Süddeutsche Zeitung

Gefahr im See:"Gefährlich sind vor allem die flachen Stellen"

Steigen die Temperaturen, so nimmt für gewöhnlich auch die Zahl der Badeunfälle zu. Robert Hofmann, technischer Leiter der BRK-Kreiswasserwacht Ebersberg über seine Arbeit, Gefahren hiesiger Gewässer und Schutzmaßnahmen.

Interview von Franziska Spiecker

SZ: Herr Hofmann, Ihre Wasserwacht überwacht die Badestellen im Landkreis bei gutem Wetter am Wochenende und an Feiertagen. Wie viele Notfälle hat es in diesem Sommer schon gegeben?

Robert Hofmann: In diesem Sommer ist es Gott sei Dank noch sehr übersichtlich: Es gab noch keinen tödlichen Unfall und auch ansonsten nichts, was das normale Maß überschreitet. Wir hatten bislang nur klassische Fälle wie Bienenstiche oder irgendwelche Schürfwunden. Wenn größere medizinische Maßnahmen notwendig sind, die mehr als nur ein Pflaster bedürfen, gibt es Einsatzberichte, die immer bei mir landen - dieses Jahr habe ich aber noch keinen bekommen.

Wie bereitet sich die Wasserwacht auf Notfälle vor?

Jedes Jahr müssen alle unsere aktiven Mitglieder, die auch Wachdienst betreiben, an Fortbildungen teilnehmen. Die sind in der Regel über das ganze Jahr verteilt: In den Wintermonaten wiederholen wir die entsprechenden Rettungsschwimmerabzeichen. Die können nicht einfach einmal gemacht werden und dann hat man's. Kurz vor der Wache machen wir außerdem jedes Jahr Fortbildungen, bei denen wir die Frühdefibrillation und die Reanimation wieder intensiv trainieren. Und das Drumherum, die thermischen Schäden wie Hitze, Erschöpfung, Sonnenstich oder Unterkühlungen und auch das Retten aus dem Wasser, das üben wir das ganze Jahr über.

Welche Gefahren bergen die Badegewässer im Landkreis?

Wir sind in der glücklichen Lage, dass wir keine Strömungen an den Badestellen haben. Gefährlich sind vor allem die flachen Stellen, wo gesprungen wird, zum Beispiel der Steg am Klostersee: Da hat es vor ein paar Jahren einen schweren Unfall gegeben, weil jemand ins flache Wasser gesprungen ist. Aber das ist ganz klar durch Hinweisschilder untersagt.

Was sind denn nicht nur hier im Landkreis, sondern etwas allgemeiner die Hauptgründe für Badeunglücke? Kommen die eher zustande, weil Leute ins Wasser gehen, die nicht schwimmen können, oder weil Alkohol im Spiel ist?

Ich würde keinen Hauptgrund nennen, denn es tritt unglücklicherweise alles auf. Es gibt einmal diese Selbstüberschätzung, oft hervorgerufen durch Alkohol- oder Drogenmissbrauch. Aber auch die klassischen Badeunfälle kommen vor: Jemand schwimmt und bekommt ein Problem, das am Land vielleicht völlig unproblematisch ist, im Wasser aber zum Ertrinken führen kann, zum Beispiel einen Schwächeanfall. Dann geht er einfach unter, ohne dass es irgendeiner merkt. Denn was man gemeinhin annimmt, wenn jemand wegen eines Krampfes oder so ertrinkt, dann fuchtelt er wild mit den Armen und schreit laut um Hilfe - das wird nicht passieren: Derjenige braucht den Mund zum Atmen und nicht zum Rufen, und die Arme zum Überwasserhalten und nicht zum Winken. Wir werden entsprechend geschult, damit wir solche Fälle trotzdem erkennen und an den Seen überwachen können. Dabei haben wir im Landkreis den Vorteil, dass unsere Seen grundsätzlich nicht so groß sind und dass die Seen, in denen man doch längere Distanzen schwimmen kann, wie der Steinsee, Bojen haben. Die bieten die Möglichkeit anzuhalten und sind sehr beliebt bei den Langstreckenschwimmern.

Wenn die Seen im Landkreis vergleichsweise gut zu überwachen sind, wie viele tödliche Badeunfälle gibt es hier dann?

Die Statistik zeigt, dass wir nicht viel Badetote zu beklagen haben. In den Regionen mit größeren Seen kommt das häufiger vor. Ich würde schätzen, dass es alle zwei Jahre einen Badetoten im Landkreis gibt.

Wie sollen Badende reagieren, wenn sie sehen, dass eine Person im Wasser Probleme hat?

Auf alle Fälle sofort zusätzlich Hilfe rufen, weil wenn man erst daran denkt, sobald man jemanden ans Land gerettet hat, dann ist es möglicherweise zu spät. Anschließend der Person einen schwimmfähigen Gegenstand hinwerfen. Es gibt ja überall Rettungsringe, die sind natürlich perfekt dafür, aber auch ein längerer Ast, ein Handtuch oder ein Pulli können helfen. Wenn man die Person nicht durchs Werfen erreichen kann, sollte man das Hilfsmittel schwimmend hinbringen und hinreichen, sodass sie sich festhalten kann. Dabei sollte man nie direkt die Person, die in Not geraten ist, anfassen oder so nah hinkommen, dass sie sich festhält. Weil das wird sie machen - und das ist dann kein Spaß für den Retter. Da werden Kräfte entwickelt, die man so nicht im Griff hat. Deswegen ist es wichtig, dass man immer einen Gegenstand zwischen sich und der Person hat. Dann kann man sie gegebenenfalls rausziehen und beruhigend zusprechen.

Haben Sie auch Tipps, was Badende selbst machen können, um ihr Unfallrisiko gering zu halten?

Ja, zwei Dinge: Zum einen nicht alleine schwimmen. Wenn man jemanden dabei hat, erkennt der meistens recht schnell, wenn man ein Problem hat durch das Gespräch oder an der Reaktion. Und zum anderen irgendwelche Schwimmhilfsmittel mitnehmen. Gerade bei den älteren erfahrenen Schwimmern, die fast das ganze Jahr zum See zum Schwimmen gehen, sieht man häufig, dass sie eine Schwimmnudel dabei haben. Einfach nur, weil es ein bisschen Sicherheit gibt, weil man sich daran festhalten kann, wenn man doch einmal einen Krampf kriegt.

Haben Sie genügend Personal bei der Ebersberger Kreiswasserwacht?

Wir sind definitiv nicht überbesetzt. Es kommt sogar vor, dass einzelne Wachen ausfallen müssen, weil nicht genügend Personal da ist. Wir machen das ja alles ehrenamtlich und fordern eine gewisse Mindeststärke von uns selbst: Sind wir weniger als drei Personen, dann machen wir keine offizielle Wache. Normalerweise können wir unsere Wachdienste an den Badetagen schon besetzen, aber jeder, auch Quereinsteiger, ist bei uns natürlich sehr willkommen.

Was für Qualifikationen braucht man denn dann dafür?

Dafür muss man weder Langstreckenschwimmer noch Leistungsschwimmer sein. Es reicht, wenn jemand sicher schwimmen kann, weil alles andere, sprich Ausbildung und Ausrüstung, bekommt er von uns.

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SZ vom 17.06.2019/vewo
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