Auszeichnung und Auftrag:Poinger Schüler zeigen Courage

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Die Anni-Pickert-Grund- und Mittelschule wird Teil eines bundesweiten Netzwerks, das zu einem toleranten Miteinander verpflichtet. Schüler und Lehrer feiern die Verleihung von Siegel und Urkunde

Von Daniela Gorgs, Poing

Diskriminierung, Ausgrenzung und Hänseleien sind Erfahrungen, mit denen viele Kinder auf dem Pausenhof konfrontiert werden. Schulen sollten aber die Orte sein, an denen Kinder und Jugendliche einen gleichberechtigten und fairen Umgang miteinander lernen. Orte, an denen nicht nur mit Begriffen wie Rücksichtnahme, Wertschätzung, Ehrlichkeit und Respekt jongliert wird, sondern diese Werte auch gelebt werden.

Die Anni-Pickert-Grund- und Mittelschule ist so ein Ort. Dort wenden sich die Schüler seit einigen Jahren bewusst gegen jede Form von Diskriminierung. In Projekten gestalteten sie aktiv das Klima an ihrer Schule mit und entwickelten bürgerschaftliches Engagement. Am Freitag erhielten sie offiziell den Titel "Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage". Damit gehört die Anni-Pickert-Grund- und Mittelschule jetzt zu einem Netzwerk von deutschlandweit knapp 3000 Schulen, die sich für ein faires Miteinander einsetzen und Zivilcourage zeigen. Der Titel ist kein Preis und keine Auszeichnung für bereits geleistete Arbeit, sondern eine Selbstverpflichtung für die Gegenwart und die Zukunft.

Schüler der Klasse 7a lassen zum Abschluss des Festakts Luftballons in den Poinger Himmel steigen. (Foto: Matthias Döring)

Und doch, die Anni-Pickert-Grund- und Mittelschule erachtet diese Auszeichnung, sich künftig "Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage" nennen zu dürfen, als so bedeutsam, dass die Verleihung von Urkunde und Siegel mit einem Festakt begangen wird, an dem alle Schüler und Lehrer teilnehmen und später auch noch die Eltern dazukommen. 620 Schüler, von der ersten bis zur zehnten Jahrgangsstufe, sitzen dicht gedrängt in der Aula, als Schulleiterin Luitgard Stephan-Wagenhäuser auf die Initiative des Projekts zurückblickt. "Erinnert ihr euch noch, als in den Turnhallen der Realschule und der Seerosenschule übergangsweise Menschen, die auf der Flucht waren, untergebracht wurden?", fragt sie die Schüler. Damals, so berichtet sie weiter, sei vieles durch die Köpfe der Schüler gegangen, wie man diese Menschen unterstützen könne, die weit mehr brauchen als Stuhl und Tisch. Sie erzählt, wie groß die Aufregung im Schulzentrum gewesen sei, als plötzlich eine Turnhallenwand mit Hakenkreuzen und rassistischen Sprüchen beschmiert war. Die Schüler selbst setzten ein klares Zeichen gegen die rechten Parolen, fertigten spontan Plakate an, mit denen sie zu Weltoffenheit und Toleranz aufriefen. Luitgard Stephan-Wagenhäuser kann sich noch erinnern, wie die Schüler damals die Blechdosen, die für ein Kunstprojekt gedacht waren, nahmen und damit trommelten. "Ihr wart laut", sagt sie und lächelt.

Das neue Siegel fest in der Hand haben die Schüler derAnni-Pickert-Schule. (Foto: Matthias Döring)

Die Schulleiterin ist mächtig stolz auf ihre Schüler, die sich die benachbarten Schulen zum Vorbild genommen und selbst entschieden hatten, auch eine Courage-Schule zu werden. Die Dominik-Brunner-Realschule erwarb den Titel 2016, die Seerosenschule ein Jahr später. Die Anni-Pickert-Schüler Lydia Hoffer, V2, und Janik Mentrup, 10 a, berichten, wie sie das Projekt an ihrer Schule initiierten und dafür bei ihren Mitschülern warben. 70 Prozent der Mitschüler mussten sich mit ihrer Unterschrift zu den Grundsätzen des Siegels bekennen und versprechen, aktiv zu werden gegen Gewalt und diskriminierende Handlungen.

Eine Schülerin darf die guten Vorsätze vorlesen, die sich die Kinder überlegt haben. (Foto: Matthias Döring)

Die Unterschriften hängen jetzt in der Aula unter der Decke. An der Bühnenwand kleben die guten Vorsätze wie "Wir helfen uns gegenseitig" und "Wir nehmen Rücksicht", die die Schüler auf Schilder in Apfelform schrieben. Eigentlich sollten die "Äpfel" an einem Bäumchen neben dem Rednerpult hängen, doch der wäre unter der Vielzahl der Ideen zusammengebrochen. Die Schüler filmten im vergangenen Jahr fiktive Szenen, in denen sie zeigen, wie Kinder in der Mensa oder der Turnhalle ausgegrenzt werden und wie man in solchen Fällen einschreitet und es besser machen kann.

Zudem inszenierten sie ein Theaterstück. Bürgermeister Albert Hingerl, der beim Festakt in der ersten Reihe sitzt, verfolgt die Filmpräsentation der Schüler mit großem Interesse. Die Anni-Pickert-Schüler wählten ihn als Paten aus. Hingerl wird die Schüler jetzt dauerhaft bei ihrer Verpflichtung zu einem fairen Miteinander unterstützen. Für Hingerl ist das Ehrensache. Er sei sehr stolz auf die Schüler, die für die Lokalpolitiker ein Vorbild seien. Die Gemeinde habe sich per Beschluss ebenfalls für ein Etikett gegen Rassismus ausgesprochen. Und dass in Poing ein antifaschistischer Wind weht, singen die Schüler zum Abschluss im Chor nach der Melodie von Bella Ciao: "In Poing tanzt der Bär, wir hören zu und bleiben fair."

© SZ vom 01.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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