Beim Burschenverein Anzing:Von Schafen und Bulldoggen

Lesezeit: 3 min

Frontmann Keller Steff ist Profi im Umgang mit dem Publikum, selbst ein volles Bierzelt hat er fest im Griff. (Foto: Christian Endt)

Die "Keller Steff Big Band" und "Lenze & de Buam" bringen das Festzelt mit bayerischer Mundart zum Kochen

Von Simon Groß, Anzing

Es ist kurz vor acht, das stattliche Festzelt ist gut gefüllt. Kellnerinnen und Kellner tragen hektisch überdimensionale Essenstabletts und volle Masskrüge zu den Tischen. Eine Mischung aus Brathendl, Ketchup und Bier liegt in der Luft. Das Zelt hat die nötige Betriebstemperatur erreicht, als das Licht gedimmt wird und "Astl Lenz" alias Lorenz Schmid mit seinen Jungs die Bühne betritt.

Zum Auftakt seines Gründungsfests hat sich der Burschenverein Anzing gleich zwei musikalische Hochkaräter aus der Region ins Festzelt geladen: Lenze & de Buam und die Keller Steff Big Band. Beide setzen auf tanzbare und eingängige Songs, gespickt mit knackigen Bläsersätzen und einem klaren Bekenntnis zur bayerischen Mundart. Beide Gruppen weigern sich außerdem, die Grenzen musikalischer Genres zu achten: Von klassischen Rock'n'Roll-Nummern über Ska, Reggae und Blues bis hin zu Metal- und Hip-Hop-Einlagen ist bei diesem Konzert so ziemlich alles zu hören, was das 20. Jahrhundert an popmusikalischen Strömungen hervorgebracht hat. Und, das wird sich im Laufe des Abends deutlich zeigen: Beide Bands beherrschen ihre Instrumente genauso gut wie das Spiel mit dem Publikum. Das einzige, das bei dieser Veranstaltung vollends auf der Strecke bleibt, ist das Hochdeutsch - aber der Verzicht darauf gehört ja bekanntermaßen zum Programm.

Die fünf Musiker von Lenze & de Buam um Sänger und Gitarristen Lorenz Schmid legen mit ihrem Gassenhauer "Aloa Aloa" gleich einen Ohrwurm erster Klasse vor, der das Zelt quasi zum Mitsingen zwingt. Es dauert nicht lange, da bildet sich am Rand der Tanzfläche schon die erste schüchterne Traube von tanzfreudigen Damen, die Burschen dagegen trauen sich noch nicht so recht.

Unprätentiös und selbstironisch singt die Band von Banalitäten, die den Nerv des Festpublikums treffen, dabei aber nicht plump, sondern irgendwie charmant wirken: Wenn über falsche Freunde ("Für oan wie di gibts koa Rezept, du bist und bleibst a Depp"), das Lieblingshaustier ("Franze, du bist mei liabst Katz") oder die Suche nach einem verloren gegangenen Schaf ("Oho i find mei Schaf ned") gesungen und dabei auch noch um ein Pappschildschaf getanzt wird - generell ist an diesem Abend auffällig häufig die Rede von Haus- und Nutztieren - ist der Mitmachfaktor hoch. Zumal es sich bei Letzterem um eine astreine Hommage an Stings "Englishman in New York" handelt. Jetzt tummeln sich auch die Burschen auf der Tanzfläche.

Treibende Rhythmen und schnelle Versatzstücke wechseln sich ab mit langsameren, entschleunigenden Parts, die dem Publikum Zeit zum Luftholen gönnen und in denen der mehrstimmige Gesang der Band besonders gut zur Geltung kommt. Es ist dann eben auch ein ruhigeres Stück, das den bis dahin musikalischen Höhepunkt darstellt: "Ois Verloren" erinnert zumindest instrumental an die frühen Lukas Graham - eine gelungene Mischung aus smoothem Hip-Hop-Schlagzeug, Staccato-E-Piano und Soul-Trompete.

Dabei ist der heimliche Star des Abends ohne Zweifel Philipp Treichl. Der Trompeter, der nebenbei auch durch brillanten Backgroundgesang auffällt, spielt Soli in derart schwindelerregender Höhe, dass einem schon vom bloßen Zuhören ganz schwindlig wird. Seine technisch anspruchsvollen Passagen setzt der Musiker derart präzise und pointiert, dass er den Taktgebern der Rhythmusfraktion die Schau stielt, wenn er an seinem Mundstück ansetzt.

Sowieso: Der Abend gehört den Bläsern. Das liegt nicht nur, aber vor allem an Treichl, der an diesem Abend eine Doppelschicht einlegt: Der Trompeter bildet einerseits zusammen mit Tubist und Posaunist Bene Mias die Bläserfraktion bei Lenze & de Buam und spielt danach auch noch zusammen mit der Formation um den Keller Steff auf, hier gemeinsam mit Alt- (Peter Lechner) und Bariton-Saxofon (Roman Fritsch). Und die legen gleich richtig los: Zu den schnellen Rock'n'Roll-Nummern gibt es satte Bläser, die die Band und das Publikum in dichten Arrangements nach vorne treiben. Spätestens jetzt wird es eng auf der Tanzfläche im Zelt.

Auch Frontmann Keller Steff weiß originell und herrlich unaufgeregt mit dem Publikum zu kommunizieren: Wenn beim Lied "Bulldogfahrer", das selbstredend eine Hymne auf den fähigen Traktorfahrer ist, der Motor ausfällt (Musik hört auf), dann muss das ganze Zelt schon mal mit großen Kurbelbewegungen dabei helfen, den Motor wieder zum Laufen zu bringen (Musik wird schneller), damit der Schlussrefrain dann beim zweiten Anlauf (Motor säuft natürlich noch einmal ab) endlich gelingen kann. Dass die Combo an diesem Abend beim Burschenverein Anzing eine Live-CD aufnimmt, stellt sich als weise Entscheidung heraus.

© SZ vom 14.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: