Bei Jazz Grafing:Musik als Landschaft

Bei Jazz Grafing: Dieses "Weltmusikorchester" spielt ausschließlich Kompositionen seines Leiters, des chinsischen Gitarristen Zhihan Xu.

Dieses "Weltmusikorchester" spielt ausschließlich Kompositionen seines Leiters, des chinsischen Gitarristen Zhihan Xu.

(Foto: Christian Endt)

22-köpfiges Orchester unter chinesischer Leitung begeistert mit Weltmusik

Von Claus Regnault, Grafing

Welch ein Kontrast: Nach einem Vortrag über die französische Chansonsängerin Barbara in Grafings Stadtbücherei das Konzert einer 22-köpfigen Jazzband unter chinesischer Leitung in der Stadthalle! Ein wenig hatte man Angst vor diesem Wechsel ins Gigantische - aber es wurde schöner als erwartet.

Das Zhihan-Xu-Orchester steht unter Leitung des gleichnamigen chinesischen Komponisten und Gitarristen und präsentiert ausschließlich Selbstkomponiertes ihres Chefs. Es ist nicht eigentlich ein Jazzorchester, denn über der jazzigen Rhythmus-gruppe, darunter der Bruder des Leiters, Zhitong Xu als Schlagzeuger, entfaltet sich eine Musik, gespeist nicht nur aus traditioneller chinesischer Volksmusik, sondern auch aus klassisch-europäischer Musik, eine Mischung, die man mit dem Begriff "Weltmusik" zutreffend bezeichnen kann. Diese Musik breitet sich vor dem Hörer bildhaft wie eine weite Landschaft aus. Sie ist "luftdurchlässig" und hat als Gegenpol von der Rhythmusgruppe getragene Inseln, in denen der Mensch improvisatorisch von sich erzählt und damit dem musikalischen Geschehen mit durchweg erstaunlich beredten Musikern (rekrutiert weitgehend aus Studenten der Nürnberger und Münchener Musikhochschulen) das Jazzelement zur Geltung bringt. So hatten nacheinander lauter professionelle Musiker am Tenorsax, Posaune, Harfe (!) und Klavier das Sagen - mit dem Höhepunkt eines witzig-frechen Trompetensolos der Armenierin Angela Avetisyan. Der einzige Senior des Orchesters war der gleichfalls perfekte Pianist Andreas Kissenbeck.

Insgesamt ist dem Leader an der Gitarre Zhihan Xu in seinen Kompositionen die Herstellung eines fast schwebenden Gesangs geglückt. Bewundernswert auch, wie er das Konglomerat aus zwei Trompeten, Posaune, zwei Altosax, zwei Tenorsax, Flöte, Bassklarinette, Harfe und acht Streichinstrumenten zu einem Sound bringt, einem dichten, gleichwohl impressionistisch durchlässigen Zusammenklang.

Nach der Pause des Konzerts, veranstaltet übrigens von der engagierten Musikerinitiative Jazz Grafing, lief diese minimalistische Riesengruppe zu großer Form auf, ließ farbenreiche Bilder entstehen, fand etwa im Titel "Morning" zu einer Durchflutung von Licht und im Schlusstitel "Fly" auch zu einer jazzrhythmisch mitreißend bewegten Geschlossenheit. Das nicht gerade zuhauf erschienene Publikum geriet zunehmend in Begeisterung. Wir möchten dieser Band, vor allem solange sie noch so jung ist, bald wieder begegnen. China schickt sich offenbar an, uns auch musikalisch zu erobern!

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