Ausstellung in der SZ-Galerie:Esperanto der Zeichen

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Der Maler und Grafiker Wolfgang Gerner zeigt von diesem Donnerstag an in der SZ-Galerie Werke, die das rätselhafte und universelle Erbe der Kelten zitieren

Rita Baedeker

Eb ersberg- Auf den ersten Blick könnte man den Flur der SZ-Redaktion Ebersberg derzeit für eine Abteilung der Archäologischen Staatssammlung halten. Beim zweiten Blick jedoch wird man in die Gegenwart gebeamt. In den Leinwandreliefs, Plastiken, Gemälden und Druckgrafiken, die Wolfgang Gerner von heute an in der SZ-Galerie zeigt, zitiert der Künstler Zeichen und Symbole einer untergegangenen Zivilisation. Seine Formensprache jedoch ist modern und abstrakt: Ein flaches, quer liegendes "S", eine Doppelaxt, auch Doppelpalmette genannt, schild- und torsoartige Gebilde, eine "gelbe Form" genannte Plastik (Acryl auf Juterelief), die aussieht wie zerknüllter Stoff mit einem netzartigen Muster, das an Höhlen-Zeichnungen erinnert, runde Scheiben, Spiralen in brennendem Rot und tiefem Blau: Es sind dies die Teile eines ästhetischen Baukastens, aus dem die Menschheit vermutlich von Anbeginn an schöpft.

Jahrhunderte liegen zwischen den heutigen und den alten Kulturen, zwischen dem Weltreich der Kelten und Indianer, den in die keltische Kultur übernommenen Idolen der Kykladen oder auch den Legenden um den Zauberer Merlin; und doch wirkt hier eine die Zeiten überspringende Osmose: Gerners Piktogramme wirken fremd und vertraut, so, als habe er ein Bilder-Esperanto entdeckt, eine Ur-Erzählung, die jeder verstehen kann. Der Künstler drückt es so aus: "Warum ich das alles sage? Weil unsere kulturelle Identität auf dem Spiel steht und unsere Geschichte. Denn: Merlin ist auch der Vater der Jedi-Ritter."

Gerner hat an der Münchner Kunstakademie bei Mac Zimmermann studiert, das keltische Erbe trägt der groß gewachsene, mit leisem Humor begabte und mit zahlreichen Preisen ausgezeichnete Künstler in sich, seit er in seiner Heimat, im Zuge der Bauarbeiten am Rhein-Main-Donaukanal, erstmals Funde aus Siedlungen der Hallstatt- und Latène-Zeit zu Gesicht bekommen hat. Sein Weg führte ihn vom Gäuboden, wo er aufgewachsen ist, von den flachen, weithin sich erstreckenden Feldern und Äckern in die Tiefe, dorthin, wo Funde in Form von Schmuck, Äxten und anderen Grabbeigaben verborgen lagen. Wenn Archäologen aus den rätselhaften Kreisen und Spiralen, den Schlangen und Vögeln Erkenntnisse über Leben und kosmisches Denken der damaligen Menschen herauslesen, so bedient Gerner sich jener magischen Zeichen, um aus Strichmännchen, aus Dreibein, Dreikopf ("Tricephalos"), Stier und Eber einen Formenkanon zu schöpfen, ein Gewebe aus wimmelnden, sich ringelnden, überkreuzenden, ineinander greifenden Zeichen. Betrachtet man die Arbeiten aus der Distanz, dann dominiert optisch die Grundform; aus der Nähe erwachen die kleinen Figuren zum Leben. Sie bergen in sich Wärme, Leben und Tempo, sogar witzige cartoon-artige Elemente sind zu erkennen. Zu manchen Symbolen kann Gerner eine Geschichte erzählen: So zum Beispiel zum "Drudenfeifel" in Form eines lang gestreckten "S". In Niederbayern habe man ein Messer so genannt das Frauen früher unter dem Rock getragen hätten, um böse Geister - oder böse Männer - abzuwehren.

Auch zwei Bronze-Plastiken sind in der Ausstellung zu sehen: Hermaphrodit und Idol II hat der Künstler die schmalen eckigen Figuren genannt, die archaischen Idolen, wie sie auf den Kykladen gebräuchlich waren, nachempfunden, aber formal auf kubistische Formen reduziert sind. Wer sie flüchtig betrachtet, könnte einen Moment lang unsicher werden, in welchem Museum er gelandet ist.

Die Ausstellung von Wolfgang Gerner "Leinwandwandreliefs, Plastiken, Malerei und Druckgrafik" wird an diesem Donnerstag, 6. September, um 19 Uhr in der Redaktion der Süddeutschen Zeitung Ebersberg, Ulrichstraße 1, 1. Stock eröffnet. Sie dauert bis Freitag, 5. Oktober, Montag bis Freitag, Sonntag und Feiertag von 10 bis 18 Uhr (Samstag und Tag vor einem Feiertag geschlossen).

© SZ vom 06.09.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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