Vor kurzem wollte mir einer meiner Patienten einen 20-Euro-Schein zustecken. "Da, Schwester, schaun's, das ist für Sie", hat er gesagt. Ich nahm das Geld erst einmal entgegen, bedankte mich bei ihm - und legte es dann wieder zurück zu den anderen Scheinen, als er gerade nicht hinsah. Das gleiche Spiel spielten wir später noch einmal, er schien den ersten Durchgang vergessen zu haben. Das war keine Überraschung, denn er war in einem verwirrten Zustand.
Es kommt immer wieder vor, dass mir Patienten ein Scheinchen geben möchten. Sie tun es, um sich zu bedanken - wie ein Trinkgeld im Restaurant. Häufig passiert es auch bei Patienten, denen eine Situation besonders unangenehm ist und die denken, sie würden uns Pflegekräften extra viel Arbeit bereiten. Das war zum Beispiel bei einer Frau der Fall, die abführende Medikamente bekam und dementsprechend oft den Toilettenstuhl benutzen musste. "Jetzt haben Sie so oft die Schüssel reinigen müssen", sagte die Frau zu mir, als sie mir einen Zehner geben wollte. Aber auch bei ihr habe ich das Geld nicht angenommen. Zum einen, weil ich ja nur meine Arbeit getan habe. Zum anderen, weil wir gar kein Geld annehmen dürfen.
Während des Aufenthalts von Patienten ist das strikt untersagt, weder von Patienten selbst noch von ihren Angehörigen dürfen wir etwas annehmen. Das könnte als Bestechungsversuch ausgelegt werden - da landet man schnell in Teufels Küche. Die meisten schauen verdutzt, wenn ich das so sage. Sie wären nie auf die Idee gekommen, dass ihr Handeln als Bestechungsversuch interpretiert werden könnte, denn für sie war es einfach nur ein Trinkgeld.
Aber im Restaurant gibt man das in Deutschland auch erst hinterher, ähnlich ist es bei uns: Wenn die Patienten unsere Station wieder verlassen, können sie gerne etwas in unsere Kaffeekasse geben. Davon bezahlen wir zum Beispiel einen Teil unserer Weihnachtsfeier. Manchmal möchten Patienten aber speziell der Pflegekraft ein Trinkgeld geben, die sie hauptsächlich versorgt hat. Ich lege es dann trotzdem in die Kaffeekasse - es einfach einzustecken, damit fühle ich mich nicht wohl, und in der Kaffeekasse kommt es dem ganzen Team zugute.
Intensivfachpflegerin Pola Gülberg von der Ebersberger Kreisklinik.
(Foto: Peter Hinz-Rosin)Bei dem Patienten nun, der mir gleich mehrere Male 20 Euro geben wollte, kam noch ein weiterer Aspekt hinzu: Niemals würde ich Geld von jemanden annehmen, der im Kopf gerade nicht ganz klar ist. Das hat zwei Gründe.
Zum einen ist es ethisch falsch. Der Mann wollte mir schließlich immer wieder Geld geben, in dem Glauben, es zum ersten Mal zu tun. Zum anderen wäre ihm dann das Geld irgendwann ausgegangen, das hätte ihn wohl noch mehr verwirrt - manche Patienten werden dann aggressiv. Deshalb habe ich ihm den Schein auch immer wieder zurückgelegt.
Pola Gülberg ist Intensivfachpflegerin. In dieser Kolumne erzählt die 38-Jährige jede Woche von ihrer Arbeit an der Kreisklinik in Ebersberg. Die gesammelten Texte sind unter sueddeutsche.de/thema/Auf Station zu finden.