Süddeutsche Zeitung

Wettbewerb in Anzing:Boxende Burschen im Bierzelt

Am Samstag fliegen in Anzing die Fäuste. Zum Gründungsfest des örtlichen Burschenvereins steigen zwölf Amateure in den Ring - fünf davon aus dem Landkreis Ebersberg.

Von Simon Groß, Anzing

Üblicherweise gehören körperliche Auseinandersetzungen zu den eher ungewollten Begleiterscheinungen feucht-fröhlicher Festabende. Nicht so an diesem Samstag. Wenn der Burschenverein (BV) Anzing zum Gründungsfest lädt, um sein 110-jähriges Bestehen zu feiern, steht der Faustkampf im Mittelpunkt: Es wird geboxt. Während andere Burschenvereine im Wettstreit Baumstämme sägen oder Masskrüge von sich stemmen, treten in Anzing zwölf Box-Amateure aus befreundeten Burschenvereinen im Ring gegeneinander an. Dafür schickt jeder Verein seinen aussichtsreichsten Kandidaten ins Rennen. Einzige Teilnahmevoraussetzung: eine weiße Weste in Sachen Boxen.

Fünf der Teilnehmer kommen aus dem Landkreis Ebersberg: aus der Kreisstadt, Oberndorf, Bruckhof, Bruck und Eichhofen. Die Idee für das ungewöhnliche Abendprogramm kam den Anzingern schon vor anderthalb Jahren bei einem Burschenabschied. Der ehemalige Vorsitzende, Benno Stadler, der am Samstag als Ringsprecher auftreten wird, erinnert sich: "Es war ein lustiger Abend in unserem Festzelt. Irgendwann in der Früh kamen wir dann auf die Idee, die Tische beiseite zu schieben und zu rangeln. Das war ein großer Spaß." Schon damals hat Stadler die Ansagen zu den Kontrahenten gemacht. "Danach dachten wir uns: Das wäre doch was für unser Jubiläum." So kamen sie aufs Boxen.

Über ein älteres Mitglied haben sie dann vor einem halben Jahr Kontakt zu dem Erdinger Kickboxverein aufgenommen und um Unterstützung gebeten. Anfangs zeigten sich die Trainer Heinz Klupp und Peter Lutzny eher skeptisch. "Aber dann haben wir gemerkt, dass die voll dahinterstehen und so haben sie uns überzeugt", sagt Klupp. Der Erdinger Kickboxverein stellt Ring und Equipment, betreut die Teilnehmer und bringt drei Kampfrichter zur Wertung mit.

In den vergangenen Wochen haben die Erdinger Kickboxer den Teilnehmern in sechs bis sieben Trainingseinheiten die Grundkenntnisse im Boxen vermittelt. "Und wir haben durchaus auch ein paar Talente entdeckt", sagt Klupp überrascht. "Wir haben viel Deckungsarbeit mit ihnen gemacht, ihnen gezeigt, wie man angreift und wie man einen Kampf führt. Aber die Kondition kann man natürlich nicht so schnell auf Spitze bringen." Deshalb haben die Kämpfer auch zwischen den Runden statt einer Minute zwei Minuten Pause. "Wenn man im Ring steht und dann die Aufregung dazukommt, ist die Luft ganz schnell weg", weiß der ehemalige deutsche Meister und Weltmeister im Kickboxen aus eigener Erfahrung.

Bedenken wegen Verletzungen hat der Trainer aber nicht. "Man kann sich genauso gut auch beim Volleyball verletzen", ist Klupp überzeugt. Das stimmt zwar, allerdings sind drei der ehemals 14 Teilnehmer (für einen konnte Ersatz gefunden werden) bereits beim Training verletzungsbedingt ausgeschieden, was zumindest auf einen gewissen sportlichen Ehrgeiz hindeutet. Nichtsdestotrotz wollen die Burschen zwar Zahn- und Tiefschutz tragen, aber auf Schutzhelme verzichten, die beim Amateurboxen eigentlich üblich sind.

"Dafür haben wir ihnen aber große, gut gepolsterte Handschuhe besorgt", sagt Klupp zuversichtlich. Außerdem sei ein geschulter Kampfrichter im Ring, der den Kampf abbreche, falls einer der Kontrahenten "durch Schlagwirkung" in Schwierigkeiten gerate. Und im Notfall sind auch Arzt und Sanitäter vor Ort. Doch am Ende steige jeder auf eigene Gefahr in den Ring, sagt der erste Vorsitzender des BV Anzing, Florian Pech. Das müssen alle Teilnehmer auch vorher schriftlich bekunden.

Ebenfalls gelassen sieht Sebastian Erber dem Wochenende entgegen. Der 20-Jährige wird mit 96 Kilogramm im Schwergewicht für die Anzinger Burschen antreten. Erber spielt Handball in der Bayernliga, natürlich beim SV Anzing. "Das ist ja auch ein relativ harter Sport. Ich bin fit, und das Publikum bin ich auch gewohnt", sagt er selbstsicher. Am Samstag steht er noch für die Anzinger Löwen in der Halle, bevor er dann abends in den Ring steigt. "Die Anspannung kommt dann wahrscheinlich nach dem Spiel."

Dann, gegen 19 Uhr, sollen die Kämpfe im Festzelt losgehen. Vorher werden noch die Regeln erläutert und die Teilnehmer vorgestellt, die aus Burschenvereinen der Landkreise Ebersberg, Erding, Freising, München und Rosenheim anreisen. Geboxt wird in zwei Gewichtsklassen: Es treten acht Kämpfer im sogenannten Cruisergewicht (unter 90 Kilogramm) und vier Kämpfer im Schwergewicht (über 90 Kilogramm) gegeneinander an, die sich im Turniermodus bis zum Finale vorarbeiten können.

Ein Kampf dauert jeweils zweimal zwei Minuten. Zu gewinnen gibt es sogar einen Gürtel, der dem Sieger der jeweiligen Gewichtsklasse den Titel des "Anzinger-Burschen-Boxmeisters" verleiht - ein Teilnehmerpokal ist allen gewiss. "Am Ende geht es aber um die Gaudi und die Show", sagt Ringsprecher Stadler. Die Kämpfer laufen mit Mantel und Musik ein, "wie man es aus dem Fernsehen kennt". Jeder Teilnehmer hat sich dafür vor dem Wettkampf sein eigenes Lied ausgesucht.

Und bisher seien die Reaktionen auf die Veranstaltung durchweg positiv gewesen. Stadler rechnet mit einem vollen Festzelt: "Jeder Kämpfer bringt bestimmt zwischen 40 und 50 Unterstützer mit, und dann kommen noch die ganzen Schaulustigen. Wir haben eine Kapazität von 2000 Gästen und die werden wir auch zusammen kriegen."

Einlass im Anzinger Festzelt am Semptweg ist am Samstag, 14.September, um 18 Uhr. Tickets gibt es an der Abendkasse für acht Euro.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4598412
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 13.09.2019/koei
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.