Anzing:Ritt durch die Zeit

Zauberbrücke Anzing

Unter Leitung des Geigers Andrei Artemenko musiziert die "Camerata Anzing" in der Pfarrkirche Mariä Geburt.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Anzinger Musiker nehmen sich Anspruchsvolles vor

Von Rita Baedeker, Anzing

Ein ganzes Jahr im Zeitraffer erleben konnten die Besucher des Konzerts "Zauberbrücke" am Samstag in der Pfarrkirche Mariä Geburt in Anzing. In nur eineinhalb Stunden wurde es Frühling, Sommer, Herbst und Winter, sangen die Vögel, gingen Blitz und Donner auf die Erde nieder, feierte man Erntedank und verabredete sich zu einer Schlittenpartie durch frisch gefallenen Schnee. Antonio Vivaldi hat mit seinem klangmalerischen Werk "Die vier Jahreszeiten" diesen Ritt durch die Zeit möglich gemacht.

Die Stücke bildeten den Rahmen für das von der Musikinitiative Anzing und dem Zentrum für Stimmbildung und Gesangskunst U. Nesterova in Karlsruhe veranstalteten Abends, der Teil einer 2015 begonnenen Konzertreihe war. Unter Leitung des Geigers Andrei Artemenko musizierte die "Camerata Anzing", ein Ensemble begabter Laien, denen Vivaldis anspruchsvolle Komposition streckenweise ebenso zusetzte wie die vieles verschluckende Akustik der Kirche. Immerhin: Das sommerliche Donnerwetter gelang der Camerata ebenso gut wie kurz zuvor Petrus. Und beim dritten, tänzerischen Satz des Herbstes stimmten Intonation, musikalischer Ausdruck und Zusammenspiel perfekt. Respekt und Applaus verdienen die überwiegend jungen Streicher für ihre Interpretation allemal.

Begleitend wurde eine Diaschau gezeigt, die von den ersten Schneeglöckchen bis zur Blütenpracht und einer tief verschneiten Berglandschaft die Farben des Lebens und den Reigen der Jahreszeiten illustrierte. Bilder und Musik waren an diesem Abend ideelle Stützpfeiler der Brücke ohne Mauern. "Hier möchten wir nicht nur die Farben der Jahreszeiten, die Farben der Stimmen und die Farben der Musik durch eine Zauberbrücke verbinden, sondern auch die Herzen der Menschen durch die unsichtbaren Pfade der Liebe zur Musik zusammen führen", erklärte Oliver Knopff vom Vorstand der Musikinitiative.

Brücken zwischen den jahreszeitlichen Impressionen schlugen der Neue Chor Anzing, der Kinderchor "Gottes Notenschlüssel" sowie die Karlsruher Sopranistin Ulianah Nesterova, die zuvor bei einem Workshop für Chorsänger die Anzinger "gecoacht" hatte. Ausgewählt wurden Meisterwerke der Literatur, etwa das Lied "Die Forelle" von Franz Schubert, bei dem auch die Kleinen mitsangen. Den Teil des Lieds, in dem der ungeduldige Angler das Bächlein "tückisch trübe" macht, hat man weggelassen, die Erzählung wurde so allerdings jeglicher Dramatik beraubt.

Mit Schuberts dreistimmigem a-cappella-Chorsatz "Abendfrieden", Bruckners vierstimmiger Motette "Locus Iste" sowie Mozarts "Sancta Maria, mater Dei", hier wiederum begleitet von der Camerata, erklang Musik, die berührte und der Kirchenpatronin huldigte. Bruckner schrieb das Werk 1869 für die Einweihung der Votivkapelle im Dom "Mariä Empfängnis" in Linz. Der gemischte Chor sang intonationsrein, feinfühlig gestaltend und gut austariert, beim Mozart klanglich souverän unterstützt von der Camerata.

Die begleitete auch die stimmgewaltige Solistin des Abends, Ulianah Nesterova, beim innigen Ave Maria von Luigi Cherubini. Ihre Interpretation von Georg Friedrich Händels Arie "Lascia ch'io pianga", ein zartes, unendlich trauriges Klagelied aus der Oper "Rinaldo" gehörte zu den Höhepunkten des Konzerts. "Lass mich beweinen mein grausames Schicksal" heißt es darin. Gut, dass auf die ans Herz gehende Klage der musikalische Sommer folgte. Der nach dem Konzert noch längst nicht zu Ende war.

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