Flüchtlingshilfe in Forstinning:Ringen um Verständnis

Flüchtlingshilfe in Forstinning: Jana Waidhaase (Bayerischer Flüchtlingsrat) und Organisator Mathias Weigl (Abteilung Soziales, Gemeinde Forstinning) führen als Ansprechpartner durch den Abend.

Jana Waidhaase (Bayerischer Flüchtlingsrat) und Organisator Mathias Weigl (Abteilung Soziales, Gemeinde Forstinning) führen als Ansprechpartner durch den Abend.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Die Gemeinde stellt sich Fragen zum Thema Asyl. Nach der Schaffung einer weiteren Flüchtlingsunterkunft im Herbst gibt es Gesprächsbedarf.

Von Lino Herrmann, Forstinning

Man merkt, dass das Thema die Gemeinde umtreibt. Der Saal im ersten Stock des Forstinninger Rupert-Meyer-Hauses ist voll an diesem Abend. Nachdem im Ort im Vorjahr einige ukrainische Geflüchtete aufgenommen worden sind, und das Landratsamt im Herbst eine weitere Flüchtlingsunterkunft geschaffen hat, wo nun Menschen aus dem Kongo, dem Libanon, Sierra Leone und der Türkei untergebracht sind, gibt es ganz offenbar Gesprächs- und Informationsbedarf.

Mathias Weigl, Sozialpädagoge und Sozialansprechpartner in Forstinning, hat den Abend zusammen mit der Gemeindeverwaltung und Bürgermeister Rupert Ostermair sowie dem Helferkreis Forstinning organisiert. Auf einem Podium stehen die Verantwortlichen an diesem Abend den Anwohnern Frage und Antwort. Vom Landratsamt ist niemand hier, dafür der bayerische Flüchtlingsrat in Person von Referentin Jana Waidhaase, die allgemeine Expertise zum Thema Flüchtlinge und Asyl anbieten will. Auch eine Flüchtlingsfamilie ist gekommen. Waidhaase eröffnet den Abend mit einer generellen Einleitung zum Thema Flüchtlinge und Asyl. Warum fliehen Menschen überhaupt aus ihren Heimatländern? Was sind die Hauptherkunftsländer? Wie läuft ein Asylverfahren in Deutschland ab? Dann spricht Mathias Weigl über die Lage in Forstinning.

Insgesamt existieren in der Gemeinde fünf dezentrale Unterkünfte

112 Flüchtlinge sind mittlerweile in der Gemeinde untergebracht, davon 67 Erwachsene und 45 Kinder. Insgesamt existieren in der Gemeinde fünf dezentrale Unterkünfte, die vom Landratsamt betreut werden. In drei Unterkünften befinden sich nur ukrainische Geflüchtete, in einer ausschließlich Geflüchtete aus der Türkei, und in der neuesten Unterkunft kommen verschiedene Nationen zusammen. Die Jugendlichen, die darunter sind, besuchen einen Deutschkurs, die Kinder die Grundschule in Forstinning oder in Poing, den Kindergarten oder die Kinderkrippe Anzing. Für diejenigen, die keine Plätze im Kindergarten haben, organisiert der Helferkreis eine wöchentliche Spielgruppe.

In der anschließenden Fragerunde kommen die Forstinninger zu Wort - und sie nützen die Gelegenheit. "Mich wundert's, dass Flüchtlinge aus der Türkei überhaupt hierher nach Deutschland kommen", ist die erste Anmerkung. Waidhaase erklärt, dass auch Menschen aus vermeintlich sicheren Herkunftsländern schutzbedürftig sind. Dann wird ein Vorfall aus den vergangenen Monaten von einen Anwohner zur Sprache gebracht. "Seit 20 Jahren hatten wir keine Polizei in der Straße, und jetzt in drei Monaten zwei Mal. Wir wollen einfach unsere Ruhe haben".

