Auszeichnung:Im Dienst der Demokratie

Der 19. Fortunat-Weigel-Preis geht an das Integrationstheater im Alten Kino. Einen Sonderpreis vergibt die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft an Klaus Breindl, den Initiator des Vaterstettener Carsharings

Von Alexandra Leuthner, Ebersberg

Bis zum letzten Platz war der Alte Speicher gefüllt am Donnerstagabend, als die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) im Landkreis Ebersberg zur 19. Verleihung des Fortunat-Weigel-Preises geladen hatte. Dass der Saal ausverkauft war, mag zum einen an der guten Tradition liegen, die seit 30 Jahren gepflegt wird: Mit dem Preis werden lokale Initiativen geehrt, die sich in besonderer Weise um die Demokratie verdient gemacht haben. Zum anderen lag es aber am Auftritt von Konstantin Wecker, der mit seinem musikalischen Begleiter Jo Barnikel nach Ebersberg gekommen war. Auch der Auftritt des Liedermachers stand in guter Tradition: 1984 hatte er ein Benefizkonzert in Zorneding gegeben; der Erlös war der Grundstock für die Initialisierung des Preises gewesen.

Eine ganz besondere Initiative, erklärte Vorstandsmitglied Rolf Bauman in seiner Laudatio, erhalte in diesem Jahr den mit 1000 Euro dotierten Hauptpreis: das Integrationstheater, ein integratives Kunstprojekt, das in diesem Jahr zwölf Migranten aus sieben Nationen unter der Leitung der Theaterpädagogin Friederike Wilhelmi im Alten Kino auf die Beine gestellt hatten. Beeindruckt habe die Jury, dass hier nicht eine Geschichte über Migranten erzählt wurde, sondern dass diese selbst Hauptpersonen und Ideengeber waren. Dreimal hatte die Gruppe das aus einzelnen Szenen zusammengesetzte Stück aufgeführt, in denen es vor allem um das Aufeinandertreffen der Kulturen ging. Die Leistung des Alten-Kino-Teams, welches die Flüchtlinge aus Mali, Sierra Leone, Eritrea, Libyen, Somalia, Afghanistan und Syrien trotz deren Schwierigkeiten persönlicher und organisatorischer Art bei der Stange gehalten hatte, sei dabei enorm gewesen, erzählte Baumann.

Auszeichnung: Das Integrationstheater, ein Kunstprojekt des Alten Kinos unter der Leitung der Theaterpädagogin Friederike Wilhelmi, wird mit dem Hauptpreis ausgezeichnet.

Das Integrationstheater, ein Kunstprojekt des Alten Kinos unter der Leitung der Theaterpädagogin Friederike Wilhelmi, wird mit dem Hauptpreis ausgezeichnet.

(Foto: Christian Endt)

Einen mit 500 Euro dotierten Sonderpreis überreichte GEW-Vorstandsmitglied Ilke Ackstaller an Klaus Breindl, bekannt in seiner Heimatgemeinde Vaterstetten - und längst auch darüber hinaus - als "Mister Carsharing". Breindl hatte sich vor einem Vierteljahrhundert dafür eingesetzt, eine Autoteiler-Organisation in Vaterstetten einzuführen, gegen alle Widerstände. Gerade in ländlich strukturierten Bereichen hatte man sich mit dem Prinzip des Autoteilens ja lange schwer getan, inzwischen habe das Vaterstettener Modell Schule gemacht, in neun Gemeinden im Landkreis haben sich Carsharing-Initiativen gebildet. Damals, vor 25 Jahren allerdings, so Ackstaller, sei das eine fast "revolutionäre Idee" gewesen, die Breindl umsetzte - mit anfangs einem Auto und fünf Mitgliedern. Heute seien es 19 Autos und 350 Fahrer, die sich am Vaterstettener Carsharing beteiligen, was bedeute, "dass viel weniger Autos herumstehen" und viel überlegter gefahren werde.

