Süddeutsche Zeitung

Asylpolitik in Ebersberg:Poing bittet um Hilfe bei der Unterbringung von Flüchtlingen

In Poing leben so viele Flüchtlinge wie in keiner anderen Gemeinde im Landkreis Ebersberg. Der Bürgermeister hat nun eine Befürchtung.

Von Barbara Mooser, Poing

Als die Flüchtlingsströme vor ein paar Jahren schier nicht abreißen wollten, hat sich Poing hilfsbereit gezeigt: So viele Asylbewerber wie nirgends sonst im Landkreis leben heute in der Gemeinde. Nun aber fühlt sich Bürgermeister Albert Hingerl (SPD) mit den Folgen allein gelassen - sowohl von seinen Bürgermeisterkollegen, als auch von Bund und Land.

Er fürchtet, dass durch die Unterbringung sogenannter Fehlbeleger und Familiennachzug immense Kosten auf die Gemeinde zukommen und will sich nun an den Gemeindetag und den Städtetag wenden, um Hilfe zu bekommen - und Geld. Es handle sich schlichtweg um eine Situation, "die wir alleine nicht stemmen können", sagte Hingerl am Donnerstag im Gemeinderat.

Hintergrund seines Hilferufs ist die Tatsache, dass offiziell die Gemeinden dafür zuständig sind, sich um Obdachlose zu kümmern. Obdachlos könnten freilich künftig auch Flüchtlinge werden, deren Asylantrag anerkannt ist oder die Bleiberecht haben. Sie gelten in den offiziellen Unterkünften als sogenannte Fehlbeleger.

Momentan ist es zwar so, dass diese Fehlbeleger nicht aus den Asylunterkünften geworfen werden. In Poing fürchtet man aber, dass die Regierung von Oberbayern dieses Versprechen eines Tages zurücknehmen könnte - und dann stünde die Gemeinde auf einen Schlag mit Dutzenden Obdachlosen da. Derzeit, so ließ der Bürgermeister vorrechnen, sind 70 der 232 in Poing lebenden Flüchtlinge Fehlbeleger, es könnten aber noch viel mehr werden, weil sich einige afghanische Asylbewerber im Klageverfahren befinden und danach eine gute Bleibeperspektive haben.

Der Familiennachzug kommt noch hinzu

Die Zahl könnte sich zudem noch einmal deutlich erhöhen, weil eine Asylunterkunft in Grub, die Platz für 150 Menschen bietet, derzeit noch gar nicht voll belegt ist. Dazu käme dann noch der Familiennachzug - wenn jeder noch ein paar Verwandte nachholt, so die Poinger Berechnungen, ist dann schon nicht mehr von mehreren Dutzend, sondern eher von etwa 250 Menschen insgesamt die Rede, für die Poing verantwortlich wäre.

Die Verwaltung machte eine detaillierte Rechnung auf, was auf die Gemeinde zukommen könnte. Derzeit wendet die Gemeinde für neun Obdachlose jährlich etwa 86 000 Euro an Personal- und Sachkosten auf, hinzu kommen Kosten für die Ausstattung, den Betrieb und die Betreuung der Unterkünfte. Wie die Summen sich potenzieren würden bei 250 Menschen, ist leicht auszurechnen.

Es gehe nicht darum, dass man sich nicht gut um die Flüchtlinge kümmern wolle, unterstrich Hingerl, man wolle die in Poing lebenden Menschen die schwierige Situation auch nicht spüren lassen, doch sie sei nun mal "nicht tragbar". Von den anderen Gemeinden im Landkreis, die im Verhältnis zur Einwohnerzahl sehr viel weniger Flüchtlinge aufgenommen haben - oder sogar gar keine -, fordert der Poinger Bürgermeister nun Solidarität ein. Er habe bereits bei einigen Amtskollegen nachgefragt, aber nur Absagen kassiert, sagte er.

In seiner Präsentation zu dem Thema, die er vor zwei Wochen auch schon bei einer Bürgermeisterdienstbesprechung seinen Kollegen gezeigt hat, sieht Hingerl in der Verteilung der Obdachlosen auf andere Kommunen nach einem an der Einwohnerzahl orientierten Verteilerschlüssel einen möglichen Ausweg. Darüber hinaus will sich Hingerl bei den überörtlich Zuständigen dafür stark machen, dass die Gemeinden mit finanziellen Mitteln für die anstehenden Aufgaben ausgestattet werden.

Der Ebersberger Bürgermeister Walter Brilmayer (CSU) kann diesen Vorstoß gut nachvollziehen, schließlich leben auch in der Kreisstadt im Verhältnis zur Einwohnerzahl viel mehr Flüchtlinge als es bei einer gerechten Verteilung der Fall wäre. Brilmayer hatte 2017 eine Arbeitsgruppe geleitet, die sich mit möglichen Auswegen aus der Misere befasst hatte, man habe "vereinbart, dass wir uns gegenseitig helfen", so Brilmayer.

In der Praxis habe das aber nicht funktioniert; wie Hingerl habe auch er festgestellt, "dass sich viele ganz elegant wegducken". Er geht davon aus, dass das Folgen haben wird, wenn es wieder einmal darum geht, geflüchtete Menschen unterzubringen, so Brilmayer: "Wenn sich herausstellt, dass man der Gelackmeierte ist, wenn man hilft, wird sich künftig ein Gemeinde- oder Stadtrat genau überlegen, was er macht."

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SZ vom 10.03.2018/koei
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