Ausstellung:Im Dickicht der Stämme

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Mathias Lyssy macht aus der Alten Brennerei in Ebersberg einen verzauberten Wald - zumindest für die Zeit einer Ausstellung. (Foto: Christian Endt)

Von Freitag an zeigt der Künstler Mathias Lyssy in der Alten Brennerei experimentelle Fotoarbeiten zum Thema Wald

Von Rita Baedeker, Ebersberg

Der Wald ist ein Ort voller Sinnesreize und Geheimnisse: Licht, das sich zwischen Stämmen, Laub und Ästen zu verflüssigen scheint, Schemen, die in der Dämmerung auftauchen wie Geister, rätselhafte in die Rinde alter Bäume geritzte Zeichen, unwegsames undurchdringliches Unterholz, Zweige, die wie Feenhaar im Geäst hängen: In der Ausstellung "Wald und Peripherie" mit Fotoarbeiten von Mathias Lyssy, die am Freitag in der Alten Brennerei in Ebersberg eröffnet wird, erscheint der Wald als Rückzugsort, als Ort der Stille und Kontemplation - und als Gelände für experimentelle Techniken, in denen sich die Medien Fotografie und Malerei auf faszinierende und fantasievolle Weise ergänzen.

In seinen Bildern hat der Künstler Gefühle, Gedanken und Erinnerungen rund um das Motiv Wald gespeichert. "Meine Eltern sind früh gestorben", berichtet der Künstler. "In Göttingen, wo wir lebten, war der Wald nur zehn Minuten entfernt. Dort bin ich zur Ruhe gekommen, habe aber auch die Natur als etwas Großes erlebt." Mathias Lyssy hat Fotografie und Experimentelle Fotografie in Kassel studiert. Wenn er Laub- oder Nadelbäume, kahl oder belaubt, fotografiert, dann ist das, als benutze er seine digitale Kamera wie einen Malerpinsel. Er schaltet auf Langzeitbelichtung und geht auf den Baum zu, umkreist ihn; das macht er so oft und so lange, bis er mit dem Ergebnis zufrieden ist. "Wichtig ist, dass die Bewegungen, die ich mache, nicht gleichmäßig verlaufen, denn sonst ist das Motiv nur unscharf und verschwommen." So aber bekommt es plastische Tiefe und grafische Struktur, zuweilen entsteht auch die moosige, modrige Stimmung einer surrealen Fantasy- oder Märchenerzählung. "Es ist manchmal reizvoll, auf fertigen Fotos plötzlich etwas zu entdecken, was im Moment der Aufnahme nicht sichtbar war", sagt Lyssy, den auch die Märchen seiner Kindheit inspirieren, Märchen, die im Wald spielen, nach dem der Mensch sich sehnt, in dem er sich aber auch hilflos und verloren fühlen kann. Hier lauern Gefahren, warten unheimliche Begegnungen und Prüfungen auf ihn.

Lyssy komponiert Bilder aus Foto-Versatzstücken und Farben, die das Motiv wie ein Aquarell erscheinen lassen. Lyssy nutzt alle Möglichkeiten der digitalen Bildbearbeitung, er schneidet und koloriert. Aufgrund der überlangen Belichtungszeiten, so der Künstler, gerate der Hintergrund auf den Fotos allerdings allzu hell, daher bearbeitet er manche Bilder mit Farbe. Da wächst dann zum Beispiel eine Gruppe Baumriesen in einen gleißend gelben Himmel, als würde dieser in Flammen stehen; da enthüllt ein starker Farbkontrast so wie bei einem Vexierbild verborgene Gestalten; da erscheint ein Stück Wald eingesponnen in blutrote Flechten. "Das Foto allein würde meine Empfindungen nicht wiedergeben", sagt Lyssy. Neben den auf Acrylglas gezogenen Fotografien zeigt Lyssy eine Serie von Polaroids, die aussehen wie Kohlezeichnungen oder Aquarelle. Um diesen Effekt zu erzielen, fotografiert er ein Motiv mit der Polaroidkamera ab. Dieses muss er in Minutenschnelle bearbeiten, da er nur während der sehr kurzen Phase, in der die Chemie ihre Wirkung entfaltet, eingreifen kann. Lyssy schneidet das Polaroid auf, klappt es auseinander und ritzt in die frei liegenden Fotoschichten mit dem Skalpell Konturen. Sind die Polaroids älter, das heißt, ist die Schicht nicht mehr aktiv, koloriert er den Hintergrund mit Pastelltusche.

Ergänzt wird die Ausstellung von einer Sound-Installation. Lyssy hat hier Geräusche aus Urwäldern aufgenommen - quakende Frösche, Wolfsgeheul, Insektengebrumm, eine Hörkulisse, wie man sie nur in der Natur erlebt.

Die von der Bayerischen Staatsforsten geförderte Ausstellung "Wald und Peripherie" mit Fotoarbeiten von Mathias Lyssy wird am Freitag, 4. November, 19 Uhr, in der Alten Brennerei Ebersberg eröffnet. Am 19. November, 14 Uhr, führt Projektleiterin Karin Dohrmann durch die Ausstellung mit anschließendem Spaziergang im Ebersberger Forst. Am 27. November, 16 Uhr, ist Finissage mit Künstlergespräch. Geöffnet ist Freitag, 18 bis 20, Samstag und Sonntag, 14 bis 18 Uhr. Ein Konzert der Reihe Kunst und Musik findet am 17. November statt.

© SZ vom 03.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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