Süddeutsche Zeitung

Auszeichnung für Frido Hohberger:Transparenz und Geheimnis

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Für seine faszinierenden Kohlezeichnungen von Quallen und Samenpollen wird der Tübinger Künstler Frido Hohberger mit dem Kunstpreis des Landrats ausgezeichnet

Von Rita Baedeker, Ebersberg

Quallen sind wunderbare Wesen - im Bild, nicht im Meer, sagt Frido Hohberger. Das aus Gallertmasse bestehende Meerestier aus uralten Zeiten, "so schön und gleichzeitig so ekelhaft", ist das Motiv einer seiner Zeichnungen, für die der 66-jährige Künstler aus Tübingen bei der am Samstag eröffneten Jahresausstellung des Kunstvereins Ebersberg den mit 1500 Euro dotierten Kunstpreis des Landrats Robert Niedergesäß erhielt. Das großformatige Porträt der mit Kohle gezeichneten Qualle vereint in meisterhafter Weise Schönheit, Transparenz und Geheimnis einer Spezies, die, so Hohberger, uns Menschen wohl alle überleben werde.

Als zweites Werk hat er Samenpollen gezeichnet, stachlige Monster, die in der an wissenschaftliche Skizzen erinnernden Vergrößerung aussehen wie die Schalen von Kastanien. Beiden Lebewesen hat er eine geometrische Form hinzugefügt. Zur Qualle gesellt sich eine weiße Ellipse, zu den Pollen ein gelbes hohes Rechteck. Das Wort Ellipse, so erklärt Hohberger die Ergänzung, bedeute Aussparung. Die Ellipse neben der Qualle beschreibe einen Fleck weißen Papiers und bilde eine Analogie zur organischen Form der Qualle, eine Verbindung zwischen der Ästhetik der Natur und der Schönheit der Geometrie, die von Menschen erdacht wurde. Logik könne schön sein und Schönheit logisch.

Bei dem Pollenbild hat das Farbfeld eine andere Bedeutung. Hier soll angespielt werden auf den Maßstab, der üblicherweise bei stark vergrößerten Bildern oder Zeichnungen eines Objekts oder Lebewesens angegeben wird, damit man weiß, wie groß oder klein das Ding tatsächlich ist. "Ich denke mir das so aus, es ist die visuelle Lust an der Gegensätzlichkeit", sagt Hohberger.

Diese Lust an der Gegensätzlichkeit äußert sich bei ihm auch, wenn er im Gericht sitzt und Köpfe zeichnet. "Für mich ist das wie ein Sport, das schnelle Erfassen und Wahrnehmen von Menschen und Situationen", sagt der Künstler. Auf zahlreichen seiner Porträts entdeckt man jedoch irrlichternde Schlieren und Striche - sie wirken wie Störfeuer, wie ein Akt mutwilliger Zerstörung. "Es muss der Kunst immer eine Prise Hässlichkeit beigemischt werden, damit Aufmerksamkeit, Neugier und Erkenntnisinteresse entsteht", sagt Hohberger in einem Interview mit der Tübinger Unizeitung attempto.

Seit vielen Jahren befasst er sich mit den anatomischen Sammlungen der Uni. Er lässt sich nicht nur von ihnen inspirieren, sondern er baut auch Ausschnitte aus wissenschaftlichen Zeichnungen in seine Bilder ein. "Die Schönheit wird erst dann richtig schön, wenn sie gepaart ist mit der Vergänglichkeit".

In Tauberbischofsheim geboren, sei er nur zwei Mal dort gewesen - "bei der Geburt und später einmal zusammen mit meiner Mutter". In Tübingen ist er aufgewachsen und zur Schule gegangen. Später hat er an der Stuttgarter Kunstakademie Freie Malerei studiert. "Meine Familie war von meinem Wunsch, Künstler zu werden, nicht angetan", berichtet er. In Wahrheit war er der Kunst längst verfallen. Schon als fünfjähriger Bub habe er Figuren wie Fix und Foxi aus Comicheften abgezeichnet. "Ich bekam Geld dafür, das war ein tolles Erfolgserlebnis. In der Schule war Zeichnen das Einzige, was ich gut konnte."

Während sich andere Teenager Poster aus der Zeitschrift Bravo ins Zimmer hängten, dekorierte er sein Zimmer mit Abbildungen aus einer Heftreihe für Kunstgeschichte. "Die Bilder waren sehr wichtig für mich." Noch heute besucht er gerne Ausstellungen, schätzt er besonders die Rembrandtschen Zeichnungen, die in seinen Augen hochmodern sind. "Es ist dem Menschen gegeben zu zeichnen, so wie ihm auch die Sprache und das Prinzip des ,disegno', der künstlerischen Idee und des geistigen Konzepts gegeben ist", sagt Hohberger. Eine Zeichnung, eine Idee reifen zu lassen so wie Leonardo, sei Ausdruck des Erkenntnisprozesses.

Als Anhänger interdisziplinären Denkens kann sich Hohberger auch für Musik und Lyrik begeistern. Zu Gedichten von Eva-Christina Zeller etwa macht er die Zeichnungen. Den Tübinger Dichter Friedrich Hölderlin schätzt er wegen dessen Geistesblitzen. "Ab und zu gehe ich in den Hölderlin-Turm." Die Musiker allerdings beneide er. In der Rangordnung der Künste stehe die Musik ganz oben, "sie spricht das Gefühl an und ist doch geordnet wie die Mathematik".

Über den Preis freut er sich "wie ein Schneekönig". Vor ein paar Jahren war er schon mal Gast einer Ausstellung im Kunstverein Ebersberg, denn er ist befreundet mit der Malerin Maja Ott. Dieses Mal stellt er zum ersten Mal in Ebersberg aus. Die Jury ist ihm unbekannt. Von Kunstvereinen hält er im Übrigen eine ganze Menge. "Sie machen Kultur jenseits vom Markt möglich und haben für uns Künstler große Bedeutung."

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SZ vom 07.03.2016
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