Süddeutsche Zeitung

Ausstellung :Der Mond ist aufgehangen

Der Theatermaler Masumi Miura zeigt erstmals in Poing freie Arbeiten: träumerische Tableaus des Himmels

Von Anja Blum, Poing

Licht. Masumi Miuras Bilder brauchen viel Licht. Erst dann beginnen sie, wie von innen heraus zu strahlen. Insofern gleichen sie auf frappierende Weise ihrem Sujet, denn der Künstler zeigt in seiner ersten Ausstellung in Poing fast ausnahmslos Bilder vom Mond. Und der benötigt ja auch das Licht der Sonne, um überhaupt leuchten zu können. "Ich bin mondsüchtig", gesteht Miura, als wäre dies etwas Verwerfliches, dabei inspiriert ihn dieser Himmelskörper zu fantastischen Gemälden. Zu sehen sind diese noch bis Freitag, 22. November, im Rathaus in Poing, der heutigen Heimatgemeinde des Japaners.

Die Wandelbarkeit des Mondes ist es, die den Maler vor allem fasziniert - nicht nur in seiner Gestalt von der Sichel bis hin zur runden Scheibe, die aus dem Mond ein Symbol des Werdens und Vergehens macht, sondern auch bei der Farbe, die ja variieren kann von schimmernd silbrig bis glutrot. Die immense Leuchtkraft seiner Himmel-Tableaus erreicht Miura, indem er die Leinwände erst mit einer Silber- oder Goldschicht grundiert und dann die anderen Farben höchst lasierend aufträgt. So scheint, ins richtige Licht gesetzt, der Glanz ganz zauberhaft durch.

Apropos zauberhaft: Neben der äußeren Gestalt des Mondes ist Miura begeistert von den vielen Märchen und Legenden seiner Heimat Japan, die sich um den Erdtrabanten ranken. In Anlehnung an das Fest Tanabata hat er zum Beispiel das - in der Tradition der Paravents fünfteilige - Bild "Milchstraße" geschaffen. Gefeiert wird jedes Jahr am 7. Juli, denn an diesem Tag treffen sich die zwei Sterne Wega und Altair am Himmel. Nach alter chinesischer Überlieferung stellen sie eine Weberin und einen Hirten dar, ein Liebespaar, das das ganze restliche Jahr über durch die Milchstraße, einen großen Fluss, getrennt ist. Dies hatte der Himmelsgott, der Vater der Weberin, so verfügt, weil die Leidenschaft den Fleiß der beiden zu sehr beeinträchtigt hatte. Da sie aber nach der Trennung vor Kummer immer noch nicht arbeiten konnten, dürfen sie sich einmal im Jahr treffen - eben an Tanabata. Der Mond dient dem Paar dabei laut Miura als Boot. "Wenn es jedoch regnet, ist der Fluss zu breit und kann nicht überquert werden. Die Tränen der Liebenden fallen dann als Regen zur Erde", erklärt der Künstler. "Diese Geschichte habe ich als Kind sehr oft gehört."

Bereits seit etwa 15 Jahren setze er sich künstlerisch mit dem Phänomen Mond auseinander, sagt Miura, er hat damit seine Landschaften, die er seit Jugendtagen malt, um eine höchst romantische Zutat erweitert. Dass man nun in Poing eher Kleinformatiges von ihm sehen kann, ist allerdings eine Seltenheit, denn normalerweise zieren die Werke von Masumi Miura die großen Bühnen der Welt: Der Japaner arbeitet als Theatermaler an der Bayerischen Staatsoper.

1961 geboren in Saitama, studierte er Malerei in Tokio, wo er bereits als Jugendlicher an zahlreichen Gruppenausstellungen teilnahm und einige seiner Werke in staatlichen Galerien gezeigt wurden. In Tokio gestaltete er Bühnenbilder zum Ballett "Vier Jahreszeiten", in Osaka zur Oper "La Bohème" und in Kumamoto zu den Ballettaufführungen "Les petits riens" und "Dornröschen". Miuras malerischen Arbeiten waren bislang in Ausstellungen in München, Tokio und Landshut zu bewundern. Überdies hat er seit langem einen Lehrauftrag an der staatlichen Universität für Kunst und Musik in Tokio. 1984 zog Masumi Miura nach München, seit 1989 lebt er in Poing. Im Landkreis begeisterte er zuletzt mit einer mystischen Optik zur "Bayerischen Rauhnacht", die Ende November erneut in Ebersberg zu sehen sein wird. Auch dort schwebt ein silberner Mond über dem fantasievollen Geschehen.

Dass Miura sein Handwerk beherrscht, zeigen auch seine Bilder im Rathaus. Der Künstler arbeitet mit allen möglichen Farben, Öl, Guache, Acryl, Tusche, er malt, tupft, spritzt, spachtelt und lässt so geheimnisvoll-ätherische Welten zwischen Himmel und Erde entstehen, bevölkert von strahlenden Gestirnen, stilisierten Wolken, galaktischen Nebelschwaden. Die Stimmung schwankt je nach Farbgebung zwischen träumerisch und unheimlich. "Ich arbeite mit westlichen Techniken, aber meine Thematik ist japanisch", erklärt Masumi Miura. Was genau das letztere bedeutet? "Wir verdauen die Dinge, die wir sehen, eine ganze Zeit lang, erst dann malen wir sie."

Das Bild "Sonnensichel" zum Beispiel sei entstanden nach einer Sonnenfinsternis, gesehen von einem Punkt zwischen Poing und Anzing aus, erzählt der Künstler. Einen satt-orangen, absolut gleichmäßigen Himmel spannt er auf diesem Triptychon auf, unten bilden Bäume ein dunkles Band, an dessen oberem Rand fast jedes einzelne Blatt zu erkennen ist. In der Mitte eingebettet: eine silberne Sichel. So entsteht eine gleichsam grafisch-entrückte Landschaft, die das reale Geschehen überhöht zu einem scheinbar nie enden wollenden Moment der Schönheit.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4604219
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 18.09.2019
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.