Auftritt in Vaterstetten:Die Hand im Feuer

Daryl Davis

Schräges Bild: Der Pianist Daryl Davis mit einem seiner Freunde, die er zu bekehren sucht.

(Foto: Veranstalter)

Der umstrittene Aktivist Daryl Davis erklärt in Vaterstetten, wie er sich als Schwarzer den Ku-Klux-Klan zur Brust nimmt: Die rassistischen Überzeugungen der Organisations-Mitglieder sollen durch seine Freundschaft verdrängt werden

Von Victor Sattler, Vaterstetten

Daryl Davis sammelt Trophäen. Der schwarze Pianist hat neben vielen Preisen für seine Musik auch einen Schrank voll langer Kutten, auf die er stolz ist. Die Kutten stammen von Mitgliedern der rechtsextremen Organisation Ku-Klux-Klan (KKK), die von Davis langsam bekehrt wurden - und ihre rassistischen Überzeugungen schließlich aufgaben. Neben den weißen Roben, die man mit dem KKK verbindet, konnte der Musiker auch grüne, violette und rote ergattern. Wie beim Judo nämlich ändert sich die Farbe mit steigendem Rang des Trägers - und Davis bekehrte - von Einsteigern bis hin zu Anführern.

In seinem Heimatland ist der US-Amerikaner bekannt geworden für diesen ungewöhnlichen Ansatz: Davis schließt Freundschaft mit Klan-Mitgliedern und anderen weißen Nationalisten, die ihn zunächst aufgrund seiner Hautfarbe hassen. Indem er Mensch und Weltbild voneinander getrennt betrachtet, findet er immer wieder "nette Nazis", mit denen er eigentlich viel gemeinsam hat. Sobald er an diesem Punkt angekommen ist, rüttelt er am festgefahrenen Feindbild seiner neuen Kumpels. Oft mit Erfolg, wie sein Schrank beweisen soll. Im US-Bundesstaat Maryland habe sich der KKK nach seiner Intervention komplett aufgelöst, behauptet Davis.

Mit seiner Strategie macht er sich aber auch Feinde: Darunter linke Aktivisten, die finden, dass er dem KKK eigentlich helfe. Weil er sich vor Gericht energisch für seine Klans-Freunde einsetzt: für Männer mit Hakenkreuz-Tattoos auf den Fingern. In Deutschland, wo seit Jahren hitzig diskutiert wird, ob man mit Rechtsextremen reden soll, klingt Davis' Appell "Gib' den Rechtsextremen eine Plattform" zunächst wie blanker Hohn. Wenn Davis am kommenden Sonntag, 13. Oktober, im Vaterstettener Rathaus auftritt (das Programm ist auf englisch, es können Fragen auf deutsch gestellt werden), könnte sich das Publikum provoziert fühlen. Oder wäre er imstande, mit seiner Methode auch deutschen Neonazis die Bomberjacke abzuknüpfen? "Das Prinzip Daryl Davis ist gut übertragbar auf Deutschland", findet der Gewaltforscher Markus Fath. "Wir können hier viel von ihm lernen." Der Experte wird bei der Veranstaltung, die das Amt der Partnerschaft für Demokratie im Landkreis Ebersberg organisiert, eine wissenschaftlichen Einordnung liefern und die Debatte moderieren.

