Ausstellung:Schönheit per Schicksal

Erstmals entscheidet der Zufall über die Gestaltung der Mitgliederausstellung des Ebersberger Kunstvereins

Von Anja Blum

Vielleicht kann der Zufall Frieden stiften? So die Hoffnung des Ebersberger Kunstvereins. Seit Jahren hadert der Zusammenschluss der Kreativen im Landkreis mit seiner Mitgliederausstellung. Denn einerseits ist die jährliche Schau als freies Podium für alle Mitglieder - jeder darf ein Werk seiner Wahl einreichen - sehr beliebt. Andererseits jedoch stellt sie die Verantwortlichen stets vor die große Herausforderung, aus höchst unterschiedlichen Arbeiten eine Ausstellung zu kreieren, die stimmig ist und zugleich allen Arbeiten gerecht wird. Die Quadratur des Kreises, sozusagen.

Ausstellung: Das "Buntstiftbild" von Miguel Lopez.

Das "Buntstiftbild" von Miguel Lopez.

(Foto: Christian Endt)

Um dieser zumindest näher zu kommen, hat der Verein die Verantwortung heuer zu einem Großteil abgegeben, und zwar an den Zufall: Das ganze Procedere nämlich stand unter dem Motto "Die Ersten werden die Letzten sein - oder umgekehrt?", sprich: Die Hängung sollte sich nach dem Zeitpunkt der Einreichung richten. Und das ist nun - bis auf ganz wenige Ausnahmen - auch geschehen. Judith Jansen aus München hat ihre Zeichnungen als Erste abgegeben, sie hängen gleich links vom Eingang in die Alte Brennerei. Ganz zuletzt, kurz vor Schluss, stand die Grafingerin Verena Ditterich, auf der Matte, ihr abstrakter Farbrausch "Umbruch" hat rechts neben der Tür ihren Platz gefunden. "Wir sind bei der Hängung einfach der Reihe nach durch die Räume gegangen - und es hat super gepasst", sagt Projektleiterin Martina Brenner, "wir sind genau am Anfang wieder rausgekommen".

Ausstellung: 87 Künstler zeigen ihre Arbeiten in der Alten Brennerei.

87 Künstler zeigen ihre Arbeiten in der Alten Brennerei.

(Foto: Christian Endt)

Das ist insofern erstaunlich, als dass die Ausstellungsmacher jedem Künstler exakt einen Meter Wand zugestanden hatten, diese Breite war die einzige Voraussetzung der Ausschreibung. Und die meisten Künstler haben dieses Maximum durchaus ausgereizt, sei es mit einem Werk oder gleich mehreren. "Wie hoch ist denn die Wand?", hätten einige vorab wissen wollen, erzählt Brenner, Malerin aus Ebersberg, und lacht. 87 Künstler haben heuer eingereicht, teils bis zu sieben Arbeiten. Auf die Spitze getrieben aber hat das Platzmanagement Angelika Oedingen: Die Malerin aus Glonn gab fünf Gemälde ab, jedes einen Meter breit. Vier davon wurden übereinander gehängt, sie reichen bis unter die Decke. "Nur eines haben wir nicht mehr unterbekommen."

Ausstellung: Horst Siegel hat ein "Kalb" porträtiert.

Horst Siegel hat ein "Kalb" porträtiert.

(Foto: Christian Endt)

Doch nicht nur die glückliche Fügung des Ringschlusses an der Tür der Galerie malt Brenner ein Strahlen ins Gesicht, sondern auch die Ausstellung als solche: "Wir finden, es hat sich super gefügt", sagt Hermann Schuster, Bildhauer aus Forstinning und zweiter Projektleiter. Immer wieder hätten sich schöne Entsprechungen ergeben, sei es in der Farbgebung, stilistisch oder bei den Motiven. Und es stimmt: Das Schicksal hat hier ganze Arbeit geleistet. Trotz ihrer immensen kreativen Vielfalt erschlägt diese Mitgliederausstellung den Besucher nicht, sondern lädt dank immer neuer Einsichten ein, sich mit zeitgenössischer Kunst auseinanderzusetzen. Beim Wandeln durch die Räume spürt man, dass jedes Werk seine Identität, seine Berechtigung hat - auch wenn der persönliche Geschmack vielleicht dem einen etwas mehr zugewandt ist als dem anderen. Tänzerin und Schmetterling geben ein Ensemble der Anmut, Holz kann Skulptur sein, aber nebenan auch in Form von Fragmenten überzeugen, und das Thema Flucht zieht sich fast wie ein roter Faden durch die Schau. Gleich am Eingang zum Beispiel hat Sebastian Erik Müller aus Grafing einen blauen Müllsack schwungvoll am Boden drapiert, oben drauf ein kleines weißes Papierschiffchen. Der Titel zitiert das Motto der Schau: "Die Letzten werden die Ersten sein - schönen Urlaub!".

