Süddeutsche Zeitung

Ausstellung:Licht und Liebe

Die Poinger Künstlerin Natalja Herdt stellt im Atelier Orth aus. Zu sehen gibt es neben mehreren Zeichnungen die schöne Installation "Vergissdeinnicht"

Von Anja Blum

Es gibt viele Künstler, die wollen provozieren, verstören oder zumindest geheimnisvoll sein. Natalja Herdt aus Poing zählt nicht dazu. "Egal, was ich mache, am Ende wird es immer was Schönes", sagt sie, fast entschuldigend lächelnd. "Kunst aus Müll" zum Beispiel habe sie sich kürzlich als Thema gesetzt, doch anstatt die Folgen des menschlichen Konsumwahns mit einer hässlichen Skulptur anzuprangern, schuf die Künstlerin aus leeren Plastikflaschen eine ganz und gar ansprechende, filigrane Lichtinstallation. "Vergissdeinnicht" heißt sie - genauso wie die Ausstellung von Natalja Herdt, die am Samstag, 27. Oktober, im Poinger Atelier Orth eröffnet wird. Mit dieser Schau schließe sie einen Prozess, eine "blaue Phase" ab, sagt die Künstlerin, die Ausstellung sei sozusagen der Knoten, in dem nun mehrere Fäden zusammenliefen. "Schritt für Schritt fügt es sich."

Da war zunächst einmal das Projekt "Liebeslandschaften", eine Lichtinstallation, mit der Herdt die Gefühle mehrerer Menschen in einem Zeitraum von 40 Tagen visualisierte - ein leuchtendes EKG der Liebe. Jeder Teilnehmer konnte seine Empfindungen und Erlebnisse auch schriftlich festhalten, die Texte wurden dann anonym neben seiner Liebeslandschaft platziert. Zu sehen war das Ganze bei der Poinger "Nacht der Liebe" 2017. Im Frühsommer 2018 folgte ein Land-Art-Projekt: ein großes, blaues Vergissmeinnicht-Herz aus 255 einzelnen Pflanzen, gesät am Feldweg hinter den Poinger Fußballplätzen: eine hübsche, blühende Überraschung für alle Spaziergänger. Mittlerweile ist das Herz aber nicht mehr zu erkennen: Die Blumen mit den kleinen Blüten haben sich laut Herdt rundherum ausgebreitet. Wie das halt so ist, mit der Liebe...

Für die "Blaue Nacht" in Nürnberg hatte Herdt schließlich die Idee, die Brücke zur Liebesinsel mit Vergissmeinnicht zu verzieren, ein Projekt, das leider nicht zur Umsetzung kam. Dafür schuf die 43-Jährige eine andere Installation zum selben Thema: sieben Lichtobjekte aus Plastikflaschen, die in Form einer Blume angeordnet sind. Durch diese kringeln sich dünne, durchgehend blau leuchtende Schnüre. "Das ist ganz toll, denn mit denen kann ich zeichnen", sagt Herdt, deren Schwerpunkt auf Stift und Papier liegt. Studiert hat die gebürtige Russin an der Kunsthochschule in Kassel, heute ist sie Künstlerin und Mama.

Schon einen Abend lang konnten die Poinger "Vergissdeinnicht" bestaunen, bei der "Kurzen Nacht der Street-Art" schwebte die große Lichtinstallation in drei Metern Höhe über einer Wiese, einer blauen Wolke gleich. "Die Reaktionen waren sehr positiv", erzählt Natalja Herdt und strahlt dabei selbst wie ein Lichtobjekt. "Ich glaube, so etwas Schönes macht es den Menschen einfacher, sich von moderner Kunst berühren zu lassen, es ist leichter zugänglich". Und es stimmt wohl: Angesichts von Herdts Kunst muss man unweigerlich lächeln, sie erfreut schlicht das Herz.

Für die Künstlerin selbst geht es bei der "Lichtzeichnung", wie sie ihre blumige Installation nennt, um das Gefühl, Kontakt mit dem eigenen inneren Kind aufzunehmen. "Es kennt keinen Zeitdruck, spendet Trost und Zuversicht, hat einen ganzheitlichen Blick", sagt sie. Ein Gespräch mit der Kraft, die in jedem wohne, wolle sie anstoßen - getreu dem Titel "Vergissdeinnicht". Dazu passend unterlegt die Künstlerin die Installation mit einer Tonspur: "Darauf summe ich, weil einen das Summen irgendwie auspendelt, beruhigt." Im Atelier des Bildhauers Karl Orth werden die leuchtenden Blumen an der Decke eines kleinen Raumes hängen, weil nur dieser gut zu verdunkeln ist. An der Wand möchte Herdt eine reflektierende Folie anbringen, sie hofft auf spannende Spiegelungen. "Solche Objekte muss man ja immer an die Gegebenheiten anpassen, aber dabei entsteht oft wieder ganz etwas Neues."

Den großen Raum der Galerie hat Natalja Herdt mit großformatigen Zeichnungen und ein paar Malereien bestückt. Dort sieht man ebenfalls hübsche Blümchen und anderes Florales, aber auch vielsagende Porträts, ein liegendes Paar in inniger Umarmung, einen Himmel voller schablonenhafter weißer Vögel, Friedenstauben vielleicht? "In meiner Kunst suche ich nach Verbindungen zwischen dem Alltäglichen und dem Wunderbaren", sagt Herdt. Und das trifft es sehr gut.

"Vergissdeinnicht", Ausstellung von Natalja Herdt in der Galerie Orth in Poing, Eichenweg 4. Vernissage am Samstag, 27. Oktober, von 17 Uhr an. Zu sehen bis 11. November, samstags und sonntags von 11 bis 18 Uhr, werktags (außer montags) von 17 bis 20 Uhr, am Donnerstag, 1. November, 11 bis 18 Uhr.

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Quelle:
SZ vom 26.10.2018
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