Auszeichnung in Ebersberg:Vier aus Siebenundziebzig

Viola Poschenrieder-Schink, Sebastian Müller, Karin Nahr und Horst Siegel erhalten bei der Finissage der Ausstellung "Reproduktion" des Kunstvereins die Publikumspreise

Von Michaela Pelz, Ebersberg

"So oft kann ich gar nicht herkommen, dass ich mich an diese Treppe gewöhnen würde!" stöhnt lachend eine Besucherin, nach ihrem Balanceakt über die gusseiserne Wendeltreppe, die das "Studio an der Rampe" mit der Säulenhalle der Alten Brennerei verbindet, in der an diesem Sonntag die jährliche Mitgliederausstellung des Kunstvereins Ebersberg mit dem Motto "Reproduktion" zu Ende geht. Doch um sämtliche Einreichungen von 77 Künstlerinnen und Künstlern aus den Reihen der etwa 270 Mitglieder unterzubringen, werden auch diese oberen Räume benötigt.

"Es ist eine wichtige Sache, dass alle im Verein sich zeigen können. Darum hat die Mitgliederausstellung so einen hohen Stellenwert. Allerdings hatte man früher aufgrund der unterschiedlichen Arten von Arbeiten das Problem, dass sie nicht aufeinander abgestimmt waren", erläutert der Vorsitzende Andreas Mitterer. Deswegen habe man dieses Jahr unter Mitwirkung der Mitglieder erst Vorschläge gesammelt und dann per Abstimmung mit "Reproduktion" eine inhaltliche Klammer gefunden, mit der am Ende sowohl die Kunstschaffenden selbst als auch das Publikum sehr zufrieden gewesen seien. 590 Besucher fanden den Weg in die Galerie, um die 170 Exponate zu bestaunen. Sie alle hatten die Möglichkeit, ihre Stimme für die drei Publikumspreise abzugeben.

Dies tun viele noch schnell zu Beginn der Finissage, während sich Mitterer bereit macht für die abschließende Führung mit Künstlergespräch. Dabei besteht nicht nur die Möglichkeit, die "rund 70 verschiedenen Variationen" bei der Umsetzungen des Themas in den vier Räumen noch einmal genau zu studieren, sondern einige der Anwesenden liefern obendrein kurzweilige Anekdoten rund um ihr Schaffen.

Mit dem Ausschnitt eines großformatigen Bildes von Cordula Utermöhlen geht es los. Der ist nämlich in Form eines Teppichs zum benutzbaren Bodenobjekt geworden - klar, dass zu den meist gestellten Fragen gehört: "Darf man sich da wirklich draufstellen?" Interessant auch die Entstehungsgeschichte der "Shopping Queen" von Martina Groß: Erst gab es die Figur, dann bekam sie eine Tasche an die roten Hörner und ganz zuletzt folgte das aus dieser luftig-leicht entschwebende Geld. Was man natürlich ebenso als Konsumkritik begreifen könne, wie sie auf Nachfrage erklärt. Auch "Hoffnung auf Hilfe" von Elisabeth Menzinger hat einen ernsten Hintergrund: Die unzähligen, verarbeiteten Tablettenblister stammen "leider von jemandem, der das braucht". Für Heiterkeit sorgt hingegen Björn Nonhoffs Bekenntnis, dass er sein "Farbenflüchtig" eher "quick and dirty" erst einen Tag vor Abgabeschluss gemalt habe, weil die eigentlich geplante technische Reproduktion nicht rechtzeitig bei ihm eingetroffen sei.

Nach der Führung folgt die Preisverleihung, bei der sich aufgrund von Stimmengleichheit sogar vier Künstler über das seit etlichen Jahren vom Gewinnsparverein der Spardabank ausgelobte Preisgeld freuen dürfen: Ihr "Fuss" - im Original aus Draht geformt und dann als stark vergrößerte, mit Wachs überzogene Zeichnung in Öl, Tinte und Acryl nachgebildet - bringt Viola Poschenrieder-Schink den ersten Platz und 300 Euro ein. Das Körperteil hat sie aus der Vorstellung modelliert, die Zeit, dafür Modell zu sitzen, hätte ein Mensch wohl nicht aufgebracht. Den zweiten Platz und 250 Euro gibt es für Sebastian Müllers "Zenmaschine" und die dazugehörigen Drucke, die an japanische Ensō-Kalligraphie erinnern. Der Druckstock aus Gusseisen und Lindenholz ist eigentlich ein Flaschenzug - von den Kindern des Bildhauers und Schreinermeisters hinter dem Haus gefunden. 200 Euro und den dritten Platz teilen sich Karin Nahr für die Gesichter von "Margit, Leila und Abdullah" auf Fliesen und als Wachsgravur sowie Horst Siegel für "Eine Fliege". Die Anfertigung der 105 mal 80 Zentimeter großen Buntstiftzeichnung, die eine im eigenen Garten fotografierte Pfingstrose nebst Insekt zeigt, hat von Februar bis kurz vor Ausstellungsbeginn im November gedauert.

KVE Mitgliederausstellung Publikumspreis

KVE Mitgliederausstellung Publikumspreis (c)HR ArchivNr: 19hr0986_04 / 22.12.2019 / Ebersberg, Kunstverein, Galerie in der Alten Brennerei. Mitgliederausstellung, Finissage mit Verleihung des Publikumspreises. hier: Sebastian Müller (2.Preis), Luci Ott (Projektltg.), Viola Poschenrieder-Schink (1.Preis), Horst Siegel (1/2 des 3. Preises), Andreas Mitterer (1.VS KVE),

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Direkt nach der Preisverleihung beginnt eine große Geschäftigkeit: Bilder werden abgehängt, Objekte vorsichtig in Kofferräume bugsiert und Arnd Christian Müllers Kleiderbügel-Installation in Windeseile auseinandergenommen, was in deutlichem Kontrast zu den im Künstlergespräch beschriebenen Schwierigkeiten beim Aufbau steht. Wenige Meter vor der Treppe steht nach wie vor majestätisch Robert Gockners 400 Kilo schwerer Stein-"Gollum" im Raum - er wurde per Traktor angeliefert.

Und trotz aller Aktivitäten liegt ein adventliches Gefühl in der Luft - gut, vielleicht würden manche den Vorboten der gleich stattfindenden Weihnachtsfeier auch ganz profan Glühweinduft nennen.

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