Ausstellung: Frauke Schreiner nennt ihr Exponat "Kind".

Frauke Schreiner nennt ihr Exponat "Kind".

(Foto: Christian Endt)

Überhaupt ist heuer die hohe Dichte an Objekten und Skulpturen auffällig, die Bildhauer waren offenbar fleißig. Stein, Holz, Metall, Plastik - alles vertreten. Sogar Flechtarbeiten kann man bestaunen, Brigitte Obermeier aus Baldham hat sie geschaffen. Auf den ersten Blick erscheinen die Körbe wie 0815-Gebrauchsgegenstände, doch dann entdeckt man schnell außergewöhnliche Details: eingearbeitete Palmkätzchen, ein Hirschgeweih als Halterung, asymmetrische Formen. Ein Alleinstellungsmerkmal hat auch die Arbeit von Geraldine Frisch aus Isen, das einzige Video der Schau. Die Künstlerin präsentiert es mit reichlich Understatement, auf einem kleinen Tablet, das in einem simplen Karton versteckt liegt. Unter dem Titel "Freund sein" hat Frisch Menschen interviewt - zu stets derselben Frage: "Wann fühlen Sie sich fremd?" Die Antworten sind so unterschiedlich wie persönlich, eine nachdenklich stimmende Arbeit. Auch einige Fotografien finden sich in der Schau, Peter Baumbach aus München etwa hat die blaue Stunde über dem Flaucher per Langzeitbelichtung eingefangen: Kunstvoll kombiniert die Arbeit Lichtbewegungen und Unschärfe mit klar erkennbaren Details. Fast scheint es, als könne man die Klänge und Gerüche der Lagerfeuermeile wahrnehmen.

Ausstellung: Silvia di Natales Skulptur heißt "kopfloser Bayer".

Silvia di Natales Skulptur heißt "kopfloser Bayer".

(Foto: Christian Endt)

Der größte Anteil der Exponate aber kommt freilich aus dem Bereich der Malerei, wobei alle erdenklichen Techniken und Stile vertreten sind. Von zarten Zeichnungen - etwa Karin Nahrs maritimes Triptychon "Steg/Isel/Angler" - über kräftige Acrylgemälde - wie Sandra Nonhoffs "Farbexplosionen" - bis hin zu Collagen - zum Beispiel ein monochromes Kaleidoskop aus Blütenblättern von Anna Wiese. Das Spektrum reicht von völlig abstrakt bis hin zu reiner Gegenständlichkeit, alle Zwischenstufen inklusive.

Insofern kann man wohl behaupten, dass hier jeder eine Lieblingsarbeit finden - und damit zu einer aussagekräftigen Abstimmung über die Publikumspreise beitragen kann. Doch nicht nur das sollte Anreiz sein, der Mitgliederausstellung einen Besuch abzustatten: Laut den beiden Projektleitern gibt es heuer obendrein eine "wirklich große Überraschung".

Kunstverein Ebersberg: Mitgliederausstellung in der Alten Brennerei im Klosterbauhof, Vernissage am Freitag, 7. September, um 19 Uhr, geöffnet freitags 18 bis 20 Uhr, samstags und sonntags 14 bis 18 Uhr. Am Samstag, 15. September, 19.30 Uhr: Liedermacherin Claudia Binder, Singersongwriter-Abend am Freitag, 21. September, 20 Uhr. Finissage ist am Sonntag, 30. September, mit Künstlergespräch (14 Uhr) und Preisverleihung (17 Uhr).

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