Ausstellung:Wenn der Bäcker ruft

Das Museum Wasserburg beleuchtet die Geschichte von Anisbrödle, Spekulatius und Co.

Von Theresa Parstorfer

Gefährlich und geschickt zugleich ist es, eine Vernissage mit dem Versprechen auf ein Buffet für Naschkatzen zu bewerben. Heißt eine Ausstellung jedoch "Plätzchenduft liegt in der Luft" wie die Sonderausstellung, die nun im Heimathaus in Wasserburg zu sehen ist, sollte eine entsprechende Bewirtung freilich Programm sein. Gesteckt voll war denn auch der Raum im hinteren Teil des Museums, in dem ein Rundgang aus Schautafeln und Vitrinen die Geschichte der Weihnachtsbäckerei darstellt. Während draußen nasskalter Novemberwind blies, sorgten zwei mit selbstgebackenen Spezialitäten und funkelnden Kugeln geschmückte Weihnachtsbäume und adventliche Kammermusik mit Hackbrett, Harfe und Flöte der Familie Geiger für eine wohlig, warme Stimmung.

Die gefährliche Seite eines Abends voller Vanillekipferl, Lebkuchen und Kletzenbrot, so Bürgermeister Michael Kölbl, zeige sich jedoch wohl erst am nächsten Morgen beim Schritt auf die Waage. Diese Aussicht wurde vom Publikum mit zustimmendem wohlwollendem Lachen quittiert. Dass die Backkunst von Kuratorin Sonja Fehler dann aber vor allen Dingen als eine kulturgeschichtliche Tradition beleuchtet wurde, ließ den kalorischen Gehalt der Naschereien schnell wieder in den Hintergrund treten.

Fehler erinnerte sich, wie überrascht und zögerlich das Team angesichts ihrer Idee einer Ausstellung zur weihnachtlichen Backkunst gewesen war: "Was sollen wir denn da zeigen?", habe man gefragt. Die liebevoll mit Unterstützung anderer Museen sowie örtlicher Sammler, Künstler, Bäcker und nicht zuletzt von Schülern der Realschule entstandene Ausstellung jedoch beweist nicht nur, dass Einiges gezeigt werden kann, sondern auch, wie vielschichtig, interessant und unvermutet die Geschichte von Spekulatius, Lebkuchen und Co. ist. Die Exponate reichen von romantischen wie riesenhaften Stollenhauben über nostalgische Lebkuchendosen und alte Ausstechformen bis hin zu atemberaubend feinen "Modeln" für das traditionelle Springerle-Gebäck.

Heimatmuseum Wasserburg Die Geschichte der Weihnachtsbäckerei Sonderausstellung

Zahllose Darstellungen und historische Exponate zeigt das Museum Wasserburg in seiner gelungenen Sonderausstellung.

(Foto: Veranstalter)

Kurze, anschauliche Texte erklären die Herkunft und Entwicklung von Gebäckstücken und Praktiken, die jeder kennt - und doch niemand mehr hinterfragt. Wer hätte beispielsweise gedacht, dass sich die erste Erwähnung eines Stollens auf 1329 datieren lässt? Der Bischof von Naumburg hatte der dortigen Bäckerzunft ein bestimmtes Privileg eingeräumt, und als Dank dafür bekam der Bischof forthin jedes Jahr an Weihnachten zwei sieben Kilo schwere Stollen geliefert. Oder auch, dass Lebkuchenhäuser als ein Symbol für das Schlaraffenland gesehen werden können?

Generell könne die Geschichte der Plätzchen als Spiegel der Zeit interpretiert werden, so Fehler: Während im Mittelalter das beliebte Honiggebäck noch recht schlicht lediglich aus 50 Prozent Mehl und 50 Prozent Honig bestand, kam es im 17. Jahrhundert dank erweiterter Handelsrouten zu einer wahren Geschmacksexplosion, da Gewürze wie Zimt, Kardamom und auch Vanille in die deutsche Küche Einzug hielten. Vanille wurde übrigens aus einer besonderen Orchideenart gewonnen, bevor es 1874 dem Chemiker Wilhelm Haarmann gelang, ein künstliches Aroma herzustellen und Dr. Oetker das zuerst skeptisch aufgenommene Substitut populär machte.

Für begeisterte Gewürzforscher hat die Ausstellung auch Interaktives zu bieten: An einer Riechstation kann man nicht nur raten, welche Gewürze sich in kleinen Metalldosen befinden, sondern auch mithilfe einer großen Weltkarte samt Schnüren herausfinden, woher die heute selbstverständlich in jeder Speisekammer vorrätigen Aromen eingeschifft werden mussten.

Geprägt wurde die deutsche Plätzchenkunst, wie viele Dinge des noch heute alltäglichen Lebens, in der Biedermeierphase: Erst im 19. Jahrhundert entwickelte sich Weihnachten zum Fest der Familie - und fortan fiel Hausfrauen die Aufgabe zu, den winterlichen Plätzchenteller zu bestücken, wobei die Rezepte oftmals gleich kleiner Schätze als Familiengeheimnis gehütet wurden.

Heimatmuseum Wasserburg Die Geschichte der Weihnachtsbäckerei Sonderausstellung

In den Darstellungen und Exponaten geht es um weihnachtliche Backkunst.

(Foto: Veranstalter)

Bei allem Anschein von heiler Welt und gemütlicher Häuslichkeit darf jedoch nicht vergessen werden, dass Backen vor 200 Jahren nicht unbedingt entspannender Zeitvertreib für einen verschneiten Adventssonntag war. Ganz im Gegenteil: Zum Beispiel musste am Stück gekaufter Zucker erst einmal mit einem speziellen Messer geschnitten und anschließend in einem Mörser gemahlen werden, die Ausstellung zeigt Anschauungsexemplare. Darüber hinaus war der Besitz eines eigenen Backofens ein Privileg, das sich nicht jede Familie leisten konnte. Deshalb gab es eine bestimmte Zeit am Tag, zu der die Bäckermeister es Hausfrauen erlaubten, mit der Restwärme ihrer Öfen die Kuchen und Plätzchen für ihre Privathaushalte zu backen. Diese Zeit wurde durch ein bestimmtes Signal im Dorf angekündigt - deshalb singen die Kinder auch heute noch "Backe, backe Kuchen, der Bäcker hat gerufen".

Übrigens dürfte die Sorge des Bürgermeisters um die morgendliche Gewichtskontrolle unbegründet gewesen sein: Aufgrund des Andrangs bei der Eröffnung waren die dekorativ neben Weihnachtssternen und Brezenkörben angerichteten Plätzchen und Lebkuchen im Handumdrehen verzehrt, jeder Gast musste sich mit einem oder zwei schon zufriedengeben.

"Plätzchenduft liegt in der Luft", Ausstellung im Museum Wasserburg bis 6. Januar, dienstags bis sonntags von 13 bis 16 Uhr, an den Adventswochenenden freitags bis sonntags bis 18 Uhr.

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