SZ-Pflegekolumne: Auf Station, Folge 94:Alarmierender Durst

SZ-Pflegekolumne: Auf Station, Folge 94: Diabetes, auch bekannt als Zuckerkrankheit, kommt in allen Altersgruppen vor. Der Körper kann dann entweder gar kein Insulin mehr produzieren, oder er ist resistent dagegen geworden.

Diabetes, auch bekannt als Zuckerkrankheit, kommt in allen Altersgruppen vor. Der Körper kann dann entweder gar kein Insulin mehr produzieren, oder er ist resistent dagegen geworden.

(Foto: Uli Deck/dpa)

Wer plötzlich viel mehr trinkt, als empfohlen wird, sollte innehalten: Immer wieder erlebt Pola Gülberg, dass Menschen wegen einer unerkannten Diabeteserkrankung auf der Intensivstation landen.

Protokoll: Johanna Feckl, Ebersberg

Es ist schon eine Weile her, als ein junger Mann in seinen 20ern zu uns auf die Ebersberger Intensivstation kam. Er war sehr benommen, am Anfang teilweise auch gar nicht mehr ansprechbar. Eine der ersten Untersuchungen, die wir in solchen Fällen vornehmen, ist eine Blutgasanalyse. Dabei wird unter anderem der Blutzucker gemessen. Bei diesem Patienten war es eindeutig: Seiner war viel zu hoch, und der PH-Wert des Blutes sauer. Eigentlich sollte er leicht basisch sein - deshalb war der Mann in den Zustand einer sogenannten Ketoazidose gefallen.

Ketoazidose bedeutet, dass das Blut aufgrund eines zu hohen Blutzuckerspiegels übersäuert ist. Wenn dagegen nichts unternommen wird, kann das bis zum Tod führen. Typischerweise tritt die Ketoazidose bei einem Diabetes des Typs 1 auf - hier produziert der Körper überhaupt kein Insulin mehr. Wenn Betroffene dann vergessen, Insulin zu spritzen, steigt der Blutzuckerspiegel. Denn nur mit Hilfe des Insulins kann Zucker, der aus Nahrung oder Fettreserven gewonnen wird, in Körperzellen geleitet und dort verwertet werden. Bei Diabetes Typ 2 ist die Situation übrigens eine andere: Der Körper stellt zwar Insulin her, aber er ist resistent dagegen geworden, sodass weniger Zucker verwertet wird, als notwendig wäre. Zu einer Ketoazidose kommt es aber bei diesem Typ sehr selten.

Alle ein bis zwei Monate haben wir in der Ebersberger Kreisklinik einen Ketoazidose-Fall, das ist gar nicht mal so selten. Häufig ist es so, dass die Betroffenen zuvor nichts wussten von ihrer Diabetes-Erkrankung. So war es auch bei unserem jungen Patienten. Seine Ketoazidose führte also zur Diabetes-Erstdiagnose.

SZ-Pflegekolumne: Auf Station, Folge 94: Intensivfachpflegerin Pola Gülberg von der Ebersberger Kreisklinik.

Intensivfachpflegerin Pola Gülberg von der Ebersberger Kreisklinik.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Aber auch wenn der Diabetes bekannt ist, kommt eine Ketoazidose immer mal wieder vor. Typischerweise zum Beispiel dann, wenn ein Partywochenende mit viel Alkohol oder anderen Drogen hinter dem Betroffenen liegt: Im Rausch wird die Insulinspritze schlicht vergessen.

Was viele nicht wissen: Es gibt Anzeichen schon weit vor der Bewusstlosigkeit, die auf einen steigenden Blutzucker hinweisen, etwa ein immenses Durstgefühl. Für Betroffene ist es kein Problem, bis zu 15 Liter am Tag zu trinken. Zum Vergleich: Empfohlen wird normalerweise eine Menge von zwei bis drei Litern - und schon das schaffen die meisten Menschen nicht. Wenn man also plötzlich das Zwei-, Drei- oder Vierfache der üblichen Menge an Flüssigkeit trinkt, sollte man kurz innehalten und sich fragen: "Huch, was ist hier denn los?" - und dann schnell ab zum Hausarzt.

Wenn die Ketoazidose bereits weiter fortgeschritten ist, kommt die Intensivstation ins Spiel. Wir überprüfen den Blutzuckerspiegel in diesen Fällen engmaschig, während wir langsam Insulin hinzuführen - auf keinen Fall darf das zu schnell geschehen, das würde der Körper nicht schaffen. Mindestens 24 Stunden dauert es in der Regel, bis alles wieder im Lot ist. So war es auch bei dem jungen Mann: Nach einem guten Tag und der Aufklärung über seine Diabeteserkrankung konnte er die Klinik wieder verlassen.

Pola Gülberg ist Intensivfachpflegerin. In dieser Kolumne erzählt die 38-Jährige jede Woche von ihrer Arbeit an der Kreisklinik in Ebersberg. Die gesammelten Texte sind unter sueddeutsche.de/thema/Auf Station zu finden.

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