Selten dürfte es im Ebersberger Kreistag eine solche Diskrepanz zwischen Wollen und Tun gegeben haben. Bei der Frage, ob die AfD Sitze in den Ausschüssen bekommen soll, sprachen sich bis auf die Rechtspopulisten sämtliche Fraktionen dagegen aus. Bei der gleichlautenden Abstimmung votierten indes 27 zu 19 Kreisräten - die Zahl der absenten Mitglieder war mit 15 erstaunlich groß, sogar Landrat Robert Niedergesäß (CSU) blieb der Sitzung fern - dafür. Was daran liegt, dass die Wahl streng genommen keine war.
Dies erläuterte der Stellvertretende Landrat Walter Brilmayer (CSU), der die Sitzung leitete. Laut Geschäftsordnung stehen jeder Gruppierung mit drei und mehr Sitzen sowohl Fraktionsstatus wie Mitgliedschaft in den Ausschüssen zu. Würde der Kreistag im Falle der AfD anders entscheiden, wäre dies ein rechtswidriger Beschluss, die Regierung von Oberbayern als Aufsichtsbehörde würde einschreiten. Mit der Folge, dass die Ausschüsse de jure unbesetzt seien, "und dann können wir unsere Arbeit nicht erledigen". Die Kreispolitik wäre handlungsunfähig, die anstehende Aufstellung des Haushaltes nicht möglich.
Auf dieses Problem verwies auch Martin Wagner, Sprecher der CSU/FDP-Fraktion: "Wir können nicht ablehnen - aber damit unterstützen wir weder Inhalte noch Personen der AfD." Sein Fraktionskollege Martin Lechner erklärte, er würde auch am liebsten mit Nein stimmen, doch dies würde letztlich dem Landkreis schaden. Besonders schwer tue man sich "weil das Wahlergebnis durch Schummelei bei der Aufstellung der AfD-Listen zustande gekommen ist", so Wagner.
Er spielte auf die Vorgänge um den damaligen Vaterstettener AfD-Gemeinderat und jetzigen Kreisrat Manfred Schmidt an. Diesem war vorgeworfen worden, meist ältere Personen unter Vorspiegelung falscher Tatsachen auf die Listen gesetzt zu haben. Bei einem der nach eigenen Angaben unfreiwilligen Kandidaten hatte es Zweifel an seiner Wählbarkeit gegeben, weshalb die AfD zunächst nur zwei Kreistagssitze erhalten hatte. Die Regierung von Oberbayern hatte auf Beschwerde der Rechtspopulisten hin das Wahlergebnis korrigiert, nun verliert die Bayernpartei einen Sitz, dafür rückt Heidelinde Pelz aus Vaterstetten für die AfD nach.

Ebersberg:Landrat fordert: Acht Jahre bis zum zweiten Gleis
Robert Niedergesäß stellt den Anspruch, dass die Ausweichstrecke der S-Bahn zwischen Grafing und Ebersberg 2028 fertig sein soll.
Diese Entscheidung habe man "mit Betroffenheit zur Kenntnis genommen", sagte Wilfried Seidelmann, Sprecher der Fraktion FW/Bayernpartei, "aber wir werden es akzeptieren müssen, geben wir der AfD ein Beispiel, wie Demokratie auszusehen hat."
"Alle sind dagegen, aber das Gesetz verpflichtet uns zu dem Beschluss", fasste Albert Hingerl (SPD) zusammen und kündigte an dennoch dagegen zu stimmen. Genau wie Benedikt Mayer (Grüne), auch er verwies auf "die Methoden, mit denen Herr Schmidt zu den notwendigen Unterschriften gekommen ist". Seine Fraktionskollegin Lakhena Leng meinte, im Kreistag gebe es "keinen Platz für Betrug". In die gleiche Kerbe schlug Marlene Ottinger (Linke), die Mandate der AfD "beruhen auf Betrug", deshalb könne die Ausschussgemeinschaft ÖDP-Linke nicht zustimmen. Mayer verwies zudem auf ein in Rekordzeit gebrochenes Wahlversprechen: Der damalige AfD-Kreisvorstand hatte nach Bekanntwerden der Vorwürfe gegen Schmidt eine Zusammenarbeit mit ihm ausgeschlossen - nun ist er AfD-Fraktionssprecher.
Zuletzt meldete sich Manfred Schmidt zu Wort, er habe wegen seiner Schwerhörigkeit zwar nicht alles verstanden, "aber ich weise alle Vorwürfe gegen mich pauschal zurück, sie sind unzutreffend". Stattdessen sei er Opfer einer "beispiellosen Kampagne gegen die AfD", habe aber trotzdem ein Kreistagsmandat gewonnen, "und diesen Auftrag werde ich annehmen, da können Sie keifen, wie Sie wollen".
Weitere Beiträge gab es nicht, gegen Grüne, ÖDP, Linke und bis auf Elisabeth Platzer - "als Juristin muss ich zustimmen" - die SPD-Fraktion, wurde die neue Ausschussbesetzung beschlossen.