Klaus Breindl, der vor 27 Jahren bereits als Mitinitiator der Vaterstettener "Müllbremse" von der GEW ausgezeichnet worden war, gehört damit so wie die beiden GEW-Vorstandsmitglieder Ilke Ackstaller und Rolf Baumann zu denjenigen, die die Geschichte des Fortunat-Weigel-Preises von Anfang an begleiteten. Zu Beginn der 1980er Jahre hatte der Kreisverband der Bildungsgewerkschaft einen Wettbewerb für ein Friedensmahnmal ausgeschrieben, quasi als Gegenpol zu den Kriegerdenkmälern in den Gemeinden, erklärte Baumann. Doch dann war man mit der Suche nach einem Standort gescheitert, keine Gemeinde wollte das Mahnmal, bestehend aus einem mit Standarten gespickten Rad, das einen Menschen überrollte, bei sich haben. Als schließlich im Kirchseeoner Gemeinderat der Satz gefallen sei, dass durch ein Friedensmahnmal das "durch Blut geheiligte Kriegerdenkmal entweiht" würde, gaben die Gewerkschaftsvertreter auf und lobten stattdessen den seither alle ein bis zwei Jahre vergebenen Preis aus und benannten ihn nach ihrem 1986 verstorbenen Vorstandsmitglied Fortunat Weigel.

Auszeichnung: Preisträger Klaus Breindl.

Preisträger Klaus Breindl.

(Foto: Christian Endt)

Der Lehrer aus Vaterstetten, der am Grafinger Gymnasium unterrichtete und später in Vaterstetten verantwortlich für den Aufbau der Volkshochschule war, hatte sich den Ruf erworben, sich mit ehrlichem Mut autoritären Strukturen des Systems entgegen zu stellen und sich in vieler Hinsicht für die Stärkung der Demokratie einzusetzen. Der Lehrer war 1968 aus Empörung über die Maßregelung eines diskussionsfreudigen Schülers in die Gewerkschaft, kurz darauf in die SPD eingetreten. Er wurde für die Sozialdemokraten in den Vaterstettener Gemeinderat gewählt und bekam für seine Verdienste in der Erwachsenenbildung 1980 das Bundesverdienstkreuz verliehen. Im April 1981 gab er es wieder zurück, aus Protest gegen den damaligen Bundespräsidenten Karl Carstens: Er hatte Pastoren kritisiert, die sich für die Friedensbewegung engagierten. "Von einem Präsidenten, 'der das Wort Pazifismus als Schimpfwort benutzt', will Weigel keine Urkunde", schrieb Der Spiegel im Februar 1982.

Mit der Veranstaltung am Donnerstag im Alten Speicher könnte nun die lange Geschichte des Fortunat-Weigel-Preises, in deren Verlauf Künstler wie Dieter Hildebrandt, Bruno Jonas, die Biermöslblosn, Gerhard Polt, Erwin Pelzig, Georg Schramm, Hagn Rether oder Jörg Hube nach Ebersberg und in die Stadthalle Grafing gekommen waren und einen Teil ihrer Einnahmen immer zur Verfügung gestellt hatten, nun zu Ende gehen. Die Vereine Ausländerhilfe in Ebersberg, "Frauen helfen Frauen" oder die Tauschzentrale Ebersberg/Grafing gehörten zu den Preisträgern, ebenso wie die Gomelhilfe in Poing, die Projektgruppe "Vergessener Widerstand" des Gymnasiums Markt Schwaben, der Christophorus-Hospiz-Verein und viele mehr. Aber "wir sind in die Jahre gekommen", sagte Ilke Ackstaller. Der Aufwand, immer wieder neue Preisträger aufzutun, sei groß - was nicht daran liege, dass es keine förderungswürdigen Kandidaten gebe. Manchmal sei es schwer gewesen, sich zu entscheiden. Dass es gerade in Zeiten wie diesen, in denen die jüngste Bundestagswahl klar mache, dass demokratisches Bewusstsein immer noch nicht in allen Köpfen verankert sei, solche Anreize und Auszeichnungen brauche, sehe sie auch. Aber es sei nun an der Zeit, die Aufgabe in jüngere Hände zu legen - wie auch die Vorstandsgeschäfte in der Kreisgruppe der GEW.

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