Süddeutsche Zeitung

Neue Initiative in Zorneding:Mogelpackung Bahnhof

Die Gemeinde Zorneding will der Bahn Druck machen, damit ihre Haltestelle endlich barrierefrei wird

Andreas Junkmann, Zorneding

Wer auf einen Rollstuhl angewiesen ist und mit der Bahn nach Zorneding reisen möchte, der sollte eigentlich keine Probleme haben. Zumindest scheint es so, wenn sich Fahrgäste zuvor via Internet im Bahnhofsinformations-System der Deutschen Bahn kundig machen. Dort ist die Zornedinger Haltestelle als "barrierefrei" ausgewiesen, der Zustieg in die S-Bahn sei stufenlos möglich, heißt es. Die Ernüchterung erfolgt dann bei Ankunft. Denn anders als angegeben, sei der Bahnhof alles andere als rollstuhlgerecht gebaut, sagt Gregor Schlicksbier, der Behindertenbeauftragte der Gemeinde. Dieser hat in der jüngsten Gemeinderatssitzung einen Antrag mit der Forderung gestellt, die Verwaltung möge doch nun endlich Druck auf die Bahn ausüben, damit sich an der unbefriedigenden Situation endlich etwas ändert.

Die Mängelliste, die Schlicksbier für den Zornedinger Bahnhof auflistet, ist nicht nur lang, sondern auch bereits durch diverse Ortsbegehungen erwiesen - auch Fachleute des bayerischen Blinden- und Sehbehindertenverbandes haben sich bereits mit den Gegebenheiten befasst. Unter anderem fehlt an der Haltstelle ein taktiles Leitsystem, mit dem sich Blinde orientieren können, unterschiedliche Einstieghöhen entlang des Bahnsteigs machen Rollstuhlfahrern und älteren Fahrgästen das Leben schwer, ebenso wie die Steigung und die Längen der vorhandenen Rampen.

Schlicksbier findet aufgrund dieser Schwachpunkte in seinem Antrag deutliche Worte: Blinde oder stark sehbehinderte Menschen hätten keine Chance, den Bahnhof selbständig gefahrlos zu nutzen. Unterdessen würden sich Bahn und Gemeinde aber nur gegenseitig die Verantwortung zuschieben. Der Behindertenbeauftragte fordert deshalb, dass schleunigst das Etikett "barrierefrei" aus dem Bahnhofsinformations-System verschwindet und durch "eingeschränkt barrierefrei" ersetzt wird. Außerdem soll die Gemeinde bei der Bahn beantragen, dass die Haltstelle in den Bedarfsplan zum normgerechten barrierefreien Ausbau aufgenommen wird.

Das Ganze hat auch einen finanziellen Hintergrund: Geht der Zornedinger Bahnhof weiter als barrierefrei durch, habe man laut Schlicksbier deutlich schlechtere Aussichten auf Fördermittel aus dem Programm "Bayern barrierefrei 2023". Um sich daran dennoch bedienen zu können, soll die Gemeinde von der Bahn eine Machbarkeitsstudie zum barrierefreien Ausbau der Haltestelle anfordern, die dann im Gemeinderat diskutiert werden kann.

Dort war man sich ohnehin einig, dass sich am Zustand des Bahnhofs schleunigst etwas ändern müsse. Nur sei man in Sachen Umbau bislang auf taube Ohren gestoßen, wie Bürgermeister Piet Mayr (CSU) sagte. "Wir tragen diesen Wunsch permanent an die Bahn heran und sind immer wieder abgewatscht worden." Fünf oder sechs Schreiben habe die Rathausverwaltung bereits an den Konzern geschickt - ohne nachhaltigen Erfolg. Das soll sich nun ändern, denn erstmals will man durch einen Gemeinderatsbeschluss nun ein klares Signal setzen, dass es so nicht mehr weitergehen kann. Dieser erfolgte einstimmig und beinhaltet alle Forderung, die Gregor Schlicksbier in seinem Antrag formuliert hatte. Ob sich die Bahn deshalb kooperativer zeigen wird, bleibt allerdings abzuwarten.

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