SZ-Pflegekolumne: Auf Station, Folge 8:Wenn ich falsch drehe, kann der Patient verbluten

Lesezeit: 2 Min.

Noch gibt es mehr Frauen in Pflegeberufen. Aber die Männer holen zumindest in der Ebersberger Kreisklinik auf. (Foto: dpa)

Pflegerin Julia Rettenberger über die lebenswichtige Bedeutung von links und recht - und wie man das Azubis beibringt.

Protokoll: Johanna Feckl

Es ist nun einmal so: Wenn ich über den dreckigen Schrank wische und danach prangt da aber immer noch ein Krümel, dann ist es schon in Ordnung zu sagen: Mei, nicht so schlimm. Wenn ich aber bei der arteriellen Blutabnahme den Dreiwegehahn um 90 Grad nach links drehe und nicht um 90 Grad nach rechts, dann kann der Patient verbluten. Ein kleiner Dreher in die falsche Richtung - und das Unglück nimmt seinen Lauf.

Ich achte darauf, Auszubildenden auf unserer Station klar zu machen, welche Wichtigkeit und Tragweite hinter unserer Arbeit steckt. Spätestens, wenn die jungen Menschen begriffen haben, welche fatale Auswirkungen der kleinste falsche Handgriff haben könnte, dann sind sie voller Eifer dabei, einen richtig guten Job zu erledigen.

Bei uns auf der Station sind in der Regel zwei bis drei Azubis am Ende ihres zweiten oder im dritten Ausbildungsjahr für zwei Wochen da, manchmal sind es auch drei oder vier Wochen. Dann haben wir zwei bis drei Monaten niemanden, bevor die nächste Kleingruppe kommt. Übrigens: Der Anteil an Pflegern steigt. Vor zehn Jahren, während meiner Ausbildung, waren wir 20 Frauen und fünf Männer, also ein Fünftel Männer. Heute würde ich den Männer-Anteil auf ein Viertel schätzen.

Hat ein Azubi auf der Intensiv Dienst, dann ist er einer von uns Pflegekräften zugeteilt - es läuft also niemand unbeaufsichtigt die Krankenhausgänge auf und ab und versorgt Patienten. Freilich können Auszubildende Aufgaben eigenständig übernehmen, genau genommen sogar eine ziemliche Bandbreite, beispielsweise Verbände wechseln, arterielle Blutabnahmen, Vitalwerte dokumentieren oder Blutgasanalysen durchführen. Aber bevor sie eine Arbeit alleine am Patienten erledigen, hat es ihnen zuvor eine von uns erfahrenen Pflegekräften gezeigt. Und bei den ersten Malen führen sie die Tätigkeiten unter unserer Aufsicht durch. Da passiert nichts.

Eine Sache passiert hingegen schon: Es macht klatsch! - und der Azubi liegt am Boden. Einfach umgekippt. Oft kommt das vor, wenn sie zum ersten Mal bei einer Reanimation dabei sind oder wenn sehr viel Blut im Spiel ist, etwa weil der Patient Blut erbricht oder bei Thoraxdrainagen, wo ein Schlauch im Brustbereich eingeführt wird. Mir selbst ist das während meiner Ausbildung nicht passiert. Aber es ist nicht so, als ob ich nie kurz davor gewesen wäre. Ich habe es glücklicherweise nur jedes Mal geschafft, den Raum rechtzeitig zu verlassen.

Wenn die Zeit der Azubis auf der Intensivstation vorüber ist, fällt ein Satz ziemlich oft: "Bei euch habe ich am meisten gelernt." Mich freut das, denn genau das habe ich selbst gesagt, als ich eine Auszubildende - deshalb war mir damals schnell klar, dass ich als ausgelernte Pflegekraft im Intensivbereich arbeiten möchte.

Julia Rettenberger ist Intensivfachpflegerin. In dieser Kolumne erzählt die 27-Jährige jede Woche von ihrer Arbeit an der Kreisklinik in Ebersberg. Die gesammelten Texte finden Sie unter sueddeutsche.de/thema/Auf_Station.

© SZ vom 28.06.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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