Arbeiten in Grafing:Raus ins Home-Office

Arbeiten in Grafing: Die beiden Grafingerinnen Gabi Köhler (links) und Lisa Lohoff befinden sich mit ihrem Co-Working-Projekt auf der Zielgeraden.

Die beiden Grafingerinnen Gabi Köhler (links) und Lisa Lohoff befinden sich mit ihrem Co-Working-Projekt auf der Zielgeraden.

(Foto: Christian Endt)

In Grafing soll das erste Co-Working- und Gründerzentrum im Landkreis entstehen. Schon Ende des Monats könnte der Bau von temporären Pop-Up-Flächen starten.

Von Thorsten Rienth, Grafing

Hier ein Besprechungsraum, dort eine Bar oder sogar eine Lounge für spontanen Kontakt. Weiter hinten vielleicht eine Ruhezone. Manche der Schreibtische sind fest vermietet. Andere, die "Hotdesks", dagegen frei zugänglich - wenn sie denn frei sind. Strom, Drucker, Beamer, Internet und Hausmeister sind im Wochen-, Tages- oder manchmal auch nur im Stundenticket inklusive. Co-Working heißt das Konzept dahinter: Platz, um zusammen zu arbeiten. In größeren Städten längst etabliert, nimmt nun der erste "Space" im Landkreis Ebersberg konkrete Formen an. Der passende Name des Grafinger Aufschlags, an den auch noch ein Gründerzentrum angedockt werden soll: "Zamworking".

Hinter dem Projekt stehen die Grafingerinnen Gabriele Köhler und Lisa Lohoff. Lohoff arbeitete lange als Projektmanagerin in einem Telekommunikationsunternehmen. Köhler ist als selbständige Unternehmensberaterin im Bereich Innovationsmanagement tätig. Seit vergangener Woche ist dem Duo zufolge die Betreiber-Gesellschaft gegründet. Der Eintrag ins Handelsregister sei nur noch eine Frage von einigen wenigen Tagen.

Womöglich schon Ende Januar könnten der Aufbau der ersten temporären Pop-Up-Flächen beginnen. "Die sollen den operativen Startschuss markieren", erklärt Lisa Lohoff. Hintergrund sei, dass der endgültige Standort erst einmal hergerichtet werden müsste. Und die Entscheidung obendrein in den stätischen Gremien zu treffen sei.

Genau das passiert in der kommenden Woche. Am Dienstagabend berät der Grafinger Finanz- und Wirtschaftsausschuss über die Standortfrage, auch über die der Pop-Up-Flächen. Welche Möglichkeiten im Spiel sind, muss bis zur Sitzung freilich noch Verschlusssache sein. Nur so viel: "Mit allen Optionen, die zur Debatte stehen, können wir sehr gut leben", versichert Lohoff. Da die Sache über den Stadtrat läuft, dürfte es sich bei den Pop-Up-Flächen zumindest um ein städtisches Gebäude handeln. Von Grafing aus betrachtet gibt es die nächsten "Spaces" in München und Rosenheim.

Dass seit dem Projektstart im Herbst gerade einmal ein paar Monate bis hierher vergangen sind, liegt auch mit an den Ergebnissen einer Umfrage. Die hatten Köhler und Lohoff zusammen mit dem Grafinger Wirtschaftsförderer Tim Grebner online gestartet. "Es ist uns darum gegangen, die tatsächlichen Bedarfe in Grafing und Umgebung besser einordnen zu können", erklärt Köhler. Vom Ergebnis seien sie selbst überrascht gewesen: "Von den etwa 100 Rückmeldungen haben fast dreiviertel Interesse an einem Platz begründet, die meisten zwischen einem und drei Tagen in der Woche."

Die positive Überraschung bezieht Köhler ausdrücklich auch auf die Qualität der Rückmeldungen. "Denkt an Gigabit-Internet, vor allem auch an schnellen Upload. Ebenso wichtig fände ich eine Möglichkeit, sich auch nur für einen Tag einzubuchen (Meetings, Ruhe vor den Kindern)", zitiert sie. Oder: "Es wäre toll, wenn man wirklich tageweise hinkommen könnte, zum Beispiel, wenn einem zu Hause die Decke auf den Kopf fällt."

Feedback wie dieses ist durchaus auch über einen gesamtgesellschaftlichen Trend erklärbar. Mit der Digitalisierung vieler Arbeitsprozesse verschwimmt die Grenze zwischen Privat- und Berufsleben. Die Corona-Pandemie, auch das wird mittlerweile deutlich, wirkt da wie ein Katalysator. Co-Working-Spaces und Gründerzentren könnten einen Beitrag leisten, die Grenzen wieder zu schließen - und das vor dem Hintergrund der persönlichen und familiären Bedürfnisse eben ziemlich flexibel.

Bemerkenswert ist an den Rückläufern, dass offenbar nicht nur das klassische Klientel drauf anspringt, also etwa Programmierer, Übersetzer, Architekten, Journalisten oder Marketing-Experten. Köhler und Lohoff zufolge haben sich auch schon mehrere Unternehmen aus der Region gemeldet. Sie könnten sich vorstellen, einzelne Büros oder Schreibtische längerfristig anzumieten. Der Vorteil liegt auf der Hand: Die Firmen sparen sich entweder Platz in der Zentrale, können Personalspitzen abfedern oder ihre räumlichen Ressourcen besser ausnutzen. Schlicht, weil weniger Büros im eigenen Gebäude ungenutzt herumstehen.

Dass die "Zamworking"-Idee aus dem politischen Grafing großes Wohlwollen erfährt, wundert freilich wenig. "So ein Gründerzentrum macht die Stadt ganz grundsätzlich attraktiver", stellte Bürgermeister Christian Bauer (CSU) unlängst fest. Außerdem würden erfolgreiche Start-Ups oder Freiberufler auch ordentlich Gewerbesteuer bezahlen. Und die wiederum fließt in Bayern direkt in den städtischen Haushalt.

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