunktionierte Lenkrad im Inneren bietet nämlich neben einem Armmuskeltraining auch eine Rundumsicht. Dank einer mechanischen Konstruktion auf einer Drehplatte, kann man den Garten aus einer immer wieder neuen Perspektive entdecken.

Weniger technisch geht es bei Susanne und Karl Kneidl aus Steinhöring zu. Bei ihrem Garten handelt es sich um eine grüne Oase mit pragmatischen Bezug. Im Gemüsegarten gedeihen neben Gurken und Salat auch Kohlrabi, Zwiebeln und Bohnen. Dafür sorgt der grüne Daumen von Karl Kneidl, der erzählt: "Ich kenne es schon von meinen Eltern so." Seine Frau dagegen sei "mehr für die Gestaltung zuständig". Diese ist bewusst schlicht und ganz nach dem Geschmack von Susanne Kneidl gehalten: "Ich liebe es, wenn es ruhig ist. Es muss eine gewisse Harmonie herrschen." Aus diesem Grund setzt sie vornehmlich auf Grüntöne, ohne dabei auf Aha-Momente verzichten zu wollen: "Es muss immer Überraschungseffekte geben", verrät sie. Einer davon ist der von Gräsern umwucherte Teich mit kleinem Steg und ein weiterer die hinter einer blühenden Deutzie versteckte "Himbeer-Abteilung". Das entspricht Susanne Kneidls Auffassung, dass man "nicht alles auf den ersten Blick sehen darf". Über so viel Diskretion kann sich auch der Igel freuen, dem im verborgenen Totholz ein kleiner Eingang zuteil wird. Dabei sorgt der Wintergarten nicht nur für einen ganzjährigen Ausblick in den Garten, sondern dient auch saisonbedingt der Anpflanzung von Weinreben.

Wo bei den Kneidls das Sprichwort "Weniger ist mehr" gilt, entlädt sich im Garten von Gerlinde und Franz Josef Hutterer aus Ebersberg die Liebe zur Dekoration. Über sanfte Hügel verteilen sich die Blumenbeete geradezu wie ein Labyrinth, durch das sich schmale Wege schlängeln. Der Klassiker unter den Blumen spielt hier eine herausragende Rolle: Um die 130 Rosen setzen im Garten bunte Akzente und bieten Insekten zugleich einen beliebten Platz. So tummeln sich in der weiß blühenden Kletterrose "Rambling Rector"zahlreiche Bienen. Mindestens genauso auffällig sind jedoch die dekorativen Details, selbstverständlich selbstgemacht, wie Franz Josef Hutterer stolz erklärt. Und er fügt hinzu: "Die Sachen, die nicht von uns sind, kann man an einer Hand abzählen." Geradezu märchenhaft mutet das "Tor zum Himmel" an, ein einfacher Rahmen, von dessen Querstange verspielte Schlüssel und mit Rosen gefüllte Reagenzgläser baumeln. Bei einem wiederholten Blick kommen stets neue Details hinzu, die Eindruck um Eindruck das Erscheinungsbild ergänzen. So entdeckt man in leeren Schneckenhäusern Hauswurz, eine nach Auskunft von Franz Josef Hutterer "sehr genügsame" Pflanze, und zwischen den Blumen aufgesteckte blaue Glasflaschen und bunte Pflöcke.

Und nahe der Hochbeete deuten zwei bemalte Tierfiguren, ein Hahn und ein Eber, auf weitere Bewohner hin. Zwar fehlt es an Wildschweinen, doch Hühner haben hier ihren Platz in einem eigenen Garten gefunden, der ebenfalls mit Rosen bepflanzt ist. Beliebte Gäste sind allerlei Insekten, was nicht allein auf die Blütenvielfalt zurückzuführen ist. Das in der Zusammenarbeit mit dem Berufsbildungszentrum in Kirchseeon entstandene Insektenhotel stellt für Wildbienen und Schwebefliegen einen Rückzugsort bereit.

Auch bei den Nachbarn Lieselotte und Albert Riederer ist ein solches Insektenhotel neben der Taubenzucht angebracht. Dieser Garten besticht durch einen großen Bachlauf mit Wasserrad und Teich. Aus einer kleinen Quelle sprudelt das Wasser über eine Steinplatte und fließt durch einen mit Steinen begrenzten Lauf in den Teich. Plätschernde, zwitschernde und summende Laute bilden die einzige Geräuschkulisse in den Gärten, die so einiges über die Besitzer verraten, aber vor allem zum Abschalten und Ausruhen einladen.

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Quelle:
SZ vom 17.06.2019
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