Süddeutsche Zeitung

Kirchseeon:Erster arabischer Lebensmittel-Laden im Landkreis Ebersberg eröffnet

Die Syrerin Roaa Alschaar hat in Kirchseeon ein Geschäft eröffnet. Früher lebte ihre Familie in einem IS-beherrschten Stadtteil in Damaskus.

Von Mohamad Alkhalaf, Kirchseeon

Arabische Düfte empfangen den Besucher schon beim Betreten des Geschäftes, und eine große Vielfalt an arabischen Spezialitäten erwartet ihn. Es gibt hier Kaffee für verschiedene Anlässe, zum Frühstück ist der Kaffee süß, mittags wird besonders dunkler, bitterer Kaffee serviert, frisch gemahlen, mit oder ohne Kardamom als Gewürz serviert. So ist es auch mit Tee. Wer syrische Kost gewohnt ist, der findet hier einiges von dem, das man im Landkreis Ebersberg sonst nur schwer bekommt.

In Kirchseeon hat vor einigen Wochen ein Laden eröffnet, in dem es syrische Spezialitäten zu kaufen gibt. Das Geschäft "Damas Theke" in der Rathausstraße 14 gehört der Syrerin Roaa Alschaar und ihrem Mann Ziad Aljadli (syrische Ehepaare haben in der Regel nicht den gleichen Nachnamen). Roaa Alschaars Laden ist nun das erste arabische Lebensmittelgeschäft im Landkreis. "Das war für mich eine wichtige Motivation", sagt die 36-Jährige.

Die Vorgeschichte ist dramatisch: Krieg und Bomben zwangen sie, ihre Heimat Damaskus zu verlassen. Ihr Mann ist bereits seit Längerem hier, er hatte Probleme, weil er neun Monate auf seine Aufenthaltsgenehmigung von der Ebersberger Ausländerbehörde warten musste - ohne diese war es nicht möglich, seine Frau und die Kinder nach Deutschland zu holen. Und so dauerte es, ehe Roaa Alschaar nachkommen konnte. Familiennachzug - ein großes Thema zuletzt in der Asyldebatte.

Bisher musste man für vergleichbare Einkäufe bis München fahren. Jetzt wird man in den Regalen und Auslagen des Kirchseeoner Ladens fündig: Datteln, weich oder fest gefüllt, aus verschiedenen arabischen Ländern. Arabische Gewürze, die syrische Frauen selbst zusammenstellen, Rezepte jeweils mit den passenden Gewürzen, sei es Fleisch, Gemüse oder Suppe. Gurken-, Tomaten- und Oliven-Essig. Und Brot, eingetaucht in Öl oder Sesam, allerlei arabischen Joghurt, syrischen Käse - alles biologisch. Dazu selbstgemachte arabische Fertiggerichte, in großer Auswahl: Fleisch mit Gemüse, Fleisch mit Nüssen, Nüsse mit Gemüse und vieles mehr. Und als Nachtisch selbstgemachte Süßigkeiten aus Nüssen oder Baklava.

Warum Kirchseeon? Einerseits, weil es im Landkreis Ebersberg zentral liegt. Vor allem aber, "weil dort sehr viele syrische Menschen wohnen", sagt Alschaar. Und nicht nur deshalb ist ihr Laden etwas Besonderes. In Syrien wäre ein Betrieb in dieser Form nämlich nicht möglich. Die Gesetze dort würden das kaum zulassen. Die Gesellschaft dort schaut unterschiedlich auf Mann und Frau, entsprechend ist auch die Rechtslage. Wenn in Deutschland eine Frau ein Geschäft eröffnen will, hat sie keine Nachteile gegenüber Männern. In Syrien ist die Situation hingegen eine andere. Dort ist es nicht üblich, dass eine Frau ein Geschäft eröffnet. Den Bekannten und der Familie ist so etwas sehr peinlich. In Kirchseeon hat Roaa Alschaar es nun gewagt.

Alschaar und ihr Mann lebten bis vor kurzem in Alyrmouk, einem Stadtteil von Damaskus, der von der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) beherrscht wurde. "Ich fühlte mich gefangen wie zwischen den Backen eine Zange, aus der ich mich nicht befreien konnte", sagt sie nun. Oben die Bomben, unten der IS. Nun lebt sie zusammen mit ihrem Mann und den fünf Kindern in Glonn. Vorbei das Bangen. Mittlerweile hat Alschaar einen Abschluss im Deutschkurs, Level B1. Sie war in Syrien Englischlehrerin und Direktorin in einer Schule, wie sie erzählt. Sie würde in Deutschland gerne unterrichten, aber wegen der Sprachbarriere ist das nicht so einfach, zudem trägt sie ein Kopftuch. "Das ist das Hauptproblem", sagt sie. Also suchte sie nach einer Alternative, "denn ich wollte sehr gerne arbeiten". So kam die Idee, in Kirchseeon ein Geschäft zu eröffnen, Alschaar sah darin eine große Chance, die arabische Kultur bekannt zu machen.

"Ich kenne viele Leute, die weite Strecken gefahren sind, um arabische Lebensmittel zu kaufen", sagt sie. Den Weg können sich nun viele Leute in der Region sparen. Das große Plus: der neue Kühlwagen, mit dem Alschaar Lebensmittelprodukte, die Syrer in Berlin zubereiten, bis nach Oberbayern transportieren kann. Jetzt kann sie allerlei Fleischsorten bereits gewürzt nach arabischer Rezeptur ankaufen. Zudem hat ihr Laden eine kleine Küche, in der sie arabische Gerichte selbst zubereitet. "Auf Wunsch gebe ich gerne auch Rezepte weiter", sagt sie.

Der Laden "Damas Theke" ist in der Rathausstraße 14 zu finden. Telefonnummer: (08091) 563 9485.

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SZ vom 12.06.2018/koei
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