Aßling:Präzisionswerkzeuge aus dem Hühnerstall

Die Aßlinger Firma Hofmann & Vratny ist seit der Gründung vor 40 Jahren zu einem der größten Fräserhersteller Deutschlands gewachsen. Die jungen Firmenchefs sehen vor allem die Zufriedenheit der Mitarbeiter als Basis ihres Erfolgs

Von Johanna Feckl, Aßling

Wenn man Aßling hinter sich gelassen hat und in Richtung Steinkirchen weiterfährt, kann es einem Ortsunkundigen schon einmal passieren, dass er wenig später ratlos zwischen den wenigen Häusern in Steinkirchen steht. Hier soll einer der deutschlandweit größten Hersteller für Vollhartmetallfräser seinen Standort haben? Ein Unternehmen mit gleich drei Werken und 85 Mitarbeitern? Aber ja, tatsächlich: Gleich hinter der Steinkirchener Ortstafel führt eine unscheinbare Abzweigung ein paar hundert Meter einen kleinen Berg hinunter. Dort sind die Werkshäuser und Büros der Firma Hofmann & Vratny.

In diesem Jahr feiert das Unternehmen sein 40-jähriges Bestehen. Im Frühjahr 1976 gründeten Gerd Hofmann und Zdenek Vratny das Unternehmen. Ihr Firmensitz war damals eine Garage. Fräser wurden noch gar keine hergestellt, sondern lediglich nachgeschliffen. Elf Jahre später, 1987, kam es dann zu einer großen Erweiterung: Nun gab es auch eigene Fräser im Sortiment, und die Produktionsstätte wurde von der Garage in einen ehemaligen Hühnerstall in Steinkirchen verlegt, das heutige Werk 3.

"Wir sind stetig gewachsen", erzählt Andreas Vratny. Seit Mitbegründer Gerd Hofmann 2014 aus dem Unternehmen ausschied, leitet er zusammen mit seinem Vater und seinem früheren Kommilitonen Marius Heinemann-Grüder den Betrieb. 2003 wurde das Firmengelände um ein zweites Gebäude, das Werk 2, erweitert. Nur ein Jahr später kam das Nachschleifwerk in Nürnberg hinzu, wo mittlerweile weitere 15 Mitarbeiter beschäftigt sind. Mit dem Wechsel der Unternehmensführung begann der Bau des Werks 1.

Zuletzt stellte der Betrieb 1,6 bis 1,7 Millionen Fräser pro Jahr in 7000 verschiedenen Ausführungen her. Die Schneidendurchmesser der Fräser reichen von 0,1 bis 32 Millimeter, sie kosten zwischen zehn und mehreren hundert Euro. Die kleinsten Fräser sind beispielsweise für das Chipkartenmuster auf Geldkarten verantwortlich; die größten verwendet man für die Luft- und Raumfahrttechnik. Daneben sind Branchen wie die Medizintechnik, Brillenindustrie, der Automobil- oder Handybereich wichtige Abnehmer für die Fräser - immer allerdings mit einem Großhändler dazwischen geschaltet.

Für die beiden Neuzugänge in der Geschäftsleitung war es wohl einfach eine zeitlich günstige Gelegenheit, die sich ihnen durch den Weggang von Gerd Hofmann direkt nach Abschluss ihres Studiums der Wirtschaftsinformatik in Karlsruhe bot. Der heute 29-jährige Vratny und der 25-jährige Heinemann-Grüder ergriffen schließlich diese große Chance.

Seither hat sich bei Hofmann & Vratny einiges verändert. "Wir möchten uns mitarbeiterorientiert ausrichten", betont Andreas Vratny. Dazu gehört zum Beispiel täglich kostenloses Obst sowie eine 15-minütige entlohnte Pause für alle Beschäftigten. Und alle zwei Monate findet ein Mitarbeiterstammtisch statt, bei dem es für mögliche Probleme oder Verbesserungsvorschläge immer ein offenes Ohr gibt. Was Heinemann-Grüder und Vratny ebenfalls eingeführt haben, ist das Du über alle Ebenen hinweg. Ein Du schaffe immer sofort eine familiäre Atmosphäre, da ist sich Vratny sicher. "Ob man den Chef respektiert oder nicht, ist nicht an ein Du oder Sie gekoppelt."

"Ich denke nicht, dass eine Firma ohne eine starke Ausrichtung auf ihre Mitarbeiter zukünftig noch überleben kann", begründet Andreas Vratny ihre Orientierung an der Zufriedenheit ihres Teams. "Dazu ist die Konkurrenz viel zu groß!" Um eine größere Identifikation mit ihrem Unternehmen zu erreichen, binden Vratny und Heinemann-Grüder ihre Mitarbeiter auch verstärkt in Entscheidungs- und Entwicklungsprozesse mit ein. Und einen weiteren positiven Effekt hat diese Form der Unternehmensführung: "Wenn man mit mehreren zusammen an einer Sache sitzt, dann passieren eben auch weniger Fehler."

Damit auch die Kunden zufrieden sind, gibt es eigens eine Prüfstelle für die fertiggestellten Fräser. Derzeit wird im Werk 1 jeder zehnte Fräser auf Material- oder Normfehler hin kontrolliert. Ziel ist es, dass bald jeder einzelne Fräser begutachtet wird, bevor er den Betrieb verlässt. Gegenüber in Werk 2, hinter sperrigen Schränken mit grünen Schubfächern, in denen die vielen fertiggestellten Fräser lagern, befindet sich der Verpackungsbereich. "Hier arbeiten unsere Damen." Abgesehen von diesem Gebiet gibt es nur noch in den Büros Frauen - keine einzige in der Produktion. Eine strukturelle Ursache, sagt Andreas Vratny. Bei ihnen würden erst gar keine Bewerberinnen aufschlagen. Kein Wunder: "In meiner Berufsschulklasse waren nur zwei Mädchen; in der Parallelklasse gab es gar keines", erzählt Sedat Köse, der im vergangenen Jahr seine Ausbildung zum Schneidwerkzeugmechaniker abgeschlossen hat und seitdem bei Hofmann & Vratny arbeitet. Zufrieden mit diesem branchenweiten Geschlechtergefälle wirken die beiden jungen Geschäftsleiter ganz und gar nicht.

Gleichwohl sind sie stolz auf Mitarbeiter wie Sedat Köse: Seine Ausbildung hat er als Bester im Gebiet Oberbayern/München abgeschlossen. Damit hat sich der 19-Jährige für den Leistungswettbewerb des deutschen Handwerks auf Länderebene qualifiziert. Im September wird sich zeigen, ob es dann vielleicht sogar auf Bundesebene noch weiter geht.

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