Bei den Polizeieinsätzen sei es um häusliche Gewalt in einer der geflüchteten Familien gegangen, die sich auf dem Feld vor dem Haus abgespielt haben soll, erklärt ein Forstinninger, was Bürgermeister Ostermair bestätigt. Manche Kinder würden sich jetzt nicht mehr in diesen Teil der Straße trauen, heißt es danach aus dem Publikum. Auch Grillveranstaltungen mit "offenem Feuer" und lautes Telefonieren werden beklagt. Einzelne Nachbarn wünschen sich, stärker in den Prozess der Unterbringung von Flüchtlingsfamilien in ihrer Straße einbezogen zu werden.

Podiumsgäste und auch Geflüchtete versuchen zu vermitteln

"Bei sieben Quadratmetern pro Person, da knallt's selbstverständlich mal", sagt Bürgermeister Ostermair. Auch Toni Beer vom Helferkreis Forstinning meldet sich zu Wort: "Wir nehmen diese Dinge ernst und wir reden mit den Familien." Dass man die Nachbarschaft stärker in die Veränderungen hätte einbinden müssen, sieht er ähnlich. Doch es gehe darum, Lebensgewohnheiten zusammenzubringen, Verständnis zu zeigen und auf die Leute zu zugehen. Ohne Kommunikation könne keine Integration stattfinden.

Dann meldet sich Alina Midoni. Sie ist 2018 aus der Ukraine nach Forstinning gekommen und sagt, sie sei "hier in Forstinning auf goldene Menschen gestoßen". Sie schwärmt davon, wie herzlich sie damals hier aufgenommen worden sei. Eigentlich sei sie Lehrerin, doch ihr Diplom werde nicht anerkannt. "Deutsch ist sehr schwer", sagt sie. Sie hat bereits freiwillig im Kindergarten gearbeitet und möchte weiter lernen und arbeiten. "Ich will wie Sie sein", sagt sie in die Runde und bedankt sich für die Hilfe in Forstinning. Sie bekommt lauten Applaus.

"Geht aufeinander zu"

Nachdem sich daraufhin dieselben Kritiker zu Wort melden, die schon Polizeieinsätze, Lautstärke und Grillaktivitäten bemängelt haben, und die nun die hohen Energiekosten der Flüchtlingsunterkünfte ("ein energetischer Wahnsinn") monieren, stürmt ein älterer Herr aus dem Saal - mit den Worten: "Sie reden am Thema vorbei, merken Sie das nicht!" Eine andere Nachbarin hält den Skeptikern entgegen, sie habe sich zu Beginn bei der Flüchtlingsunterkunft in ihrer Straße vorgestellt und ausschließlich nette Reaktionen erhalten. "Allein heute wurden mir wieder zwei Teller mit Essen vorbeigebracht", sagt sie mit Blick in Richtung der Flüchtlingsfamilie, die hinten im Saal sitzt. "Man muss nur den Mut haben, auf die Leute zuzugehen", fügt sie hinzu.

Gegen Ende kommt Susanne Grasser, Richterin am Amtsgerichts Ebersberg und Mitglied des Helferkreises, nach vorne und beteuert: "Es geht uns allen sehr gut hier und wir sind es der Menschlichkeit schuldig, diesen Leuten zu helfen. Gebt ihnen eine Chance und geht auf sie zu". Auch hier wird lange applaudiert. Kurz danach löst sich die Versammlung auf, doch die meisten hier in Forstinning bleiben noch und reden miteinander.

Zur SZ-Startseite

SZ PlusAmtsgericht Ebersberg
:"Es braucht Konfrontation und den offenen Konflikt"

Vier junge Menschen müssen sich wegen einer Protestaktion gegen die IAA vor Gericht verantworten. Dort lassen die Aktivisten keine Möglichkeit ungenutzt, Richter und Staatsanwaltschaft das Leben schwer zu machen - und scheuen auch vor einem Vergleich mit Jesus nicht zurück.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: