Süddeutsche Zeitung

Anmeldung noch möglich:Ist es nötig, ist es gütig, ist es wahr?

Lesezeit: 3 min

Die Künstlerin Sabine Roidl aus Grafing erläutert, wie man beim (Akt-)zeichnen fürs Leben lernen kann

Von Michaela Pelz

Einen unbekleideten menschlichen Körper aufs Papier oder die Leinwand zu bannen: Ist das nicht ziemlich schwierig, vor allem, wenn das Modell vielleicht nicht aussieht wie Michelangelos "David"? Sabine Roidl lacht - die Frage hat sie wohl nicht zum ersten Mal gehört. "Es geht nicht um Natur, sondern um Kultur." Was die Grafinger Künstlerin damit sagen will: Zwar sollen sich die Teilnehmer ihrer Kurse im Aktzeichnen an der realen Vorlage orientieren, sie aber nicht eins zu eins reproduzieren. Vielmehr soll aus der individuellen Wahrnehmung jener nackten Person, die da "in all ihrer Verletzlichkeit, Schönheit und Unsicherheit" geduldig minutenlang in einer gewünschten Position verharrt, ein Abbild entstehen. Ihren nächsten Kurs gibt Sabine Roidl am Freitag, 21. Juni, beim Boesner, dem Laden für Künstlerbedarf, in Forstinning.

"Es geht immer mit dem Sehen los und mit dem weißen Papier, auf dem alles möglich ist", unterstreicht die Frau mit dem einnehmenden Wesen, in deren eigenen Geschichten, egal, ob in Wort oder Bild, große Lebensfragen immer eine wichtige Rolle spielen. Offenbar nicht nur bei ihr - "meine typische Schülerin ist eine Frau um die 40, die an einem Scheideweg steht und etwas Neues ausprobieren oder sich ins Leben zurückzeichnen will". Lachend fügt Roidl hinzu: "Abgesehen davon sind Zeichner überall beliebt - also, Jungs, vergesst das Gitarre spielen, sagt lieber: Ich mach ein Portrait von dir!"

So, wie die gebürtige Oberpfälzerin über ihre Eleven spricht, wird schnell klar, dass die Lehrtätigkeit ihr fast ebenso wichtig ist wie das eigene Wirken als Malerin, Illustratorin und Autorin. Die Mittvierzigerin will Anfänger, aber auch bereits an Bleistift (ihrem bevorzugten Medium) und Pinsel geübte Könner ermuntern, alle Sinne zu gebrauchen und der eigenen Kreativität zu vertrauen. Dazu lässt sie, die auch schon mal in der Oper auf dem Ipad zeichnet, im Kurs immer wieder aus der Erinnerung, mit abgedecktem Stift oder im Dunkeln arbeiten. "Doch ohne Training geht es nicht", erklärt die studierte Malerin und Autorin, die nach eigenen Angaben jeden Morgen, gleich nach dem Aufstehen, ein Selbstporträt per Spiegel sowie einen Text anfertigt.

Ihre Vielseitigkeit beweist Sabine Roidl in zahlreichen Projekten. Neben den Zeichenkursen und zwei im Jahr 2020 bei literarischen Verlagen erscheinenden Büchern, steht im Juli eine Ausstellung in Würzburg auf dem Plan. Zu sehen sind im Rahmen von "Zeichnen in der Stadt" entstandene Ansichten der Bischofsresidenz sowie von Bamberg, Meran, vielleicht auch Salzburg (die genaue Anzahl der Bilder steht noch nicht fest). Dafür harrt die Künstlerin aus Grafing mit Block oder Skizzenbuch an einem bestimmten Aussichtspunkt auf ihrem transportablen Höckerchen jeweils so lange aus, bis alle für die endgültige Fertigstellung der Bilder wesentlichen Linien erfasst sind - ohne zu radieren und ohne Fotos zur Erinnerung.

Zurück im Atelier mit dem Katzenkorb auf dem Schreibtisch igelt sich die zweifache Mutter für den Schaffensprozess völlig ein - "Da gibt es dann nur schlafen, essen und malen." Nichts wird aufgeräumt oder weggeworfen, weder der "Palettendreck", also die verschmierten Farbreste, noch das mit einem Tropfen Ochsengalle angereicherte Wasser. So bleibt die "Farbsuppe" für eine einheitliche Farbgebung erhalten. Zuweilen folgt auf manchmal 60 Stunden versunkene Arbeit zwar eine gewisse Trauer, doch dann muss "das Bild an die frische Luft", also ins Licht der Öffentlichkeit. Dabei kann Roidl ihre Werke loslassen, der Verkauf ist ihr eine Ehre.

Wie sie arbeitet, aber auch, was man daraus fürs Leben lernen kann, selbst wenn man selbst nicht künstlerisch tätig ist, schildert Sabine Roidl in ihrem wunderbaren Essay "Bäume zeichnen", das man entweder auf ihrer Website nachlesen oder sich von Journalistin Laura Sattelmair per Podcast vorlesen lassen kann. Der Text schließt mit einer aus der arabischen Streitkultur entlehnten Frage, an der sich Sabine Roidl bei ihrem künstlerischen Schaffen orientiert: "Ist es nötig? Ist es gütig? Ist es wahr?"

Wen das nebst Bewegungsskizzen und Kompositionsstudien interessiert, der kann sich noch für den Kurs am 21. Juni anmelden. Wer gerne selbst Modell stehen würde, hat schlechtere Karten: "Ich muss mit Profis arbeiten - oft sind es Tänzer oder Schauspieler. Sie besitzen die nötige körperliche Fitness, brauchen keine langen Erklärungen zu Stand- und Spielbein und halten es aus, wenn die Teilnehmer während der Arbeit über ihre Körper sprechen."

Aktzeichnen: Kurs mit Sabine Roidl, am Freitag, 21. Juni, von 10.30 bis 16.30 Uhr bei Boesner in Forstinning. Weitere Infos und Anmeldung online unter www.boesner.com

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SZ vom 04.06.2019
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