Revival in Ebersberg:Magischer Tunnel

Das Mystical "Bayerische Rauhnacht" der Kirchseeoner Band "Schariwari" geht wieder auf Tour. Die ersten beiden Vorführungen finden Ende November im Ebersberger Alten Speicher statt

Von Anja Blum

Die moderne Welt ist eine entzauberte. Das, was da jenseits des Verstands möglicherweise sein könnte, hat nicht mehr viel Platz zwischen Displays und Algorithmen. Aber vielleicht liegt es genau daran, dass die "Bayerische Rauhnacht" die Menschen so be-geistert - im wahrsten Sinne des Wortes. Sie nämlich reißt einen magischen Tunnel auf, der in die andere Welt zwischen Himmel und Erde führt, sie erinnert uns an längst vergangene Zeiten, in denen das Leben noch geprägt war von Mythen und Sagen, in denen allerhand fantastische Wesen das Denken bevölkerten. "Ich weiß nicht, warum, aber die Menschen scheinen regelrecht ein Bedürfnis danach zu haben", sagt Rainer Eglseder von den Kirchseeoner Perchten und Teil der Rauhnacht-Crew. "Sie können irgendwie gar nicht genug bekommen."

Und so geht die Bayerische Rauhnacht, das längst preisgekrönte Musiktheater der Kirchseeoner Band Schariwari, heuer in eine weitere Runde, nachdem im vergangenen Winter die Wiederaufnahme - nach zwölf Jahren Pause - mehr als geglückt ist. Die ersten beiden Vorstellungen sind wieder ein Heimspiel: Am Freitag und Samstag, 29./30. November, ist das "Mystical" im Alten Speicher in Ebersberg zu sehen. Dann geht es auf Tour durch die Region, sechs weiter Termine folgen, in Bad Reichenhall, Miesbach, Fürstenfeldbruck, Traunreut, Erding und Ergolding, am Sonntag, 5. Januar, gibt es noch mal einen Abend in Ebersberg. 2020 ist auch schon in Planung. Mit einem Lkw reist die Crew durchs Land, bringt sämtliche Elemente für Bühne und Technik mit, man will eine total autarke Produktion sein.

Mystical "Bayerische Rauhnacht" von Schariwari

Eine der mystischen Gestalten der "Bayerischen Rauhnacht" ist die Schiache Luz, die dunkle Zwillingsschwester der Heiligen Lucia.

(Foto: Masumi Miura/oh)

Formal ist die Bayerische Rauhnacht eine Symbiose aus poetisch-rockiger Musik, Theaterszenen und alten Geschichten, die dem Volksglauben des Alpenlands entspringen. Die Perschten-Stiftung aus Kirchseeon hat sie gesammelt und damit die Inspiration zu dem Mystical geliefert: Hans Reupold junior, Günther Lohmeier und ihre Kollegen von Schariwari schrieben wunderbare Songs rund um die Rauhnächte und wollten diese dann, 1996 war das, auf der Bühne auch visualisieren. Zunächst war nur ein Geschichtenerzähler geplant, doch schnell wurde daraus viel mehr - die Geburtsstunde eben jenes Programms, das nun wieder so erfolgreich ist.

Obwohl es in dem Bühnenstück auch um Erneuerung, um das Licht des Lebens geht, ist es meilenweit weg vom üblichen Weihnachtskitsch. Die Rauhnächte, um die sich zahllose Mythen und wundersame Legenden ranken, liegen in der Zeit zwischen den Jahren, sie beginnen mit der Wintersonnwende am 21. Dezember, dem kürzesten Tag und der längsten Nacht. Nach altem Volksglauben ist in dieser Zeit das Alte noch nicht vollständig vergangen, das Neue noch nicht ausreichend erstarkt. Es ist ein Übergang, ein Chaos, das Mensch und Natur in Unruhe versetzt. Das Tor zum Geisterreich ist geöffnet, Mystik und Magie halten Einzug. Zerstörerische Kräfte und lichte Wesen liegen im Widerstreit, die Menschen versuchen, sich vor den Mächten der Finsternis zu schützen, mit Räucherritualen, Weihwasser, Fasten, Beten und allerhand Verhaltensregeln. Auf der anderen Seite ist man bestrebt, die Dämonen mit fratzenartigen Masken, wilden Tänzen und höllischem Lärm zu vertreiben - der Perchtenbrauch. Die Geschichten rund um die Rauhnächte sind mal dunkel, mal traurig, oft aber auch humorvoll, spitzbübisch und gelehrig.

