Asylbewerber:Warten auf die Arbeitslosigkeit

Im Kreis fehlen Mittel für die Integration von Flüchtlingen - der Landrat fordert Geld vom Bund

Von Wieland Bögel, Ebersberg

Flüchtlinge fit zu machen für den Arbeitsmarkt sollte eigentlich Aufgabe des Jobcenters sein. Doch erfüllen lässt sich diese Aufgabe im Landkreis derzeit nicht - Grund ist der Geldmangel bei Eingliederungshilfen. Diesen Missstand will Landrat Robert Niedergesäß (CSU) nicht länger hinnehmen, in einem offenen Brief hat er sich nun an Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) gewandt und dringend eine Veränderung des Verteilungsschlüssels für die Bundesmittel verlangt.

Wie Jobcenter-Geschäftsführer Hermann Schmidbartl erklärt, würden Flüchtlinge und Geld für deren Integration unterschiedlich verteilt. Für die Menschen gilt der Königsteiner Schlüssel, ein Index, der sich aus Bevölkerungszahl und Wirtschaftsleistung errechnet. Für die Jobcenter-Gelder dagegen gilt die Eingliederungsmittel-Verordnung, die sich an in der Vergangenheit erhobenen Zahlen von in einzelnen Regionen wohnenden anerkannten Flüchtlingen orientiert. Die Folge davon ist, so Schmidbartl, dass die Zahlen nicht zusammenpassen und etwa in Bayern deutlich weniger Geld für die Eingliederung von Flüchtlingen ins Arbeitsleben bereitsteht. Er schätzt die Deckungslücke in ganz Bayern auf 20 bis 30 Millionen Euro, "und Ebersberg hat ganz besonders wenig bekommen".

Insgesamt seien es heuer 213 000 Euro gewesen, so Niedergesäß. Davon bezahlt werden müssten Eingliederungshilfen für 270 Flüchtlinge, es bleiben also 788 Euro pro Person und Jahr. Die Kosten für eine Qualifizierungsmaßnahme betragen laut Landratsamt aber mindestens 2000 Euro. Erschwerend komme noch hinzu, so Schmidbartl, dass das Geld erst relativ spät ausbezahlt wurde: Rund zwei Drittel der Summe habe der Kreis erst Anfang Mai bekommen.

Zwar habe man die Mittel schon so gut wie möglich umgeschichtet, so Niedergesäß, etwa indem man Geld, das eigentlich für die Deckung von Verwaltungskosten gedacht war, nun für Eingliederungsleistungen verwendet. Eigentlich sollten 120 000 Euro für den Verwaltungsaufwand fließen, aktuell sind es nur knapp die Hälfte. Dadurch erhöht sich zwar der Anteil für Eingliederungsmaßnahmen, diese bleiben dennoch weit hinter dem Bedarf zurück. Andere Mittel des Jobcenters könne man nicht umleiten, sie "werden dringend zur Prävention vor und zur Reduzierung der Langzeitarbeitslosigkeit benötigt". Im Landratsamt schätzt man, dass mit den vorhandenen Mitteln 50 bis 75 "Menschen mit Fluchthintergrund bedarfsgerecht gefördert werden" könnten.

Dies macht sich bereits bemerkbar, sagt Schmidbartl, bestimmte Maßnahmen würden aus Kostengründen nicht angeboten, so wurde etwa ein Kurs im Bereich Sicherheitsdienste abgesagt. Derzeit konzentriere man sich auf Personen, die bereits ein Jobangebot hätten aber vor Arbeitsbeginn noch eine Zusatzqualifikation brauchen. Hier gibt es die Möglichkeit, einen Zuschuss an den künftigen Arbeitgeber zu zahlen, so dass Qualifikationen im Betrieb erfolgen können. Doch für viele Flüchtlinge reiche das nicht aus, so Schmidbartl, hier seien zunächst intensivere Maßnahmen erforderlich. Dazu gehören auch Deutschkurse. Für die ist eigentlich das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zuständig, bietet sie laut Schmidbartl aber nicht im nötigen Umfang an. Durch die fehlenden Sprachkurse und die fehlenden Mittel für die Arbeitsagentur gehe eine Chance verloren, sagt Schmidbartl: "Wir hätten viele Leute im Landkreis mit Potenzial." Bei richtiger Förderung könnten die meisten von ihnen in den nächsten zwei bis drei Jahren eine Arbeit oder eine Ausbildung aufnehmen.

Ohne Förderung besteht dagegen "die Gefahr, dass überdurchschnittlich viele Menschen mit Migrationshintergrund in die Langzeitarbeitslosigkeit abdriften", schreibt Niedergesäß. Das befürchtet auch Schmidbartl, "längeres Zuwarten bedeutet mehr Langzeitarbeitslose". Und das Problem dürfte sich nach Einschätzung des Landratsamtes weiter verschärfen: So würden wahrscheinlich noch heuer zwischen 600 und 900 Asylanträge von derzeit im Landkreis lebenden Flüchtlingen bewilligt, diese würden damit Kunden des Jobcenter. Bei gleichbleibender Förderung durch den Bund, so Niedergesäß weiter, "bleiben über 80 Prozent der Menschen mit Fluchthintergrund zunächst unversorgt und in der zwangsweisen Untätigkeit".

Dies könnte, neben dem Anstieg der Langzeitarbeitslosigkeit, und den daraus resultierenden höheren Kosten, weitere negative Folgen haben, erwartet der Landrat: So könne es passieren, "dass andere Kunden (des Jobcenters) nicht mehr mit der gewohnten Qualität versorgt werden können, weil auch Stammressourcen für die Grundversorgung von Menschen mit Fluchthintergrund eingesetzt werden müssen". Dadurch könnte "die Akzeptanz für Menschen mit Fluchthintergrund sinken" und "Sicherheitsrisiken im Jobcenter" steigen. "Nicht zuletzt sehe ich auch eine Gefahr für den sozialen Frieden im Landkreis", schreibt Niedergesäß weiter. Darum sei es nötig "die Finanzierungslücke schnellstmöglich zu schließen", diese beträgt, je nach Anzahl der letztlich anerkannten Flüchtlinge, 270 000 bis 450 000 Euro pro Jahr. "Wir hoffen dass der Brief wirkt", sagt Schmidbartl, oder, wie es der Landrat ausdrückt: "Das Geld muss dahin fließen, wo die Menschen versorgt werden müssen."

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