Beim Moosacher Kulturkreis:Gifteln, bis die Farbe reißt

Moosach Alter Bahnhof Ausstellung

Uli Mlackar vor seinen Werken.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Der Grafinger Künstler Uli Mlackar experimentiert mit Ruß, Feuer und Chemikalien. Was dabei herauskommt, zeigt er in Moosach bei seiner ersten Ausstellung.

Von Anja Blum, Moosach

Uli Mlackar ist ein Mann mit vielen Talenten. Das lässt sich an seinem Lebenslauf genauso ablesen wie an seiner Kunst. Er habe mindestens zweieinhalb Berufe, erzählt der Grafinger und lacht: Zunächst einmal sei er gelernter Anwaltsgehilfe und habe sich in der Heilpädagogik versucht. Der Zivildienst im Piusheim, damals noch eine Einrichtung für schwererziehbare Jugendliche, verschlug ihn vor Jahrzehnten "aus dem Pott" nach Bayern.

Obendrein hat Mlackar BWL studiert. Aber eigentlich wäre er gerne Schreiner geworden. "Was Handwerklich-Kreatives oder Soziales, das wär's gewesen", sagt er. Letztendlich aber wurde es ein normaler Job in der Wirtschaft, mit gutem Gehalt aber wenig Herzblut. Zumindest bis Mlackar sich mit 59 Jahren entschied, nochmal ein ganz anderes Leben anzufangen: Seit zehn Jahren arbeitet er nun schon mit dem Herz und seinen Händen, in der Mittagsbetreuung der Grafinger Grundschule - und als Künstler am heimischen Küchentisch.

Moosach Alter Bahnhof Ausstellung

Seine Farbgebung ist ausdrucksstark.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Nun zeigt Mlackar seine Malerei beim Kulturkreis Moosach im Alten Bahnhof, für den 68-Jährigen ist das die "erste richtige Ausstellung". Dementsprechend groß sind die Aufregung und der Wunsch, das ganze Spektrum des eigenen Schaffens zu präsentieren. Jedes freie Wandstück in der historisch-urtümlichen Galerie nutzt der Grafinger, selbst am Boden stehen Bilder. Einiges Abstraktes ist hier zu finden, dazwischen verfremdete Landschaften, Florales, aber auch Figuren und Porträts.

Moosach Alter Bahnhof Ausstellung

Gerne zitiert er Maler wie Schiele und Klimt, oder auch Kafka.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Mlackars Kunst auf einen Nenner zu bringen ist schier unmöglich, so unterschiedlich sind die Techniken und Motive. Denn Mlackar ist ein Autodidakt, wie er im Buche steht: Er lebt seine Liebe zur Kunst im Selbststudium aus, experimentiert mit allen möglichen Untergründen, Materialien, Verfahren - und zeigt sich dabei äußerst erfinderisch.

Moosach Alter Bahnhof Ausstellung

Glatt ist kaum ein Bild von Mlackar.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Krakelee, also rissige Schichten, sowie pastose Oberflächen und Rost haben es ihm zum Beispiel sehr angetan, selbst vor hochgiftigen Chemikalien schreckt er nicht zurück, auch Hitze kommt bei ihm oft ins Spiel, genauso wie Marmorierfarben, Backutensilien, zerknülltes Packpapier, glitzerndes Gold. Mal wirft der Untergrund Blasen, mal wirkt der Farbauftrag ikonenhaft. Mal lässt Mlackar seiner Fantasie, mal der Farbe freien Lauf. Oder er zitiert ohne Bedenken große Meister, wann immer es ihm in den Sinn kommt. Ein bisschen wie die wilde, lustige Pippi von Astrid Lindgren: "Ich mache das, wie es mir gefällt."

Despektierlich aber ist dies mitnichten gemeint: Mlackar sagt ebenso, dass zur Kunst wesentlich mehr gehöre als nach Lust und Laune den Pinsel zu schwingen oder Naturmaterialien auf eine Leinwand zu kleben. Deswegen "übe" er jeden Tag, skizziere Proportionen, zeichne mit Kohle, spiele mit Farben. Was diese anbelangt, versteht sich der Grafinger als "kleiner Expressionist", eine Kunstrichtung, deren Vertreter er verehrt. Genauso wie die des Jugendstils. Hier dunkel-bunte Ausdrucksstärke, dort filigrane Linienführung: beides ist in Mlackars Bildern zu finden.

Aus dieser Bewunderung rühren aber auch ganz direkt diverse Motive: Mlackar schafft neue Kompositionen, indem er Figuren bekannter Maler vor eigene Hintergründe setzt, sie gewissermaßen für sich personalisiert. Keine Kopien sind das, sondern liebevolle Zitate. Gustav Klimts "Hygieia" etwa, eine griechische Göttin der Gesundheit, zeigt Mlackar auf einer rostigen, zwischen Rot und Braun changierenden Fläche. Vielleicht, weil abziehende SS-Truppen das Original einst verbrannten? Gleich daneben: drei laszive Schönheiten von Egon Schiele und eine Frau von Max Kurzweil, die bei Mlackar jedoch nicht auf einer Couch drapiert ist, sondern vor einem mit wildem Strich gestalteten, leuchtenden Gelb-Grün gleichsam schwebt.

Darüber hinaus gibt es gleich mehrere Gemälde, in denen Mlackar seinen kritischen Geist und seinen Idealismus ausdrückt: Bildnerisch bearbeitet er Themen wie die Unterdrückung der Frau oder die Anonymität der Großstadt, auch ganz konkrete Anlässe setzt er kreativ um: Dem Krieg in Syrien hat er ein drastisches "Sterbebild" gewidmet - eine Collage mit jeder Menge Ruß und Blut, Einschusslöchern, flüchtenden Menschen.

"Am Ende habe ich das Ganze mit Benzin übergossen und angezündet", erklärt der Künstler. Die einzige, kleine Hoffnung findet nur, wer genauer hinsieht: Oben rechts im Eck versteckt sich ein winziges Peace-Zeichen. Seinen ganzen "Weltschmerz" kondensiert hat Mlackar in einer kleinen Serie: Ein nachdenklicher, wenn nicht gar verzweifelter Mann auf einem Stuhl, einst gezeichnet von Franz Kafka, sitzt hier vor wolkig-pastosem Hintergrund, erst noch ein wenig bunt, am Ende rundum trostloses Ocker.

Zur Zitierlust des Künstlers gehört außerdem, dass er viele seiner Bilder nach Songs benennt. Da gibt es wie bei Led Zeppelin eine "Stairway to heaven", man kann mit Tom Petty bildlich "Into the great wide open" gehen oder wie die Rolling Stones rufen: "Paint It, Black". Der Künstler jedenfalls hat seine diebische Freude an all den Wort- und Bildspielereien. Mlackars Gefühlswelten sind schillernd und tief - das lässt diese Ausstellung erahnen. Jesus, Buddha und der Teufel: Jeder hat hier seinen Platz.

Ausstellung von Uli Mlackar im Alten Bahnhof Moosach, zu sehen von 8. bis 11. November, donnerstags und freitags von 17 bis 19 Uhr, samstags und sonntags 13 bis 19 Uhr.

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