Aus dem Amtsgericht:Verwirrung schützt vor Strafe nicht

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Trotz einer Verwechslung bei den Ermittlungen wird die Schlägerei in einer Grafinger Bar teuer für die Beteiligten.

Von Wieland Bögel, Ebersberg

Memory ist ein Spiel, das viele wohl noch aus der Kindheit kennen - manche aber auch aus dem Berufsalltag. Und zwar nicht nur Erzieherinnen, sondern gelegentlich auch Polizisten. Beim Versuch, eine Schlägerei in einer Grafinger Bar aufzuklären, gingen die Ermittler offenbar nach dem Motto vor: "Rate mal, was zusammenpasst."

Der Hintergrund ist weniger verspielt, es geht um eine handfeste Auseinandersetzung unter Barbesuchern. Dabei, so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft, sollen drei Burschen auf eine Gruppe von Billardspielern losgegangen und zwei von ihnen gewürgt beziehungsweise in den Schwitzkasten genommen haben. Die drei angeblichen Schläger erhielten daraufhin Strafbefehle wegen Körperverletzung, was jedoch nur einer von ihnen akzeptierte, die anderen beiden zogen dagegen vor Gericht.

Dort führten sie bereits in der vergangenen Woche am ersten Verhandlungstag aus, dass sie an dem fraglichen Abend zwar in der Bar gewesen seien; auch dass es zu einer Auseinandersetzung gekommen war, an der sie auch beteiligt waren, gaben sie zu. Gewürgt haben, wie von der Anklage behauptet, wollten sie aber niemanden. Sie hätten lediglich schlichten wollen, als ihr Freund mit einem anderen Gast in Streit geraten sei und dazu dessen Freunde vom Geschehen zurückgehalten. Eine andere Version schilderte dagegen einer der Geschädigten, er identifizierte einen der Angeklagten als seinen Angreifer - allerdings hätte dieser laut Anklageschrift den zweiten Geschädigten gewürgt haben sollen.

Am zweiten Verhandlungstag an diesem Montag versuchte das Gericht zu klären, wie es zu dieser Verwechslung kommen konnte. Geladen war dazu einer der Beamten, die vor einem Jahr mit der Aufklärung des Falles betraut waren. Der schilderte, wie er den Geschädigten Bilder möglicher Täter zeigte, aus denen diese dann die nun Angeklagten identifizierten.

Die Fotos der Verdächtigen stammt von Facebook

Die Bilder hätten sich die Ermittler von den Facebook-Profilen der Verdächtigen besorgt, so der Zeuge. Aber offenbar, ohne sich dazu den korrekten Namen des jeweils Abgebildeten zu notieren. Wie der Beamte auf einige Nachfragen zugab, hatte man diese Informationen erst einige Zeit später, nach den Zeugenvernehmungen nachgetragen: "Es war schon ein Durcheinander". Ob dabei ein Fehler passiert sei, also den Zeugen das Bild des einen Verdächtigen präsentiert und dabei den Namen eines anderen genannt wurde, dazu konnte der Polizist nichts sagen, da die entsprechenden Fotos nicht mehr vorlägen.

Zumindest in zwei Fällen konnte das Gericht aber eine Verwechslung nachweisen. So waren auf den Fotos, mit denen die Polizisten die Verletzungen der Angegriffenen dokumentiert hatten, die Namen vertauscht, wie einer der Geschädigten vor Gericht erklärte. In einem anderen Fall, hatte einer der Geschädigten zu Protokoll gegeben, dass er von einem mindestens 1,80 Meter großen Kontrahenten angegriffen worden sei. Der Mann, den die Ermittler dann als Angreifer identifizierten und dem ein entsprechender Strafbefehl zugestellt wurde, ist aber nicht einmal 1,70 Meter groß. Jetzt im Gerichtssaal sei das mit der Größe schon "sehr deutlich", meinte der als Zeuge vernommene Ermittler, aber er habe eben" die Aussagen der Zeugen so aufgeschrieben, wie sie es gesagt haben".

Trotz dieser Unstimmigkeiten war das Gericht von der Tatsache überzeugt, dass die beiden Angeklagten zusammen mit ihrem Freund in der Grafinger Bar herumgeschlägert hatten. Dazu trug auch die Aussage einer weiteren Zeugin bei. Diese war zusammen mit den die Geschädigten unterwegs und will gesehen haben, wie die Angeklagten ihre Begleiter in den Schwitzkasten genommen haben sollen. Allerdings befindet sie sich derzeit in stationärer Psychotherapie und ist laut Aussage ihrer Ärzte auf absehbare Zeit nicht verhandlungsfähig.

Die Verteidiger versuchten zunächst, dies zu ihrem Vorteil zu nutzen, und bestanden auf persönlicher Einvernahme der Zeugin. In einem Rechtsgespräch einigten sich die Verfahrensbeteiligten dann aber darauf, das Verfahren einzustellen. Einer der Angeklagten muss als Gegenleistung 2000 Euro an den Geschädigten zahlen, der zweite 1000 Euro an den Kinderschutz spenden. In den Strafbefehlen waren sie noch zu 3600 beziehungsweise 2400 Euro verurteilt worden.

© SZ vom 30.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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