Ausstellung bei der VHS in Ebersberg:Perspektivenwechsel

Grafinger Fotoklub "Blende 85567" betrachtet Alltägliches aus einem außergewöhnlichen Blickwinkel

Von Johanna Feckl, Ebersberg

Ein kurzer Blick reicht meistens aus, um eine Identität auszumachen: ein Mensch, ein Apfel, ein Hund, ein Auto. Oder wer verwechselt schon einen Menschen mit einem Auto? Doch ganz so klar, wie es zunächst erscheinen mag, ist es manchmal gar nicht. Tritt man ein paar Schritte zurück, sieht das Auto schon etwas anders aus, kleiner, leichter. Und aus ganz großer Entfernung betrachtet, wenn das Licht anders fällt, man den Kopf neigt - bekommt das Auto dann nicht doch vielleicht menschliche Züge? Die Scheinwerfer werden zu Augen? Die Stoßstange zu einem Grinsen? Alles eine Frage der Perspektive.

Einen veränderten Blickwinkel eingenommen hat nun auch der Grafinger Fotoklub Blende 85567. Für die Ausstellung "Andere Perspektiven" in den Räumen der VHS in Ebersberg haben die Mitglieder ihre Objektive auf Details von Dingen gerichtet, die man aus einer herkömmlichen Blickrichtung wohl nicht bemerkt hätte. Angelehnt ist das Ausstellungsmotto am aktuellen Semester-Thema der VHS, der "Identität": Wer bin ich? Was bin ich? Seit seiner Gründung 2015 arbeitet der Fotoklub mit der VHS zusammen, unter anderem schmückt der Verein zweimal im Jahr deren Räumlichkeiten mit Ausstellungen.

Ausstellung bei der VHS in Ebersberg: Natasha Blüms "Ebersberger Forst" zieht bei der Vernissage viele Blicke auf sich.

Natasha Blüms "Ebersberger Forst" zieht bei der Vernissage viele Blicke auf sich.

(Foto: Christian Endt)

"Wir haben uns dazu entschlossen, diesmal nicht den Menschen in den Vordergrund zu stellen, sondern mit Dingen zu arbeiten", erklärt Rainer Hergenröther von der Blende 85567, als er sich bei der Vernissage mit einigen einführenden Worten an die vielen Besucher richtet. "Und uns war wichtig, dass wir nicht nur mit einem Klick arbeiten", sagt er weiter. "Stattdessen haben wir uns Gedanken gemacht und versucht, durch andere Perspektiven auch andere Identitäten zu schaffen."

Zwar setzen nicht alle Exponate das Thema ausgefallen um. Da sind zum Beispiel Makroaufnahmen aus der Natur - etwa von Insekten oder Wassertropfen - wie sie in vielen Fotoausstellungen zu finden sind. Auch zeigen einige Bilder doch wieder Menschen anstatt Objekte. Das bringt die Freiheit, die der Grafinger Fotoklub seinen Mitgliedern bei den Ausstellungen lässt, eben so mit sich: Jeder Fotograf entscheidet selbst, was er zeigen mag. Sehenswert ist die neue Schau aber allemal.

Ausstellung Fotoclub Grafing Blende 85567

Rainer Hergenröther spielt mit einem schnöden Gartenzaun.

(Foto: "Blende 85567")

Zum Beispiel wegen der Aufnahme "Ebersberger Forst" von Natasha Blüm. Ein quadratisches Bild, dunkel, schwarz. Mittig ein Ring, der die Farben zum Zentrum hin ein wenig heller werden lässt, auf einen fast weißen Punkt hin zulaufend. So erinnert das Bild an das Plakat des Horrorfilms "The Ring" aus dem Jahr 2002: ein heller ungleichförmiger Ring auf einee schwarzen Fläche. Ob sich der Punkt aus dem Bild von Natasha Blüm heraus oder nach hinten dehnt - dieser Eindruck wechselt. Manchmal, wenn es eher so scheint, als ob das helle Zentrum im Vordergrund stünde, gleicht der Fleck der Reflexion einer Pupille. Erst mit einem unmittelbaren Blick lässt sich erkennen: kein Auge, keine Pupille, kein Ring. Es sind Bäume.

Blüm hat das Foto mit einem sogenannten Fischaugen-Objektiv, mit dem man tonnenförmige Verzerrungen erreicht, aufgenommen. Sie legte es auf den Waldboden und fing so den Blick nach oben hin zielend ein. Die Bäume laufen also ausgehend vom Ring gerade auf das Zentrum zu, wo ein kleiner Kreis den Blick auf den hellen Himmel freigibt. Ein alltägliches Motiv in ein überraschendes Fotos zu verwandeln, das war das Ziel von Blüm. Es ist ihr gelungen.

Ausstellung Fotoclub Grafing Blende 85567

Ulrike Hohnheiser bietet eine spannende "Fatamorgana" aus Dubai.

(Foto: "Blende 85567")

Oder das Bild von Annelies Grasenack. Es trägt den Titel "Nah am Boden" und zeigt ein Bergpanorama. Schon tausend Mal gesehen. Diese Fotografin jedoch hat sich einen Kniff überlegt, der ihre Alpenkette zu einer macht, die hervorsticht: Sie hat das Bild sehr nah vom Boden aus aufgenommen, so nah, dass ein paar gelbe Blumen einen Großteil des Panoramas bedecken. Die leuchtenden Blüten sind dominant im Vordergrund platziert und dennoch verschwommen; die dahinterliegenden Berge hingegen gestochen scharf. Aber genau dieser Störfaktor ist es, der fasziniert. Weil er ungewöhnlich ist.

So wie auch das Bild "Fatamorgana" von Ulrike Hohnheiser. Man sieht ebenfalls ein Panorama, dieses Mal aber von einer Stadt, nämlich Dubai. Die Wolkenkratzer neigen sich leicht nach links. Die Aufnahme wirkt wie ein 3D-Foto, das man ohne passende Brille betrachtet: Die Hochhäuser haben mehrere Umrisse, sie scheinen zu wackeln, sich zu bewegen. Dadurch entsteht der Eindruck, die Gebäude wären alle eingerüstet, befänden sich im Bau, ganz als ob sie wüchsen. In Wahrheit wächst die Stadt Dubai auch - aber freilich nicht auf dieser Momentaufnahme. Hohnheiser fotografierte mit Mehrfachbelichtung von einem niedrig gelegenen Punkt aus, dadurch entsteht der Effekt der Bewegung.

Für Rainer Hergenröther sind neue Blickweisen auf das alltägliche Leben stets ein Quell der Inspiration. "Beweglichkeit im Denken ist wichtig für den Zusammenhalt in der Gesellschaft", sagt er. "Vor allem in solch unruhigen Zeiten wie den heutigen." Auch er selbst dachte bei einem seiner Werke um: "Gartenzaun" zeigt dunkle Latten und deren Schatten - um 90 Grad gedreht, sodass der kleine Spalt, den die Sonneneinstrahlung zwischen Zaun und Schatten entstehen lässt, wie eine Achse wirkt, an der die Querstreifen gespiegelt wurden. So sieht man letztlich nicht mehr einen Zaun und dessen Schatten, sondern etwas Grafisch-Rätselhaftes.

Ausstellung "Andere Perspektiven" im Ebersberger VHS-Gebäude, Dr.-Wintrich-Straße 3, bis Ende Februar zu sehen, montags bis freitags von 9.30 Uhr bis 12.30 Uhr und donnerstags zusätzlich von 16 bis 18 Uhr. Der Eintritt ist frei.

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