Serie "Die Welt dahoam in Ebersberg":Aus Mexiko nach Anzing - der Liebe wegen

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Normalerweise steht Sandra Ramirez hinter der Kamera. Ihre Karriere als Fotografin hat sie in ihrem Atelier in Neufarn gestartet. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Sandra Ramirez fühlt sich wohl in ihrer Wahlheimat - ganz besonders genießt sie die Natur. Über Umwege ist die heute 50-Jährige in den Landkreis gekommen, wo sie seit 15 Jahren mit ihrer Familie lebt und sich auch ehrenamtlich einbringt

Von Annalena Ehrlicher, Anzing

Monterrey, Mexiko, Ende der 80er-Jahre, an einem Sonntagmorgen um zehn Uhr: Sandra Ramirez blockiert das Telefon ihrer Familie, weil sie auf einen Anruf aus Regensburg wartet. "Damals gab es noch keine schnurlosen Telefone. Das heißt, für ein bisschen Privatsphäre musste ich das Telefon mit dem Kabel in mein Zimmer mitnehmen", erzählt Ramirez mehr als 25 Jahre später. Am anderen Ende der Leitung war ihr heutiger Ehemann, der von seinem Elternhaus aus anrief, um die 30 Mark Telefonkosten - "ein Vermögen für Studenten!" - zu sparen. Dieses Jahr sind sie seit 23 Jahren verheiratet und wohnen in Anzing. Auch ihre Karriere als Fotografin hat Ramirez im Landkreis gestartet - und engagiert sich dazu ehrenamtlich.

Kennengelernt hat sich das Ehepaar an der Tulane-Universität in New Orleans, Louisiana, wo Ramirez ihr Jurastudium beendete. Geboren in Mexiko, aufgewachsen in Honduras, kehrte sie für den ersten Teil ihres Studiums nach Mexiko zurück und beendete es in New Orleans. Ihr heutiger Ehemann machte zur selben Zeit dort ein Austauschsemester - beide kehrten nach dem gemeinsamen Jahr in ihr jeweiliges Leben zurück. "Mein Mann musste sein Studium in Regensburg fortsetzen und ich hatte ein Jobangebot in Mexiko", erinnert sie sich. Nebenher aber suchten sie nach einer Möglichkeit, in Deutschland zusammen zu sein. "Das war damals noch alles schwieriger mit dem Visum, vor allem, weil ich noch kein Deutsch konnte", so Ramirez.

Skype, Whatsapp, das alles gab es damals noch nicht

Letztlich bekam sie jedoch die Chance, als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Regensburg zu arbeiten - und kündigte ihren Job in Mexiko, um ihr neues Leben in der Oberpfalz zu beginnen. "Die Monate dazwischen waren natürlich schwer", erzählt sie. Skype, Whatsapp, alle Technologien, die transatlantische Kommunikation heute so einfach machen, gab es damals nicht. "Wir haben uns aber jeden Tag geschrieben - obwohl ein Brief zehn Tage brauchte bis er ankam", fügt sie hinzu.

Manchmal habe sie heimlich vom Büro aus ein Telefax geschickt. "Meine Freunde haben mich natürlich für verrückt erklärt", sagt sie heute lachend. Ihre Eltern, praktizierende Katholiken und tief gläubig, hatten Probleme mit der Wahl ihrer Tochter. "Aber wir wollten nicht aus einem äußeren Zwang heraus heiraten - das hätte ja sonst auch das Problem mit dem Visum gelöst", so die inzwischen dreifache Mutter.

Nach 23 Jahren Ehe weiß sie, dass ihre Entscheidung richtig war. Einfach war der Weg jedoch nicht. "Letztlich habe ich nie juristisch auf der Ebene gearbeitet, die ich mir ursprünglich vorgestellt hatte", erzählt Ramirez. Mit ihrer dritten Schwangerschaft begann für sie die Suche nach einem Beruf, der sich gut mit Familie vereinbaren ließ. Eine Freundin habe sie darauf gebracht, ihr Hobby zum Beruf zu machen: die Fotografie. "Also habe ich mich professionalisiert - und bekam dann von eben dieser Freundin einen Auftrag vermittelt." Eine Fotostrecke von Angelika Niebler in deren Zuhause. Danach hat sie sie nach Straßburg begleitet und mit Nicolas Sarkozy fotografiert. "Das war schon ziemlich aufregend", erinnert sich Ramirez an die Anfänge ihrer Karriere als Fotografin.

Ihr liebster Job: Babyfotos machen

Seit 15 Jahren lebt die 50-Jährige inzwischen mit ihrer Familie in Anzing. Ob ihr das nicht manchmal zu eng wird? "Überhaupt nicht - ich könnte mir keinen besseren Ort zum Wohnen wünschen", antwortet sie spontan. "Dass meine Kinder hier jederzeit zum Spielen raus oder alleine zur Schule laufen konnten, das ist ein wahnsinniges Privileg", sagt sie.

Hinzu kommt, dass sie ihr Fotostudio in Neufarn in fünf Minuten erreicht. Am liebsten macht sie inzwischen Familienbilder - ob in der Natur, im Studio oder in den jeweiligen Häusern. "Ich liebe es, Fotos von Babys zu machen", erzählt sie mit leuchtenden Augen. Da komme ihre Kreativität zum Einsatz. Aber auch Fotos für Firmen und Politiker gehören zu ihrem Aufgabengebiet.

"Wir haben hier einen großen Freundeskreis, ich singe in einem tollen Chor, wir sind sofort in der Natur - wir haben es wirklich gut hier", so die Juristin. Ein bisschen etwas davon will sie an Leute weitergeben, die "es weniger einfach haben". Deshalb übernahm sie Sprachpatenschaften für zwei der in Anzing untergebrachten Flüchtlinge. Mit ihren Kinder spricht sie Spanisch und Deutsch - auch wenn diese davon nicht immer begeister waren. "Aber Sprachen sind so wichtig, deshalb bleiben wir da auch weiterhin dabei", sagt sie mit einem Seitenblick auf ihre jüngste Tochter.

Dass ihre Familie - eine große Familie mit zahlreichen Cousinen - ihr fehlt, ist Ramirez deutlich anzusehen, obwohl die Kommunikation heute einfacher ist. "Aber persönlicher Kontakt ist natürlich etwas vollkommen anderes", betont sie. Und was sich trotz aller technischen Neuerungen nicht verändert hat: "Die Flüge dauern immer noch so lange wie vor zwanzig Jahren."

© SZ vom 18.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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