Die Frage, welchen Beruf man erlernt, ist eine, die das ganze restliche Leben prägen kann. Kein Wunder, dass junge Menschen mit einer solch weitreichenden Entscheidung schnell überfordert sind. Eine Anlaufstelle im Landkreis Ebersberg steht den Heranwachsenden dabei seit vielen Jahren zur Seite: das Berufsbildungswerk (BBW) in Kirchseeon. Hauptaufgabe der Einrichtung ist es, lern- und/oder psychisch behinderten jungen Menschen Orientierung, Unterstützung und Förderung bei ihrer beruflichen Entwicklung und Ausbildung zu bieten. Seit zehn Jahren setzt sich das BBW aber auch verstärkt für alle anderen Jugendlichen ein, denen der bevorstehende Einstieg in die Arbeitswelt schwerfällt. Das Konzept der sogenannten Berufsorientierungstage hat die Einrichtung nun überarbeitet.
„Es soll möglichst wenige offene Ausbildungsstellen im Landkreis geben“, sagte BBW-Einrichtungsleiter Alexander Sertl in der jüngsten Sitzung des Kreis-Bildungsausschusses, wo er die künftige Ausrichtung der Orientierungstage vorstellte. Diese bestehen aus drei Blöcken, die die Schülerinnen und Schüler nacheinander durchlaufen. Zunächst wird in einer zweitägigen Potenzialanalyse geschaut, wo die Teilnehmer aktuell im Leben stehen und was deren individuelle Stärken und Fähigkeiten sind. Als zweiten Schritt finden die sogenannten Werkstatttage statt. Hier können die Schüler, die meist aus den umliegenden Bildungseinrichtungen nach Kirchseeon kommen, verschiedene Berufsfelder praxisnah ausprobieren.
Eine Kooperation mit der Ebersberger Kreisklinik soll den Pflegeberuf in den Fokus rücken
Das BBW hat dazu verschiedene Lernwelten geschaffen, wie Sertl erklärte. Unter anderem gibt es eine klassische Metall- und Holzwerkstatt, eine Großküche, aber auch einen Raum, der einen landwirtschaftlichen Betrieb simulieren soll und seit Neuestem sogar ein Krankenbett. Letzteres ist Teil einer Kooperation mit der Ebersberger Kreisklinik, um jungen Menschen die Möglichkeit zu geben, in den Alltag von Pflegekräften hineinzuschnuppern. Sind die Praxistage abgeschlossen, folgt ein von Kreishandwerksmeister Johann Schwaiger geleitetes Reflexionsgespräch an den jeweiligen Schulen der Teilnehmer. Dabei werden die während der Orientierungstage gesammelten Erfahrungen rekapituliert, die den Jugendlichen letztlich dabei helfen sollen, sich für eine Berufsausbildung zu entscheiden.
„Es ist wichtig, den jungen Menschen im Landkreis zu helfen, ihre Entwicklungspotenziale zu erkennen und zu fördern“, sagte BBW-Leiter Sertl. Dabei kann die Bildungseinrichtung auch auf die finanzielle Unterstützung der Gemeinden und des Landkreises zählen. Diese nämlich übernehmen den Defizitausgleich, falls Jugendliche aus den jeweiligen Schulen an dem Programm teilnehmen. Die Beträge sind dabei eher überschaubar. Der Landkreis etwa wird für die Jahre 2025 bis 2027 pro Schüler 300 Euro beisteuern. „Das ist sehr gut investiertes Geld“, sagte deshalb auch Landrat Robert Niedergesäß (CSU). Man gebe jungen Menschen die Chance, sich praxisnah beruflich zu orientieren.
Das Interesse an den Schnuppertagen übersteigt teilweise sogar die Kurskapazitäten
Diese Möglichkeit sei vor allem für die Mittelschüler im Landkreis wichtig, ergänzte Fraktionskollegin Magdalena Föstl, die wie Ottilie Eberl (Grüne) von einer „tollen Sache“ sprach. Marina Matjanovski (CSU), die selbst an der Ebersberger Kreisklinik tätig ist, erinnerte daran, wie wichtig es sei, junge Menschen für den Pflegeberuf zu gewinnen. Neben der Anwerbung von Fachkräften aus dem Ausland sei dies die zweite Säule, um das Angebot dauerhaft zu sichern. Davon würden nicht nur Pflegedienste, die ambulante Pflege und die Klinik profitieren, „sondern vor allem die pflegebedürftigen Menschen“, so Matjanovski. Sie selbst erhalte sehr viel positives Feedback aus den Schulen angesichts der praxisnahen Schnuppertage des BBW. Das Interesse übersteige teilweise sogar die Kurskapazitäten. Es war deshalb nicht überraschend, dass der Ausschuss die weitere finanzielle Förderung des Projekts einstimmig absegnete.