Süddeutsche Zeitung

Baiern:Vor der eigenen Haustüre kehren

Bezirksschornstein­fegermeister Andreas Krischke wird zurück in seine Heimat bestellt

Von Antonia Voelze, Baiern

Die korrekte Bezeichnung seines Berufs sei eigentlich "bevollmächtigter Bezirksschornsteinfegermeister", sagt Andreas Krischke. "Hier in Bayern sagt man aber einfach Kaminkehrmeister", erklärt er. Seit Anfang Juni ist Krischke für die Heizungen, Öfen und Kamine der Bewohner des Kehrbezirks Baiern verantwortlich. Er löst damit seinen Vorgänger Josef Obermeier ab. "Nach den vier Jahren in München habe ich etwas Heimatnäheres gesucht", sagt Krischke. Ursprünglich kommt der Kaminkehrermeister aus Bruckmühl. Der Kehrbezirk Baiern sei da im Prinzip direkt vor seiner Haustüre, sagt er.

Acht bis zehn Bewerber habe es auf die Stelle des Kaminkehrmeisters in Baiern gegeben, erzählt Krischke. Ausschlaggebend seien die fachlichen Leistungen eines Kaminkehrers gewesen, sagt Krischke. Dazu zählen Dienstjahre, Arbeitgeberberichte sowie Weiterbildungen. "Alle gesammelten Erfahrungen in der Laufbahn eines Kaminkehrers eben", sagt Krischke. Er selbst habe bei seiner Ausbildung den ganz klassischen Weg gewählt. Gesellenprüfung, Meisterprüfung, und Fortbildungen, bis er schließlich zum Bezirksschornsteinfeger bestellt wurde. "Auf den Beruf bin ich damals ganz durch Zufall gestoßen", sagt Krischke. Lange habe er nicht gewusst, was er machen wolle, sei aber stets auf der Suche nach etwas Abwechslungsreichem gewesen. "Mir war klar, dass ich sicher keinen Bürojob will", sagt Krischke. Bei einem Gespräch mit jemanden aus der Handwerkskammer sei er dann auf die Ausbildung zum Schornsteinfeger gestoßen. "Es ist bestimmt kein klassischer Handwerksberuf", sagt Krischke. Eher sei es eine Kombination aus Büroarbeit, Beratungstätigkeit und Handwerk.

Das Spannende an seinem Beruf sei aber vor allem der Kontakt zu den Kunden im Kehrbezirk. Bei der Arbeit lerne man schließlich die Hauseigentümer etwas kennen. Zehn bis 20 Bezirksbewohner besucht der Kaminkehrmeister pro Tag. "Vom Ärmsten bis zum Multimillionär war alles schon dabei", berichtet Krischke. Bei der unterschiedlichen Kundschaft spiele ein gewisses Fingerspitzengefühl im Kontakt eine wichtige Rolle, erzählt Krischke.

Besonders jetzt in der Corona-Phase habe er dieses Fingerspitzengefühl gebraucht. "Es gab sehr viele, lange Telefonate, in welchen ich mit Kunden diskutierte, wie man einen Besuch coronakonform gestalten könnte", sagt Krischke. Vor allem bei Personen der Risikogruppe habe er viel im Vorfeld geplant. Einige Male habe er Besuche verschieben müssen, da sich die Hauseigentümer entweder in Quarantäne befanden oder ihnen das Risiko eines Hausbesuchs gerade zu hoch war. "Andere Kunden wiederum haben sich über die Corona-Regelungen lustig gemacht", berichtet Krischke.

Der Kaminkehrmeister ist sich seiner besonderen Verantwortung in der aktuellen Zeit sehr bewusst. "Ich habe ja schließlich täglich viele Kontakte", sagt er. Krischke schickt seinen Kunden seit Beginn der Krise neben einer Besuchsnachricht auch noch Hinweise zur Einhaltung den Corona-Regelungen. "Der Weg durch das Haus sollte immer so weit es geht bis zum Arbeitsplatz frei geräumt werden", erläutert Krischke. "Händeschütteln gab es bei uns auch vor Corona nicht, wir waren ja meist voller Ruß", sagt Krischke. Oft hätten er und seine Kollegen auch mal einen Kaffee oder eine Brotzeit bekommen. "Das fällt jetzt natürlich weg", sagt der Kaminkehrmeister.

Trotz Corona bekommt Krischke nicht weniger Aufträge, denn regelmäßige Kontrollen der Kamine, Heizungen und Öfen seien vom Innenministerium vorgeschrieben. "Das kann nicht unendlich hinausgeschoben werden", sagt Krischke. Trotz der staatlichen Regelung dürften einige seiner Kollegen während der vergangenen Jahre einige Verluste verzeichnet haben, denn vor allem in Innenstadtbereichen werden immer mehr Fernwärmenetze installiert. Hier in der ländlicheren Gegend gebe es mehr Privatleute mit Kamin oder auch Holzheizung. "Das Arbeitsaufkommen ist für Kaminkehrer regional sehr unterschiedlich", sagt Krischke.

Ein Problem habe aber seine gesamte Branche. "Wir haben extreme Schwierigkeiten, Nachwuchs zu finden", sagt Krischke. Leider sei das Image seines Berufs nicht so gut. Der Beruf werde viel zu wenig wertgeschätzt. Dabei habe sein Beruf auch viele Vorteile, wirbt Krischke: Es gebe keine starren Arbeitszeiten, die Arbeit sei fair bezahlt und den Alltag könne man sich sehr frei gestalten. Neben den Hausbesuchen, dem Kaminkehren und der Feuerstättenschau, gehe es in seinem Beruf viel um Gesetzestexte, Fingerspitzengefühl und Organisation. "Es steckt weitaus mehr dahinter, als man denkt, jedoch sehr abwechslungsreich", sagt Krischke.

2400 Haushalte betreut Krischke in seinem neuen Kehrbezirk Baiern. In München kannte er nach einiger Zeit viele seiner Kunden. "Sie haben mir viel Vertrauen entgegen gebracht", erzählt Krischke stolz. In seinem Heimatlandkreis Ebersberg dürfte er vielleicht auch ohne seine Arbeit den ein oder anderen Kunden schon kennen.

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Quelle:
SZ vom 16.09.2020
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