Anzing:Unter Nachbarn

Anzing: Seit dem sich die eritreischen Asylbewerber in Anzing eingelebt haben sind die Skepsis und die Vorurteile einiger Bürger verpufft.

Seit dem sich die eritreischen Asylbewerber in Anzing eingelebt haben sind die Skepsis und die Vorurteile einiger Bürger verpufft.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Von Misstönen keine Spur mehr: Asylbewerber und Helferkreis feiern in Anzing ein fröhliches Gartenfest

Von Anselm Schindler, Anzing

Die Asylbewerber, die seit Juli vergangenen Jahres im Forsthof in der Wendelsteinstraße untergekommen sind, haben wenig geschlafen in dieser Nacht. Für rund 100 Personen haben sie gekocht, das kann schon mal länger dauern. Riesige Töpfe stehen auf Bierbänken im Hof. Aus der ganzen Gemeinde sind an diesem Samstagnachmittag Bürger gekommen, "Nachbarschaftsfest", unter diesem Namen hatten die Asylbewerber und ihre Unterstützer vom Helferkreis Offenes Anzing eingeladen. Nun, in einer Gemeinde wie Anzing sind ja irgendwie alle Nachbarn.

Mit dem Essen müssen sich einige Nachbarn noch anfreunden: Rindfleisch, Kartoffeln und Ei kennt man zwar auch aus der bayerischen Küche, aber serviert wird das ganze auf Injera einem gegorenen Fladenbrot. "Daran habe ich mich bis heute nicht ganz gewöhnt, auch wenn mir die eritreische Küche sonst sehr gut schmeckt", sagt Sabine Schwarz und lacht. Die Unternehmensberaterin wohnt "da drüben" in der direkten Nachbarschaft zur Einrichtung der Asylbewerber. Aus dieser Nachbarschaft kamen, bevor die Asylbewerber überhaupt vor Ort waren, skeptische bis fremdenfeindliche Töne. "Aber das hat sich sehr schnell aufgelöst, als sie dann da waren", sagt Sabine Schwarz und lächelt zufrieden. Es ist nicht zuletzt ihr Verdienst, dass Anzing eines von vielen Vorzeigemodellen in Sachen Integration geworden ist.

Schwarz lässt ihren Blick über die Biertische schweifen, "da hat sich viel verändert im vergangenen Jahr". Letztes Jahr hätten auf der einen Seite nur Deutsche gesessen und auf der anderen die Eritrea erinnert sie sich an das letzte große Nachbarschaftsfest. Die Berührungsängste scheinen verpufft zu sein, eine Wendung um 180 Grad könnte man das nennen. Was vor allem daran liege, betont die Unternehmensberaterin, dass von Anfang an viele Anzinger ehrenamtlichen Sprachunterricht gegeben hätten. Und so kommt es, dass man von machen der Asylbewerber zur Begrüßung neben dem "Guten Tag" auch ein freundliches "Servus" zu hören bekommt.

Doch die Idylle hat auch in Anzing ihre Schattenseiten: Vom den staatlichen Behörden fühlt man sich oft allein gelassen, "da geht gar nichts voran", beantwortet Sabine Schwarz die Frage, wie es denn mit den Asylanträgen aussehe. "Die liegen wohl ganz unten in den Stapeln", sagt Schwarz und seufzt. Das führt auch bei den eritreischen Flüchtlingen zu Verunsicherung. "Wir wissen leider nichts" sagt auch Yemane Mlat. Der junge Mann kam im vergangenen Juli nach Anzing. Hinter sich hat er eine kräftezehrende Flucht durch die Sahara, über den Sudan und Libyen, das Mittelmeer und die berüchtigte Insel Lampedusa. Zurücklassen musste er seine Familie und seinen inzwischen vierjährigen Sohn. Das Geld für die Flucht reichte nicht für die ganze Familie. "Anzing ist für mich eine zweite Heimat geworden", erklärt Yemane Mlat. In seinem Lächeln liegt auch Wehmut, der Rest seiner Familie wird es wohl nicht so schnell in die "zweite Heimat" schaffen wie Mlat dachte.

So wie ein Großteil der anderen Anzinger Asylbewerber auch hat Mlat im Landkreis inzwischen eine Arbeit gefunden. Täglich fährt er mit dem Fahrrad nach Parsdorf um bei der Firma Kugler in der Versand-Abteilung zu arbeiten. Sieben Kilometer sind es von Anzing nach Parsdorf, "im Winter ist es hart mit dem Fahrrad", sagt Yemane Mlat, Busse fahren in diese Richtung nur selten. Doch auch wenn er wohl noch eine Weile auf seine Papiere warten muss, in Deutschland wird er mit hoher Wahrscheinlichkeit bleiben können. Denn nach Eritrea wird im Regelfall nicht abgeschoben, zu brutal wütet das dortige militaristische Regime.

Am Nebentisch hat sich in der Zwischenzeit Andreas Lenz (CSU) niedergelassen, der für den Wahlkreis Ebersberg-Erding im Bundestag sitzt. Er lobt die Integration in Anzing, doch man dürfe sich von der hiesigen "Flüchtlings-Idylle" nicht täuschen lassen, wie er betont. "Wir sind an unsere Grenzen gekommen", so Lenz. Es sei niemandem damit geholfen, "die Flüchtlings-Zeltstädte der Türkei nach Bayern zu verlagern", sagt der Bundestagsabgeordnete. Und fordert, die Fluchtursachen anzugehen. Und schon ist eine Diskussion entbrannt, die sich darum dreht, dass Deutschland mit Waffenlieferungen auch Fluchtursachen schaffe, wie ein ehrenamtlicher Unterstützer betont. "Deutschland ist der drittgrößte Waffenexporteur weltweit" sagt der Mann. "Wir haben in Deutschland sehr hohe Restriktionen was Waffenexporte betrifft", hält Lenz dagegen. Was denn mit den Panzer-Lieferungen nach Saudi-Arabien durch bayrische Firmen sei, fragt der ehrenamtliche Helfer. Fluchtursachen werden sich an diesem Nachmittag nicht lösen lassen, Andreas Lenz muss weiter, er habe noch Termine sagt er.

Dann durchbricht ein Ruf die Gespräche an den Tischen: "Kommt mal alle her". Elisabeth Stanglmeier winkt die Asylbewerber zu sich. Sie wird von vielen der jungen Männer einfach nur "Mama" genannt, ist täglich vor Ort, begleitet die Männer zum Arzt und erledigt Papierkram. Die Flüchtlinge stellen sich vor dem Eingang in einer Reihe auf, jeder bekommt ein Lebkuchenherz, "wie auf der Wiesn", erklärt Stanglmeier. Auf den Lebkuchen ist ein rosa Herz abgebildet, darunter das Wappen der Gemeinde Anzing. "I mog Anzing" laute die einfache Botschaft, erklärt Stanglmeier. "I mog Anzing" wiederholen die Asylbewerber im Chor.

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