Mystical "Bayerische Rauhnacht" von Schariwari

Gemeinsam mit dem Holzmandl und einem Zaubertroll entführen die Musiker von "Schariwari" das Publikum in eine Welt voller Mythen, Sagen und Legenden.

(Foto: Masumi Miura/oh)

Das Musiktheater von Schariwari erzählt, wie ein kleiner Zaubertroll aus dem hohen Norden in einer Winternacht nach Bayern kommt. Schnoddrig frech prallt er dort auf das knorrige Holzmandl, das sein Geschichtenbuch aufschlägt. Gemeinsam tauchen die beiden ein in die Welt der Sagen, Mythen und Legenden, in der Perchten, Hexen, Druden und Dämonen lebendig sind. Sogar der Leibhaftige und der Gevatter Tod schauen vorbei... Hinzu kommt der mystische Folkrock von Schariwari - ein beeindruckendes Gesamterlebnis.

Für die 16 Mitglieder des Ensembles ist indes nicht nur der Inhalt der Rauhnacht märchenhaft - für sie liegt ein ganz besonderer Zauber auch im familiären Zusammenhalt auf und hinter der Bühne. Alle schwärmen davon, wie sich hier ein jeder zu mehr als hundert Prozent einbringe und hoch geschätzt werde. Das ist vor allem insofern bemerkenswert, als dass die Truppe eigentlich alles andere als homogen ist: Sie setzt sich zusammen aus Größen ihres Fachs sowie lokalen Akteuren, außerdem aus solchen, die von Anfang an dabei sind, und jenen, die erst im vergangenen Jahr hinzugestoßen sind. All diese Unterschiede aber scheint die Begeisterung zu nivellieren. Dass es zwischen 2018 und 2019 keine einzige personelle Veränderung gab, zeigt ebenfalls, wie gut dieses Ensemble funktioniert. Dementsprechen euphorisch ist das Team: Die Proben seien bislang sehr gut gelaufen, "fast schon erschreckend gut".

Rauhnacht Teamtreffen

Beste Stimmung herrscht beim Teamtreffen der 'Bayerischen Rauhnacht': Hans Schuler, Renate Stoiber, Günther Lohmeier, Dominik Arnold, Franz Meier-Dini (hinten von links), Rainer Eglseder, Matteo Dino, Rudi Baumann, Johannes Lohmeier (vorne von links).

(Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

An erster Stelle stehen Musiker und Produzent Günther Lohmeier sowie Regisseur Matthias von Stegmann, auf deren lange Freundschaft das Projekt zurückgeht. Stegmann ist im Film- und Opernmetier beheimatet, in seiner Biografie tauchen etliche internationale Bühnen und Produktionen auf. Ebenfalls Männer der ersten Rauhnacht-Stunde sind Lichtdesigner Christian Schatz, der bereits mit Chris de Burgh auf Welttournee war, Masumi Miura, Kulissenmaler der Bayerischen Staatsoper, sowie Tontechniker Dominik Arnold, der sonst für Jazz-Größen arbeitet. Mit dabei ist auch wieder Tänzer Eric Brown aus San Diego, der unter anderem mit der San Francisco Ballet Company gearbeitet hat. Um die Gewänder kümmert sich Renate Stoiber, lange Kostümbildnerin in Bayreuth. Als Musiker und Experte fürs alpenländische Brauchtum ist Rainer Eglseder an Bord, Schlagzeuger Stevie Moises und Lichtmann Tom Patch gehören ebenfalls zur Stammbelegschaft. Erst seit 2018 mit dabei sind der bekannte bayerische Schauspieler Johann Schuler als Holzmandl und Maresa Sedlmeir, Synchronsprecherin mit großem darstellerischem Talent, als Zaubertroll. Die Band wurde verstärkt von Gitarrist Rudi Baumann, Keyboarder Josef Bartl und Bassist Franz Meier-Dini. Doch auch der sagt: "Keiner hier ist wichtig. Es geht allein um die Rauhnacht!"

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