Wer auf Provokationen von rechts gelassen reagiere, erklärt Fath, unterwandere die wichtigste Erwartung der Extremisten: Dass alle anderen gegen sie verschworen wären. Danach folgt bei Davis so etwas wie ein Zwei-Stufen-Plan. Erste Stufe: Das einfach gestrickte Feindbild soll überwunden werden. Davis erzählt, dass es stets sein Wunsch ist, sich seinem Gegenüber als ganzer Mensch zu präsentieren. Als Familienvater und versierter Musiker. Als jemand, der differenzierte Meinungen hat. Sobald die Klans-Mitglieder ihn kennen und merken, dass er nicht in ihr schlechtes Bild von Schwarzen passt, beginne ein Kampf im Kopf. Sie können sich Davis dann nur noch als Ausnahme von der Regel erklären. Die zweite Stufe: Es gilt, das geschlossene Weltbild auf die Probe zu stellen. Davis holt dann gern mal seine Bibel raus, um religiöse Begründungen des Rassismus zu widerlegen, er hört sich haarsträubende biologische Theorien an, die er danach ad absurdum führt. Er bringt seine jüdischen oder schwarzen Freunde mit, wenn er es für sicher hält. Doch man dürfe nicht erwarten, dass die fremdenfeindliche Ideologie sofort verworfen wird, sagt Markus Fath. Oft hatte das Gedankengut über Generationen Zeit, sich zu festigen.

Für Führungsmitglieder des KKK bedeutet der Sinneswandel außerdem ein enormer Verlust von Macht innerhalb ihres Bundes. In den USA ist der Ku-Klux-Klan eine eigene Subkultur, die viel Wert auf Spiritualität und Symbolik legt. Als Davis zu den Ritualen des Klans ging und die brennenden Kreuze aus nächster Nähe sah, spielte er dieses emotionale Spiel ein Stück weit mit. Indem er die fremden Kutten letztendlich bei sich zu Hause auf Bügel hängt - am liebsten würde er sogar ein Museum für seine KKK-Memorabilien eröffnen -, hält er die Mystik des Klans zwar am Leben. Aber er lässt die rassistischen Ideen dahinter einen symbolischen Tod sterben, im Muff des Schrankes erstickt.

"Deutsche Rechtsextreme ticken anders", sagt Fath, "ein wenig nüchterner". Sie wollen ihre Ziele Schritt für Schritt in der Tagespolitik verwirklicht sehen und sind davor nicht zufrieden. Sie könnten also hartnäckiger an ihren Überzeugungen festhalten. Seit Donald Trump im Weißen Haus sitzt, ist das Interesse an Davis Weisheiten größer denn je. Früher wurde er für verrückt erklärt, heute geht er auf Tour, zuletzt in Kanada, nach Deutschland geht es nach Polen. Davis ist auf der einen Seite froh über Trumps Präsidentschaft, weil der US-amerikanische Fremdenhass nun endlich offen sichtbar sei. "Trump hat Rassismus nicht erfunden, auch wenn viele Leute ihm das anlasten wollen", sagt er. Aber die Fassade der Davis'schen Methode hat fast gleichzeitig damit zu bröckeln begonnen: Der Klan-Mann Richard Preston, mit dem Davis lange befreundet ist, war 2017 bei einer rechtsradikalen Großdemo in Charlottesville wieder zugange und gab einen Schuss auf einen schwarzen Gegendemonstranten ab. "Es gibt Rückfälle, wie bei einer Sucht", sagt Fath. "Aber Preston ist auf dem Weg in die richtige Richtung, dank mir", verspricht Davis. Es gebe aber keine Garantie, dass die endgültige Abkehr vom Fanatismus gelingt.

Von einem amerikanischen Aktivisten wurde Davis ein wenig spöttisch als "Einzelhändler" unter den Anti-Rassisten bezeichnet: den Wandel im ganz Kleinen betreibend. Er versucht, die Menschen selbst über ihren Rassismus entscheiden zu lassen, egal wie lange das dauert. Dieser persönliche Ansatz und großflächigere Strategien schließen sich aber gegenseitig nicht aus. "Wie bei einer Krebsbehandlung müssen die Chemo- und Strahlentherapie zusammenwirken, statt sich gegenseitig abzuschwächen", sagt Davis.

Vortrag und Debatte "Klan we talk?"mit Daryl Davis und Markus Fath am Sonntag, 13. Oktober, 19 Uhr im Rathaus Vaterstetten. Anmeldung: Tel. (08092) 21038 oder an mail@kjr-ebe.de. Am Dienstag, 8. Oktober, kommt Davis an die Münchner LMU, am 14. Oktober an die Hochschule Fresenius.

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