Kunst:Peter Casagrande stellt in Rosenheim aus

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Für Peter Casagrande ist es eine große Freude, Werke seiner italienischen Künstlerfreunde um sich zu haben. (Foto: Veranstalter/oh)

Der Maler aus Maitenbeth stellt mit sechs italienischen Künstlerfreunden in der Städtischen Galerie Rosenheim aus. Vernissage ist am Donnerstag.

Von Anja Blum, Rosenheim

Casagrande. Was für ein Name! Wie wunderbar geschmeidig im Klang, wie großartig in der Bedeutung: großes Haus. Das weckt doch Assoziationen... Passende zumal, da der Künstler, der diesen Namen trägt, das ausladende Format zu seinem Markenzeichen erkoren hat. Und doch handelt es sich hier nicht um ein Pseudonym:

Ein poetisches Boot von Italo Lanfredini. (Foto: Veranstalter/oh)

Peter Casagrande ist 1946 in Weilheim tatsächlich als solcher geboren, er ist der Sohn einer Berlinerin und eines Italieners. Eine Mischung, die den Künstler aus Maitenbeth schon sein Leben lang begleitet, deswegen legt er Wert darauf, dass sein Name beide Anteile verdeutlicht. "Ich heiße Peter, nicht Pietro, das ist mein deutscher Aszendent", sagt er und lacht.

Bereits seit 40 Jahren lebt Casagrande in dem beschaulichen Maitenbeth, doch immer wieder zog und zieht es ihn nach Italien. Vor dem Umzug in die Gemeinde im Landkreis Mühldorf zum Beispiel verbrachte er mehrere Jahre auf einem Bauernhof in der Toskana, in dessen Abgeschiedenheit er nach einer wilden Zeit in Berlin - samt Kommune und Filmstudium - wieder zu sich und zur Malerei fand. "Ich brauche dafür einfach Ruhe und keine Zwänge, das ist bis heute so", sagt er.

Außerdem seien Maler damals in der hochpolitisierten Kulturszene Berlins absolut verschrieen gewesen, vor allem solche wie er, die sich Landschaften widmeten - und seien sie noch so abstrahiert. "Das war damals für die meisten der Inbegriff einer Flucht vor der Wirklichkeit, wir waren die ,Malerschweine'." Also flüchtete Casagrande tatsächlich, und zwar zu seinen Wurzeln in Italien - und an der Leinwand.

Zum Glück, möchte man sagen, denn seitdem hat die Malerei Casagrande nicht mehr losgelassen. Er nahm sein Studium an der Akademie in München wieder auf, gründete das "Künstlerkollektiv Maitenbeth", erhielt ein Stipendium der Stadt München und den Förderpreis des Landes Bayern. Heute gehört er zu den angesehensten deutschen Künstlern unserer Zeit.

Bemerkenswerte Zeitzeugnisse aus dem Italien der 50er Jahre - Bilder aus dem Archiv des Filmemachers Franco Piavoli. (Foto: Veranstalter)

"Ein Projekt, auf das sehr lange hingearbeitet wurde"

"Seine farbintensive Kunst im über-großen Format beeindruckt, belebt, begeistert. Energetisch schüttet, spachtelt und schiebt er die Ölfarbe über die großformatige Leinwand und bündelt dabei in Form und Farbe die Wucht des Abstrakten zu einem bewegenden Raumerlebnis, in dem sich die Betrachtenden verlieren können und sollen", schreibt die Städtische Galerie Rosenheim.

Dort nämlich wird am Donnerstag, 20. September, um 19 Uhr eine Ausstellung eröffnet, deren Initiator Peter Casagrande ist: Unter dem Titel "Rosenheim-Mantova" legt er hier seine enge Verbindung zu Italien offen, setzt sein eigenes Werk in Beziehung zu jenem von sechs Künstlerfreunden aus dem norditalienischen Raum. Eine lange Geschichte gehe diesen persönlichen Kontakten voraus, viele Projekte und Ausstellungen in diversen Besetzungen, gegenseitige Wertschätzung, sagt Casagrande.

