Beim Ebersberger Kunstverein:Inspiration, ganz unverhofft

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Sechs Teilnehmer des "Projektraum Wernerbauer" zeigen Fotografien - eine so vielschichtige wie sehenswerte Ausstellung

Von Peter Kees

Große Kunst ist weltweit in Museen zu sehen. Dass sich dies nicht auf die Ausstellungsräume beschränken muss, zeigt Klaus D. Wolf nun in Ebersberg: Er hat die Tate Modern in London oder das Haus der Kunst in München besucht und dort fotografiert - allerdings keine Meisterwerke. Wolf hat sich auf die stillen Örtchen begeben und allda geknipst, Ausschnitte, Momente, die er gesehen hat. Wolf ist einer von sechs Teilnehmern des "Projektraum Wernerbauer", der derzeit im Studio an der Rampe des Ebersberger Kunstvereins ausstellt.

Der renommierte Dachauer Fotograf Werner Bauer - unter anderem Gewinner des "Nestlé-Fotoaward" oder des "Kodak Gold Award" - bietet seit geraumer Zeit eine "Plattform für projektbezogenes Arbeiten". In diesem Kurs treffen sich über zwölf Monate hinweg Menschen aus unterschiedlichen fotografischen und künstlerischen Erfahrungswelten, um sich unter Anleitung Bauers weiterzuentwickeln. Die Abschlussausstellung findet seit einigen Jahren in Ebersberg statt.

Klaus D. Wolf ist Profifotograf. Er arbeitet im Bereich Kongress-, Messe- und Eventfotografie. Bei Bauer wollte er seinen Horizont erweitern, seine eigene Sichtweise stärken und eben nicht das erarbeiten, was man üblicherweise erwartet. "Ich bringe nichts bei, sondern versuche nur, das Schlimmste zu verhindern," kokettiert Bauer mit seiner Rolle als Dozent. Seine Schüler wiedersprechen: Sie hätten sehr wohl etwas gelernt, sehr viel sogar. Kein Wunder, dass manche den Kursus bereits zum zweiten Mal besucht haben. "Ich hatte mehrere Ansätze über das Jahr," erzählt Wolf, "doch das waren alles Irrwege. Es hat gedauert, bis ich gefunden hatte, um was es mir geht." Man müsse eben nur lang genug auf dem Klo sitzen, wenn man keine Ideen habe, ergänzt Bauer schmunzelnd.

Sinnbilder des Lebens: Rudolf Zimmermann hat sich selbst beim Ausräumen seines Elternhauses fotografiert. (Foto: Veranstalter)

Barbara Steude fand ihre Inspiration unverhofft. "Eigentlich wollte ich Bäume fotografieren, wusste aber nicht mehr weiter. Auf einmal stand ich vor einer Kuh und begann mit ihr zu flirten." Steudes Thema war da. In der Ausstellung zeigt sie unter dem Titel "...oder vielleicht doch lieber den Ochs?" Bilder von Kühen, Gegenlichtaufnahmen, intime Momente, die fast überbelichtet scheinen und in nahezu malerischer Qualität eine ganz eigene Ästhetik aufweisen. Nebenan ein beleuchteter Kuh-Kubus, in dem Steude Modellkühe in einer geleeartigen Masse stehend präsentiert. Steude ist im richtigen Leben Qualitätsmanagerin in der Luft- und Raumfahrtbranche. Auch sie absolviert den Kurs bei Bauer bereits zum zweiten Mal.

Schon der Titel dieser Ausstellung - "Eine neue Kamera ist auch keine Lösung" - macht es klar: Ein gutes Foto entsteht nicht durch technische Aufrüstung, sondern durch den persönlichen Blick samt einem entsprechenden Denkansatz. Wolf beispielsweise hat in den Museen mit seinem Handy fotografiert, während Jürgen Schrader eine analoge Mittelformatkamera mit dem wunderbar quadratischen Format sechs mal sechs zur Hand genommen hat. Er zeigt Bilder auf edlem Japanpapier, die er im Januar beim ersten Schnee auf einer Almhütte aufgenommen hat. Wahrlich Poesie ist bei der Naturbetrachtung in weißer Landschaft entstanden. Auch Schrader ist Profifotograf.

Dominique Seydel hingegen arbeitet als Informatikerin. "Ich wolle einfach, dass meine Bilder nach Kunst aussehen." Voller Begeisterung spricht sie über den Kurs bei Bauer. Ihre Bilder in der Ausstellung zeigen inszenierte Fotografie, einem eher unästhetischen Ding des Alltags hat sie sich angenommen: Aus Kabeln lässt Seydel kleine Stillleben entstehen. Da sieht man beispielsweise ein Computerkabel zum Notenschlüssel formiert; dort hat sie mit Elektrokabel gestrickt. "Lebendig Verkabelt" heißt die Serie.

"Lebendig verkabelt" heißt eine Serie von Dominique Seydel. (Foto: Veranstalter)

Die Ansätze der sechs Fotografen sind sehr unterschiedlich. Rudolf Zimmermanns Thema etwa ist ein sehr persönliches: Er hat sich selbst im Haus seiner Eltern abgelichtet, als er nach deren Tod dabei war, die Zimmer auszuräumen. Assoziative Momente hat er eingefangen und in seinem "Kopfalbum" zusammengetragen, ergänzt um Fotos aus der Vergangenheit, auf denen das Haus und die Eltern zu sehen sind. Eine Plastikplane davor macht diese Vintagebilder unscharf. Zimmermann, der mehr als 30 Jahre lang mit psychisch und geistig behinderten Menschen gearbeitet hat, interessieren Fragen nach dem Sinn des Lebens. Bleibt Ursi Klopsch aus Regensburg, die dramatische Risse in einer Wand fotografiert hat - Narben, wie wir sie auch aus dem menschlichen Leben kennen.

Es ist lohnend, sich mit den Ergebnissen des "Projektraum Wernerbauer" auseinanderzusetzen. Schade, dass zur Vernissage verhältnismäßig wenige Besucher kamen. Man hat aber noch Zeit: Die Ausstellung ist bis Sonntag, 26. Mai, zu sehen.

Das Wochenende beim Kunstverein Ebersberg, Galerie im Klosterbauhof: geöffnet freitags 18 bis 20 Uhr sowie samstags und sonntags von 14 bis 18 Uhr. Ausstellungen der "Klasse Oehlen" der Kunstakademie und des "Projektraum Wernerbauer". Am Freitag, 24. Mai, 20 Uhr, Konzert mit mehreren Songwritern. Der Eintritt ist frei.

© SZ vom 23.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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