Religion im Landkreis:Vereint in der Angst vor dem Fegefeuer

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Das Skapulier ist heute eine Stoffmedaille aus zwei Bildern. Sie wird entweder direkt am Körper getragen, oder ganz simpel in die Geldbörse gesteckt. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

In Anzing gibt es eine im Landkreis Ebersberg einzigartige Vereinigung: die vor 400 Jahren gegründete Skapulierbruderschaft. Heute gehören dem einst mächtigen Zusammenschluss nur noch zwölf Mitglieder an, die sich unter den Schutz der Muttergottes gestellt haben.

Von Romy Hölzel, Anzing

Es war eine dunkle Zeit, als die Bruderschaft gegründet wurde: Der Dreißigjährige Krieg tobte in Europa, das Leben war hart, die Perspektiven waren düster. Vielleicht kein Wunder, dass viele Menschen damals schon voll Hoffnung den Blick auf das Jenseits richteten. Doch ist die Seele auch rein genug, ist ein Platz im Himmel sicher? Diese Fragen stellten sich wohl jene, die sich vor 400 Jahren der Skapulierbruderschaft in Anzing anschlossen.

„Früher hatte die Vereinigung das Ziel, das Fegefeuer zu vermeiden“, erzählt Pfarrer Bernhard Waldherr, er führt heute Buch über die Bruderschaft. Die zwölf verbliebenen Mitglieder, darunter mehr Frauen als Männer, vereint freilich nicht mehr die Angst vor dem Purgatorium. Die Skapulierbruderschaft ist jetzt eine anonyme Gebetsgemeinschaft von Menschen, die sich unter den Schutz der Muttergottes stellen wollen.

Pfarrer Bernhard Waldherr ist Leiter der Skapulierbruderschaft in Anzing. Seine Aufgabe ist es, Personen in dem Buch der Pfarrerei namentlich niederzuschreiben, die Mitglied der Bruderschaft werden möchten. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Gegründet wurde die Anzinger Skapulierbruderschaft im Jahr 1624 vom damaligen Pfarrer Martin Lenz. Zu dieser Zeit war die Glaubensgemeinschaft in Europa sehr beliebt. Das „Skapulier“ im Namen beschreibt heute eine Art Medaille aus Stoff. Sie ist zweiteilig – auf einem der Teile befindet sich ein Bild der Gottesmutter Maria, auf der anderen Seite ein Bild ihres Sohnes, Jesus. Diese Medaille wird von Mitgliedern der Bruderschaft täglich getragen. Das muss aber nicht direkt am Körper sein: „Ob man die Medaille am Körper oder im Geldbeutel mit sich trägt, ist nebensächlich. Hauptsache man hat sie täglich bei sich“, erklärt Pfarrer Waldherr.

Das Wort „Bruderschaft“ im Namen der Gebetsgemeinschaft ist nicht wörtlich zu nehmen. Die Gemeinschaft sei nicht nur für Männer zugänglich, auch wenn der Name das vermuten lässt. „Heute sind sogar mehr Frauen als Männer in der Skapulierbruderschaft“, erklärt Waldherr weiter.

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Geändert hat sich auch das Skapulier selbst: Das war nicht immer eine Medaille mit zwei Bildern. Im Jahr 1251 begann die Geschichte dieses symbolischen Objektes mit dem Karmelmönch Simon Stock, der später zum Leiter des Ordens der Karmeliten aufstieg. Eines Tages hat er, wie Waldherr erzählt, eine Marienerscheinung gehabt: Maria habe sich ihm gezeigt und ihm ein breites Stoffband gegeben, welches man jeden Tag tragen solle, um unter ihrem Schutz zu stehen. Personen, die dieses Skapulier tatsächlich jeden Tag trugen, bildeten dann Skapulierbruderschaften.

In der Pfarr- und Wallfahrtskirche Mariä Geburt in Anzing ist die Geschichte des Skapuliers zu sehen: Auf dem Bild übergibt Maria das Skapulier an Simon Stock. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Das Skapulier ist nicht der einzige Aspekt, welcher sich im Laufe der Jahrhunderte bei der Bruderschaft geändert hat. Die Bruderschaft selbst strebt inzwischen andere Glaubenssätze an als damals: Inzwischen ist laut Waldherr der Fokus längst vom Fegefeuer weggerückt. Viel mehr erhoffen sich die Mitglieder der Bruderschaft heute, unter dem Schutz Marias zu stehen. Was dieser Schutz konkret für die individuellen Mitglieder bedeutet, wissen vermutlich nur sie selbst.

Neben dem Schutz Marias machen sie es sich zur Aufgabe, füreinander in der Gemeinschaft zu beten. Wer für wen genau betet, auch das wissen nur die Mitglieder und der Pfarrer, der diese namentlich in das Bruderschaftsbuch einträgt, um sie zum Mitglied der Skapulierbruderschaft zu erklären. Waldherr bezeichnet das als eine „anonyme Gebetsgemeinschaft“.

Früher war die Anzinger Skapulierbruderschaft einflussreich und bekannt in der Region

Bestimmte Vorgaben für die Gebete, Gebräuche und Rituale gebe es in der Bruderschaft nicht. Auch um Mitglied zu werden, gebe es keine bestimmten Voraussetzung – außer der Verpflichtung und Bereitschaft, überhaupt zu beten. Neben dem Beten füreinander und miteinander ist die Bruderschaft in Anzing als solche auch an keinen anderen Aktionen oder Projekten beteiligt, zumindest jetzt nicht mehr.

In der Blütezeit der Anzinger Skapulierbruderschaft war das laut Waldherr anders, die Mitglieder fanden damals viel Unterstützung, sie waren bekannt und auch finanziell gut ausgestattet. Somit trug die Bruderschaft unter anderem im 17. Jahrhundert zu einem Neubau der Marienkirche in Anzing bei: „Unsere Pfarrkirche wurde so groß gebaut, dass alle Mitglieder der Bruderschaft einen eigenen Platz in der Kirche haben konnten“, erzählt Waldherr. Damals sei die Skapulierbruderschaft durchaus einflussreich und bekannt gewesen.

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Die Bekanntheit der Gebetsgemeinschaft habe sich inzwischen deutlich verringert, das sieht man auch an der Mitgliederzahl, die stetig kleiner wurde, wie Waldherr sagt. Das liege vermutlich nicht nur daran, dass immer weniger Personen von der Existenz der Vereinigung wissen – eine weitere Rolle könne auch spielen, dass die Bruderschaft mit ihrer langen Geschichte als veraltet wahrgenommen werde: „Manche Leute wundern sich vielleicht, dass es die Skapulierbruderschaft überhaupt noch gibt.“

Um die Skapulierbruderschaft wieder in das Gedächtnis der Anzinger Gemeinde zu rufen und die 400 Jahre zu feiern, in denen es die örtliche Vereinigung bereits gibt, findet am ersten Septemberwochenende das „Skapulierfest“ in Anzing statt.

Zum Skapulierfest gibt es ein Konzert mit dem Gospelchor St. Lukas am Freitag, 5. September, um 19 Uhr in der Kirche. Ein Kabarettabend mit der Soafablosn schließt sich an am Samstag, 7. September, um 20 Uhr im Pfarrsaal. Karten gibt es im Pfarrbüro Anzing zu den üblichen Öffnungszeiten oder per Telefon beziehungsweise E-Mail.

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