Die grazile Fotografie Antonella Gandinis. (Foto: Veranstalter/oh)

"Ich finde es sehr schön, wenn sich Künstler langsam vernetzen - wie lauter kleine Keime, die irgendwann zu blühen beginnen." Die Zusammenstellung der Rosenheimer Schau nun sei eine Premiere, "ein Projekt, auf das sehr lange hingearbeitet wurde". Peter Casagrande entwarf diese besondere Ausstellung gemeinsam mit Italo Lanfredini, Antonella Gandini, Carlo Bonfà, Giancarlo Bargoni, Franco Piavoli und Roberto Pedrazzoli, allesamt aus der Lombardei.

Als der "italienischste aller deutschen Maler" wurde Casagrande einmal bezeichnet, ein Titel, der den Künstler laut auflachen lässt. Und doch scheint darin etwas Wahres zu liegen, so sehr schwärmt er von der mediterranen Kunst.

Bunte Koffer von Carlo Bonfà. (Foto: Veranstalter/oh)

Sie durchwehe einfach ein anderer, nämlich hochpoetischer Atem, den man hierzulande nur sehr selten wahrnehmen könne. Die Installationen von Lanfredini etwa seien dafür ein gutes Beispiel: Er zeige in Rosenheim einen archaischen, hölzernen Einbaum, gefüllt mit Amphoren, in denen Lyrik aus aller Welt verewigt sei. "Boot der wertvollen Essenzen", lautet der Titel.

"Die formale Strenge wird hier einfach gerne aufgelöst, es gibt eine freiere Handhabung mit Material und Form", sagt Casagrande über die italienische Kunstszene. Frei, geradezu exzessiv ist auch sein eigener Umgang mit Farbe - und doch gehe er sehr konstruktiv vor, sagt er, jede Komposition sei fein austariert. "Das ist mein deutscher Anteil, mein Standbein. Italien ist das Spielbein."

Das Austauschprojekt in der Rosenheimer Galerie möchte mit einer Mischung aus unterschiedlichsten künstlerischen Positionen und Disziplinen überzeugen: "Satte, wilde Farbexplosionen auf meterhohen Leinwänden; spannende Installationen, die aus Naturmaterialien wie Holz, Terrakotta oder Marmor erwachsen, treffen auf dicht geflochtene Typografie-Collagen und feinsinnige Fotografie." So möchte die Gruppe den Blick über die Alpen hinweg auf die Kunst und das Lebensgefühl in der italienischen Po-Ebene öffnen.

Ein imposantes Werk von Casagrande schwebt über dem Einbaum von Lanfredini. Es ist vor einem Jahr in der Kunsthalle Schweinfurt entstanden. Dort schuf er sein bisher größtes Werk, sieben mal zehn Meter misst es. Mal wieder ein Work-in-progress-Projekt: Fünf Wochen war der Künstler in der Halle zugange, Besucher konnten ihm beim Malen auf der Hebebühne zusehen. Das gesamte Schweinfurt-Ensemble freilich hätte die Rosenheimer Galerie gesprengt, doch drei Tafeln sind dort nun zu sehen. "Diese mit Lanfredinis Installationen zu kombinieren, war mir ein echtes Bedürfnis", sagt Casagrande.

Besonders freut er sich auch über die Teilnahme von Franco Piavoli, 84 Jahre alt. Gezeigt wird unter anderem sein preisgekrönter Film "Il Pianeta Azzurro - Der blaue Planet", und zwar am Freitag, 26. Oktober, um 19 Uhr: Ganz im Zeichen des Wassers beschreibt Piavolis Werk, das im Valbruna zwischen Brescia und Mantua gedreht wurde, den Kreislauf des Lebens: "Im Lauf der Jahreszeiten setzt sich der Mensch mit der Natur und somit auch mit den essenziellen Momenten seines eigenen Daseins auseinander: mit der Kindheit, der Liebe, dem Essen, der Arbeit, der Mühsal".

Eine "Poetische Führung" hingegen, in deren Zentrum Lanfredinis "Boot der wertvollen Essenzen" steht, kann man am Freitag, 5. Oktober, um 19 Uhr erleben: Eine Auswahl der Texte wird im Original gelesen, aber auch Übersetzungen soll es geben. Anschließend führt Kurator Casagrande durch die Ausstellung, genauso wie bei einer "Künstlerführung" am Sonntag, 4. November, um 14 Uhr.

Ausstellung "Rosenheim-Mantova: Peter Casagrande und lombardische Künstlerfreunde" in der Städtischen Galerie Rosenheim, Vernissage am Donnerstag, 20. September, um 19 Uhr, zu sehen bis 4. November.

© SZ vom 19.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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