Süddeutsche Zeitung

SZ-Pflegekolumne: Auf Station, Folge 86:"Jemanden zu reanimieren kostet Überwindung"

Kürzlich erst hat Pola Gülberg einen Mann versorgt, der nur dank des schnellen Eingreifens von Ersthelfern überleben konnte: Sie haben ihn wiederbelebt bis die Rettungskräfte eingetroffen sind.

Protokoll: Johanna Feckl

Einer meiner Patienten war bei uns, weil er in der Arbeit zusammengebrochen war. Herzstillstand. Es dauerte 13 Minuten, bis der Rettungsdienst und 45 Minuten bis der Notarzt eingetroffen waren. Beides ist zu lang. Aber wenn die Kapazitäten wegen Krankheitsausfälle und hoher Einsatzzahlen so sind wie sie sind, dann führt das eben zu solchen Zeiten. Umso wichtiger sind dann Ersthelfer. Wenn die Kollegen des Mannes nicht sofort zur Stelle gewesen wären und mit der Reanimation begonnen hätten, dann hätte er den Vorfall nicht überlebt.

Bei einem Herzstillstand zählt jede Sekunde. Etwa nach drei Minuten, in denen nichts passiert, sterben bereits die ersten Gehirnzellen ab. Beginnt die Wiederbelebung erst dann oder noch später, kann es der Betroffene zwar schaffen. Aber mit fortschreitender Zeit steigt das Risiko für bleibende Schäden am Gehirn. Also: Je früher die Reanimation einsetzt, desto besser.

Das Problem: Viele Menschen haben kaum Kenntnisse über Erste Hilfe. Sie haben irgendwann einmal vor langer Zeit zum Führerschein einen Kurs gemacht und seitdem nie wieder etwas damit am Hut gehabt. Dadurch baut sich leicht eine Hemmschwelle auf, jemanden zu reanimieren kostet dann unglaubliche Überwindung. So kann es passieren, dass am Ende gar keine Erste Hilfe geleistet wird - aus Angst, etwas falsch zu machen.

Ja, bei einer Wiederbelebung kann es auch mal knacken und eine Rippe ist gebrochen. Aber wie sagt man zynisch: Dann geht's wenigstens leichter - ein Brustkorb mit gebrochener Rippe lässt sich leichter hinunterdrücken. Man darf nicht vergessen, dass jemand mit einem Herzstillstand tot ist. Wird nichts unternommen, dann bleibt er das auch - das Herz wird nicht einfach so wieder anfangen zu schlagen. Wenn jedoch Ersthelfer schnell eingreifen, dann hat er wenigstens eine Chance.

Die Hemmschwelle, jemanden zu reanimieren, lässt sich senken. Verschiedene Hilsorganisationen bieten Erste-Hilfe-Kurse an, manchmal auch Auffrischungskurse. Außerdem gibt es den sogenannten "Herzensretter". Das ist ein gemeinsames Konzept der "Bundesarbeitsgemeinschaft Erste Hilfe", in dem die Wiederbelebung an einer Puppe geübt wird. Häufig sind auf Messen Stände der Hilfsorganisationen, zum Beispiel auf der Ehrenamtsmesse in Ebersberg. Ich bin selbst beim BRK und war schon einige Male mit dabei. Leider haben selbst da viele Erwachsene eine Scheu, an der Puppe zu üben - im Gegensatz zu ihren Kindern.

Dank seiner Ersthelfer konnte mein Patient nach gut drei Wochen die Intensivstation wieder gehend verlassen. Übrigens: Er hatte vor seinem Zusammenbruch seit drei Wochen Schmerzen im linken Arm. So etwas kann vor allem bei Männern ein Vorbote für einen Herzinfarkt sein.

Pola Gülberg ist Intensivfachpflegerin. In dieser Kolumne erzählt die 38-Jährige jede Woche von ihrer Arbeit an der Kreisklinik in Ebersberg. Die gesammelten Texte sind unter sueddeutsche.de/thema/Auf Station zu finden.

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