Loher-Haus in Anzing:Unsicheres Erbe

Loher-Haus in Anzing: Wollte seinem Erbe gerecht werden: Martin Loher hat sein Elternhaus in eine Galerie verwandelt.

Wollte seinem Erbe gerecht werden: Martin Loher hat sein Elternhaus in eine Galerie verwandelt.

(Foto: Christian Endt)

Hat Sohn Martin Loher ein Testament verfasst? Zu Lebzeiten wollte er den Nachlass wohl der Gemeinde Anzing zukommen lassen

Von Franziska Langhammer, Anzing

Auf die Trauer folgt nun Ratlosigkeit. Nach dem Tod von Martin Loher, Sohn des Anzinger Künstlerehepaars Joseph Loher und Gretel Loher Schmeck, der im Februar im Alter von 81 Jahren verstarb, ist die Frage seines wertvollen Nachlasses noch immer ungeklärt. Nun könnte per Eilverfahren vom Amtsgericht ein Nachlasspfleger eingesetzt werden, der nach einem Testament sucht. Ebenfalls verschollen ist ein persönlicher Brief des Künstlers Emil Nolde an die Lohers.

Martin Loher war der einzige Sohn des Künstlerehepaars Joseph Loher und Gretel Loher-Schmeck. Die beiden Maler zählen zu jener Gruppe expressionistischer Künstler, die heute als "vergessene Generation" bezeichnet werden: Zur Zeit des NS-Regimes galt ihre Kunst als "entartet", öffentliche Ausstellungen waren nicht möglich. Nach dem Krieg wurde die gegenständlich-expressionistische Kunst weitestgehend als unmodern abgestempelt.

In den 1940ern fanden die Lohers und ihr Sohn Martin Zuflucht in einem damals schon 150 Jahre alten Bauernhaus in Frotzhofen bei Anzing, in dem sie bis zu ihrem Tod in den Jahren 2002 und 2003 lebten. Als Selbstversorger bestritten sie ihren Alltag dort, lebten vom Anbau von Obst und Gemüse. Sie hielten Ziegen, Hühner, Gänse, denn von der Kunst allein leben konnten sie nicht.

Ihre Werke und das Bauernhaus in seinem urtümlichen Charme zu erhalten, das hatte sich Sohn Martin Loher zur Lebensaufgabe gemacht. Nach dem Tod der Mutter ließ er neben dem Bauernhaus einen Neubau errichten, in dessen Keller er die Ölgemälde seiner Eltern nach Motivgruppen geordnet fachgerecht lagerte. Sein Elternhaus funktionierte er kurzerhand zu einer Galerie um, in der immer mal wieder Ausstellungen stattfanden.

Vorerst ist das künstlerische Leben rund um das idyllische Haus mit dem anliegenden Gärtchen jedoch zum Stillstand gekommen. Loher hatte in den vergangenen Jahren wiederholt gegenüber verschiedenen Zeugen geäußert, er wolle seinen Nachlass und somit auch das künstlerische Erbe seiner Eltern der Gemeinde Anzing überlassen. Das wollte er in seinem Testament festhalten. Bisher ist jedoch kein Testament aufgetaucht, in dem dies beurkundet ist.

Außerdem gibt es der Kunsthistorikerin und Ebersberger Kreisheimatpflegerin Natascha Niemeyer-Wasserer zufolge einen Brief des bekannten Malers Emil Nolde, den die Lohers als "Expressionisten der ersten Stunde" sehr schätzten. Damals - und so auch in dem Brief an die Lohers - galt Noldes Kunst als von den Nazis verfemt, und so stilisierte Nolde sich jahrzehntelang als Opfer der Nationalsozialisten. Erst vor wenigen Jahren hat sich die Lesart geändert, nachdem Noldes antisemitische und nationalsozialistische Haltung in der Öffentlichkeit bekannt geworden war.

Nun, da offenbar nichts über den Verbleib von Brief wie Testament bekannt ist, sind der Gemeinde und der Kreisheimatpflegerin die Hände gebunden. Wer kümmert sich um das Haus? Wer hat einen Schlüssel, wer darf es betreten? "Ich weiß es nicht", sagt Niemeyer-Wasserer. Auch Bürgermeister Franz Finauer konstatiert, dass die Gemeinde bisher über keine Zuständigkeit unterrichtet worden wäre. Selbst wenn sich Testament und Brief im Haus der Lohers befinden, ist derzeit rechtlich niemand befugt, dieses zu betreten.

"Es war in jedem Fall in Martin Lohers Interesse, das Erbe seiner Eltern der Gemeinde Anzing zu hinterlassen", ist sich Niemeyer-Wasserer sicher. Die Kreisheimatpflegerin hofft, dass - egal, wer letztlich erbt - der Nachlass der Lohers seinen Platz in Frotzhofen behält. "Alles andere würde überhaupt keinen Sinn machen", sagt sie. Das Werk lebe von seinem Bezug zum nahen München und zum Ort.

Martin Loher habe gewusst, "dass er eine große Verantwortung hinterlässt", so Niemeyer-Wasserer. 2009 habe er auch einmal die Möglichkeit angesprochen, die Gemeinde könne den Unterhalt des Hauses nach seinem Tod durch Mieteinnahmen gewährleisten. Dass der Nachlass an Anzing übergehen sollte, könne auch als Dankeschön verstanden werden, so Niemeyer-Wasserer, denn die Gemeinde habe den Galeristen immer unterstützt. Vielleicht gebe es ein Testament, vielleicht habe er auch nie eines verfasst, sagt die Kreisheimatpflegerin: "Martin Loher konnte schon zu Lebzeiten schwer etwas aus der Hand geben."

Da Martin Loher selbst keine Familie hatte, könnte sein Besitz nun an eine Cousine übergehen, die in den USA lebt. Darüber muss jedoch letzten Endes das Amtsgericht Ebersberg in einem Nachlassverfahren entscheiden. Auf Nachfrage heißt es von dort, ein solcher Prozess könne Monate dauern; es sei denn, es würde ein Eilantrag gestellt.

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