Beim "Jazz im Turm":Romantische Wanderschaft

Beim "Jazz im Turm": Niklas Roever am Klavier und Roger Kintopf am Bass verzaubern ihre Zuhörer beim "Jazz im Turm".

Niklas Roever am Klavier und Roger Kintopf am Bass verzaubern ihre Zuhörer beim "Jazz im Turm".

(Foto: Christian Endt)

Der junge Pianist Niklas Roever begeistert mit lyrischem Spiel

Von Claus Regnault, Grafing

Der Jazz wird immer jünger. Damit ist natürlich nicht die inzwischen mehr als hundertjährige Gattung gemeint, sondern die wachsende Zahl ihrer jugendlichen Interpreten, die sogar schon im Kindesalter Lust an dieser Musik entwickeln, etwa in den diversen Nachwuchsgruppen des Grafinger Bassisten Sepp Ametsbichler. Ein solches Kind war auch der in der Grafinger Jazzinitiative groß gewordene Niklas Roever, der anfangs - altersbedingt noch in Begleitung seiner Eltern - fast keinen Abend, sei es im Kastenwirt oder danach im Jazzturm, versäumt hat. Damit wurde der junge Pianist aus Maitenbeth fast zum Maskottchen des Grafinger Jazzgeschehens.

Inzwischen ist Roever stolze 20, rundum versorgt, genährt und gebildet mit der Kenntnis dieser Musik, ihrer Geschichte und der Vervollkommnung seiner Klaviertechnik. Er spielt und improvisiert wie ein reifer Jazzhase. Als ich ihm vor seinem Konzert in der Grafinger Turmstube begegnete, und das krankheitsbedingte Fehlen des Schlagzeugers ansprach, meinte er: "Macht nichts, ich schätze auch die Intimität des Duospiels." Anschließend bot sich ein Abend reich an klaviristischer Lyrik. Roever befreit den Akkord von seiner Bindung an die Kadenz, er schickt ihn auf Wanderschaft durch die Tonalitäten. Das führt zu einer gewissen Beliebigkeit seiner Funktion. Es fehlt die Spannung, die aus der Kadenz herrührt. Anstelle der Spannung tritt bei Roever die Überraschung. Erhält sein Spiel dagegen durch Wahl eines vorgegeben Themas (Monk, Hersch, Evans), das heißt, durch die Bindung an dort vorhandene Struktur eine Basis, entfaltet Roever eine ungemein beredte, geistvolle Improvisation. Das war besonders erfahrbar in seiner witzig-spritzigen Interpretation von Evans' Thema "Five".

In jedem Fall ist dieser junge Pianist ein beachtliches Talent auf der Suche nach einer sehr persönlichen Sprache. Ihr Tonfall ist fast romantisch, ja melancholisch, nicht umsonst ist einer seiner Vorbilder Hermann Hesse, dessen Roman "Siddhartha" in seiner romantischen Spiritualität Roever in einer seiner Kompositionen umzusetzen versucht hat.

Mitgebracht hatte Roever einen nicht minder begabten Begleiter, den 19-jährigen Bassisten Roger Kintopf aus Darmstadt, der den Wanderungen seines Partners mit traumhafter Einfühlung folgte und auch solistisch bemerkenswert eigenständig improvisierte.

Das voll besetzte Grafinger Turmlokal folgte, anfangs etwas irritiert, später zum Teil mit geschlossenen Augen, Niklas Roevers traumhafter Wanderschaft durch die Akkorde und bedankte sich mit herzlichem Beifall.

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