Auftritt in Ebersberg:Ein Tornado im Alten Kino

Auftritt in Ebersberg: Zwischen Verzweiflung und Hoffnung bewegt sich der Kabarettist Arnulf Rating in seinem Programm "Tornado".

Zwischen Verzweiflung und Hoffnung bewegt sich der Kabarettist Arnulf Rating in seinem Programm "Tornado".

(Foto: Hartmut Pöstges)

Kabarettist Arnulf Rating macht's möglich - indem er in die Rolle des klassischen Aufklärers schlüpft

Von Wolfgang Langsenlehner, Ebersberg

Was kann politisches Kabarett in der heutigen Zeit leisten? Ist uns das Lachen nicht schon längst vergangen angesichts der realsatirischen und überspitzten Zustände im Land und auf der Welt? Auch wenn man skeptisch sein könnte - Arnulf Rating belehrt sein Publikum im Ebersberger Alten Kino genussvoll eines Besseren. Denn manchmal hilft einfach nur Humor, um all die verstörenden Nachrichten und Neuigkeiten bewältigen zu können.

Ein kabarettistisches Schwergewicht stand am vergangenen Freitag in Arnulf Rating auf dem Programm, der von hinten in den fast ausverkauften Saal stolperte und gehetzt die Bühne betrat. Ganz knapp hatte er es nur geschafft, denn wer hielt ihn auf und stahl ihm die Zeit? Die Bahn natürlich. Als Rating noch sein schnell besorgtes Hähnchen auspackt, um sein Programm nicht im Unterzucker beginnen zu müssen, sind wir schon mitten im Programm. Denn von der Bahn geht es thematisch zur Ernährung. Da bietet sich das Hähnchen an, das vollgepumpt mit Nitrat, Glyphosat und Antibiotika den Arztbesuch beziehungsweise die Medikamente fürs nächste halbe Jahr schon erledigt - inklusive Coronaviren-Prophylaxe.

Nach dem Mahl ist der Zeitpunkt gekommen, auf den Kenner der Programme Ratings wohl schon gewartet haben: Der obligatorische Zeitungsstapel wird ausgepackt und anhand der Schlagzeilen das Tagesgeschehen kommentiert. Auch die Probleme der jungen Generation mit den Printausgaben einer Zeitung werden anschaulich demonstriert. Nach Wischen, vergeblichem Draufklicken und der Vermutung, der Akku sei leer, findet der Jugendliche auch keine Buchse zum Aufladen und wirft die Zeitung enttäuscht weg: "Kaputt!" Die Herausforderungen der Digitalisierung, der künstlichen Intelligenz und der modernen Welt werden ebenso auseinandergenommen wie die Klimakrise, der die Regierung und die ehemalige Umweltministerin Angela Merkel nur zögerlich entgegentreten. Da hilft auch das Klimapaket nicht, das beim Auspacken leider nur "heiße Luft" enthält. Vielleicht sind aber die zukünftigen technischen Errungenschaften doch ganz nützlich. Das autonome Fahren ermöglicht es, das Auto allein in den Stau zu schicken, und packt man den Hund und die Kinder mit ein, ist einem selbst ebenfalls etwas Ruhe vergönnt. Somit kommt die Erholung gleich nach Hause - ohne langwierige Urlaubsanfahrt.

Als General verkleidet beackert Arnulf Rating eines seiner Lieblingsthemen: Er übt schadenfrohe, hemmungslose und geradezu antimilitaristische Kritik an der Bundeswehr, die mit scheinbar unübersichtlichen Problemstellungen konfrontiert sei, zum Beispiel mit den Beraterheerscharen, die der Bundeswehr helfen sollen. Hier wurde Ratings Meinung nach in "Torfköpfe statt Sprengköpfe" investiert. Insofern bezweifelt der Kabarettist, ob sich Ursula von der Leyen damit für ihr neues Amt überhaupt qualifiziert hat.

Das Ebersberger Publikum geht bei all seinen Volten, Themenwechseln und überraschenden Pointen mit, und es wird oftmals ausgelassen und herzhaft gelacht, wobei es Rating gekonnt schafft, den Kern des klassischen politischen Kabaretts herauszuarbeiten. Da steckt im Humor immer das Nachdenkliche, in der Kritik auch das Selbstkritische, im Witz das Entlarvende und somit ein im besten Sinne aufklärerisches Element. Nachdem Rating seinen Zuhörern klar gemacht hat, dass die Umweltproblematik im deutschen Arbeitsethos begründet ist - da wir schließlich alle wie verrückt schuften und dabei vor allem Dinge produzieren, die Probleme auslösen, wie etwa Plastik oder Kohlekraftwerke - schickt er sie zum Ruhegeben in die Pause.

Im zweiten Teil seines Programms schlüpft Rating dann endgültig in die Rolle des Aufklärers: Anhand von Edward Bernays zeigt er genauso präzise und gleichzeitig unterhaltsam, wie die Beeinflussung von Massen funktioniert. Bernays hat vor etwa hundert Jahren gewirkt und die moderne Propaganda beziehungsweise Public Relations mithilfe damals neuer psychologischer Erkenntnisse begründet. Und natürlich versäumt Rating es nicht, auch den Bezug zur heutigen ausufernden Lobbyarbeit herzustellen. Aber es gibt Hoffnung: Ohne Nutzung der digitalen Fortschritte, sondern nur mit einem selbstbeschriebenen Schild habe es Greta Thunberg geschafft, die Welt aufzurütteln. Ihr Erfolg gibt ihr Recht!

In Anbetracht der kommenden Kommunalwahl lässt es sich Rating auch nicht nehmen, eindringlich zum Wählen aufzufordern, auch wenn es niemals eine Garantie für ein gutes Ergebnis gebe. So hätten die Österreicher im vergangenen Jahr sogar ganz fleißig zweimal gewählt - und seien trotzdem "zweimal zu Kurz gekommen".

Die Schnelligkeit der Assoziationsketten Ratings und das Sperrfeuer seiner Pointen lassen das zufriedene und amüsierte Publikum wohl noch viel nachdenken und schmunzeln an diesem Abend. Denn solch ein "Tornado", wie das neue Programm heißt, möchte erst einmal verarbeitet werden.

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